Vielen Menschen läuft es nur schon beim Wort «Wurzelbehandlung» kalt den Rücken runter. Doch wie schmerzhaft ist eine Wurzelbehandlung wirklich und wann wird sie überhaupt notwendig? Dr. Markus Schulte, Spezialist für Oralchirurgie des Zahnarzt Teams Luzern, klärt auf.
Herr Schulte, in welchem Fall bedarf es einer Wurzelbehandlung und was wird dabei genau gemacht?
Eine Wurzelbehandlung wird notwendig, wenn die Zahnpulpa (Zahnnerv) entzündet ist (Pulpitis) und anhaltende oder ständig wiederkehrende Zahnschmerzen auftreten. Die für den Patienten oft unerträglichen Schmerzen können nur durch eine Wurzelbehandlung dauerhaft beseitigt werden. Des Weiteren kommt es zu einer Wurzelbehandlung, wenn der Zahnnerv ganz oder teilweise abgestorben ist (Pulpanekrose, Gangrän). Beim devitalen (toten) Zahn ist eine Wurzelbehandlung erforderlich, damit nicht Bakterien das Zahninnere besiedeln und in den Knochen vordringen können.
Viele Menschen haben Angst vor einem solchen Eingriff, da man viele «schlimme» Geschichten hört. Ist der Eingriff wirklich so schmerzhaft oder handelt es sich hierbei um einen Aberglauben?
Mit den heutigen Möglichkeiten der lokalen Schmerzausschaltung (Lokalanästhesie) sind Wurzelbehandlungen grundsätzlich völlig schmerzlos. Trotzdem empfinden viele Patienten die oft langwierigen und komplexen Prozeduren als belastend. Aus diesem Grund kann bei ängstlichen Patienten zusätzlich zur Lokalanästhesie auf Wunsch eine Sedierung (Beruhigung) mit Lachgas oder Beruhigungsmitteln (Dämmerschlaf) verabreicht werden. Auf diese Weise kann sich der Patient während der Behandlung völlig entspannen.
Dies sind die Hauptursachen der Pulpitis:
- Karies (Bakterien, diese bilden Toxine und Säuren)
- Zahnrisse oder -frakturen (Zahntrauma)
- Chemische Irritation durch Zahnrestaurationen wie Zahnfüllungen oder Kronen
- Überhitzung bei zahnärztlicher Behandlung, zum Beispiel beim Bohren oder Abschleifen des Zahnes ohne ausreichende Kühlung
Wie kommt es zu einer Entzündung im Inneren des Zahnes?
Wie alle lebenden Gewebe kann auch die Zahnpulpa von krankhaften Veränderungen heimgesucht werden. Meistens handelt es sich dabei um eine Entzündung des Zahnnervs, die man Pulpitis nennt und von der man akute und chronische Formen unterscheidet. Im Anfangsstadium ist die Pulpitis meist reversibel, das heisst, sie kann bei einer Beseitigung der Ursache wieder komplett ausheilen. Bei längerem Bestehen ist die Nerventzündung häufig irreversibel. Sie heilt also nicht mehr ab, führt zu chronischen Beschwerden oder schliesslich zu einem Absterben des Zahnnervs (Pulpanekrose).
Woran erkennt man eine Pulpitis?
Eine Pulpitis macht sich hauptsächlich durch Schmerzen bemerkbar, die entweder durch äussere Reize (z. B. kalte oder heisse Speisen und Getränke) ausgelöst werden oder spontan auftreten. In vielen Fällen kommt es auch zum Aufbissschmerz, der bei einer Belastung des Zahnes spürbar ist.
Ist der Zahn nach der Behandlung wirklich tot?
Das Pulpagewebe, das ausser Nerven auch Blutgefässe enthält, wird bei der Wurzelbehandlung möglichst vollständig entfernt und der Wurzelkanal dicht verschlossen. Trotzdem ist der Zahn nicht völlig «tot». Der parodontale Halteapparat, also die Verbindung zwischen Wurzel und Knochen, bleibt vital und intakt.
Kann der Zahn zu einem Gesundheitsrisiko werden?
Ein Risiko geht von den Zähnen aus, deren Pulpa abgestorben (nekrotisch) ist und die nicht wurzelbehandelt sind. Hier können die Bakterien aus dem Wurzelkanal in den Knochen vordringen und dort zu Entzündungen führen. Wenn sich Eiter im Gewebe ansammelt, spricht man von einem Abszess (Eiterbeule). Diese «dicke Backe» ist keineswegs harmlos und muss sofort behandelt werden. Ein unbehandelter Abszess im Gesichtsbereich kann sogar lebensgefährliche Konsequenzen haben.
Wie können solch gravierende Folgen vermieden werden?
Um derartige Folgen zu verhindern, müssen abgestorbene Zähne möglichst sofort mit einer korrekten Wurzelbehandlung versorgt werden. Manche «alternativen» Mediziner und Heilpraktiker behaupten, dass auch korrekt wurzelbehandelte Zähne ein Gesundheitsrisiko darstellen und unbedingt entfernt werden sollten. Für diese Ansicht gibt es allerdings keine wissenschaftliche Grundlage.
Was kann man vorbeugend tun, damit eine Wurzelbehandlung gar nie notwendig wird?
Bei einer guten Mundhygiene und regelmässigen Kontrollen beim Dentalhygieniker und Zahnarzt hat die Karies keine Chance. Damit entfällt die wichtigste Ursache einer Wurzelbehandlung. Prophylaxe zahlt sich also wirklich aus.