Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos ist Chefarzt und Direktor des Universitären Notfallzentrums am Inselspital und Co-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin.
Herr Professor, nun öffnen die Schulen wieder. Besorgte Eltern fragen sich, wie gefährdet ihre Kinder durch das Coronavirus sind. Sind die Sorgen und Ängste noch berechtigt?
Die Frage ist, wie sehr gefährden Kinder die Eltern und Grosseltern zu Hause. Diese Frage kann leider noch nicht abschliessend beantwortet werden, jedoch sieht es danach aus, dass Kinder selbst nicht so schnell an Corona erkranken und vor allem die kleineren Kinder auch keine sehr aktiven Überträger sind. Bei älteren Kindern und Jugendlichen sieht es aber nicht mehr ganz so unproblematisch aus. Dort versuchen wir Mediziner besser zu verstehen, was schützt und was nicht.
Wie sollen sich Kinder in der Schule an die Distanz- und Hygienevorgaben des Bundes halten?
Wir sind uns einig, dass dies kaum abschliessend möglich oder sinnvoll ist. Ausserdem gibt es wenig beweisendes Material, dass dies einen sicheren Schutz bietet. Vor allem kleine Kinder können kaum Abstandsregeln einhalten. Mir erscheint wichtig, dass Kinder früh lernen, sich mit den neuen Hygienevorschriften der Erwachsenen vertraut zu machen, da wir noch lange mit diesen leben werden müssen. Letztens wollte ich zum Beispiel einem Kollegen spontan die Hand geben, worauf mich meine kleine Tochter ermahnte und sagte: «Papa, das darf man aber nicht wegen Corona».
Bei welchen Symptomen sollte man das Kind nicht in die Kita, den Kindergarten oder in die Schule schicken?
Hier passen Bund und Kantone regelmässig die Symptomlisten und die Indikationen für einen Abstrich auf Covid-Viren an. Grundsätzlich gilt, wie auch bei allen anderen fiebrigen Erkrankungen, auf den Schul- bzw. Kitabesuch zu verzichten.
Ist ein Infizierter ansteckender, wenn er Symptome hat?
Im Moment sieht es ganz danach aus, dass eine Person, welche sich mit Covid-19 infiziert hat und Erkältungssymptome hat, stärker ansteckend ist als jemand, der keine Symptome hat. Letztere können aber auch ohne Symptome bereits genug Viren verbreiten und die Umgebung anstecken. Dies ist auch ein Grund dafür, dass Personen, welche mit Infizierten in direktem Kontakt waren oder aus Risikoländern einreisen, in die Quarantäne sollten, um eine mögliche Ansteckungskette zu unterbrechen.
Wie gesichert ist es, dass Erwachsene eher Kinder anstecken als umgekehrt?
Dies gilt als wenig gesichert. Aus Gründen, welche wir Mediziner noch nicht ganz verstehen, erkranken Kinder seltener und «brüten» im Vergleich zu Erwachsenen auch weniger stark Covid-Viren im Nasenrachenraum aus.
Hat es in der Schweiz schwere Verläufe gegeben, bei denen ein Kind künstlich beatmet werden musste?
Leider gab es das auch in der Schweiz, aber dies sehr selten.
Täglich liest man, dass schon bald eine Impfung kommt. Wie zuversichtlich sind Sie?
Ich bin von Beruf und Natur aus sehr optimistisch und gehe davon aus, dass wir innerhalb der nächsten sechs Monate eine Impfung haben werden. Ich hoffe, dass sich die Schweiz genug Impfdosen beschaffen kann, denn der Kampf um diese wird wohl härter werden, als um das heiss begehrte Gold im wilden Westen der USA anno dazumal. Aber die Zustände auf dem Impfstoffmarkt werden wohl ähnlich sein.
Coronavirus und Kinder: Der Notfall-Professor zum Schulstart
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