Obst essen, aber richtig!

Frau Laëtitia Verger, Ernährungsberaterin des SVDE und Leiterin des Ernährungsdienstes im Hôpital de la Tour in Meyrin


Ernährung

Quelle: TCS MyMed


Frau Laëtitia Verger, Ernährungsberaterin des SVDE und Leiterin des Ernährungsdienstes im Hôpital de la Tour in Meyrin, erklärt, warum man Obst essen sollte und wie man es richtig macht.

Frau Verger, was bringt Obst unserem Organismus?
Jede Frucht liefert ein anderes Spektrum wertvoller Nährstoffe. Deshalb ist es wichtig, sie abwechslungsreich zu sich zu nehmen und zuzubereiten (roh oder gekocht). Obst ist eine hervorragende Quelle für Energie, Vitamine, Mineralien, Ballaststoffe und Wasser, Elemente, die als Antioxidantien wirken und für eine optimale Funktion des Immun-, Herz-Kreislauf- und Nervensystems sorgen. Sie spielen bei der Regulierung der Verdauung eine Rolle, indem sie die gesunden Mikrobiota in unserem Darm fördern.

Kann man zu jeder Tageszeit Obst essen?
Häufig hört man den Ratschlag «Fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag», davon ein bis zwei Portionen Obst. Ich möchte noch hinzufügen, dass man auf die Signale des eigenen Körpers achten sollte, wenn man sie verzehrt. Wenn man auf die persönliche Verträglichkeit und den eigenen Hunger achtet, sind das sehr gute Indikatoren. Verdauungsprobleme aufgrund der Vergärung von Zucker können abhängig oder unabhängig vom Zeitpunkt des Verzehrs auftreten. Darum möchte ich die Leserschaft dazu einladen, Faustregeln misstrauisch zu begegnen: Wenn Sie nach dem Verzehr einer Frucht keinerlei Symptome erkennen, heisst das, dass Sie sie gut vertragen!

Und wenn sich Symptome einstellen, obwohl man die eine oder andere Frucht gern isst?
Sollten regelmässig Symptome auftreten, lassen Sie sie anhand Ihrer Ernährungsgewohnheiten von diplomierten Ernährungsberatern untersuchen, die basierend auf wissenschaftlichen Daten arbeiten.

Kann der Verzehr von Obst dick machen?
Ja, wer regelmässig ohne Hunger eine Frucht am Tag isst, nur für das gute Gewissen, kann genauso an Gewicht zunehmen wie bei jedem anderen Nahrungsmittel. Egal, ob Sie Obst zu den Mahlzeiten oder zwischendurch verzehren, am besten hören Sie auf Ihren Körper und lassen sich von Ihrem Hunger- und Sättigungsgefühl leiten.

Viele Menschen essen zum Frühstück eine oder mehrere Früchte. Welche Früchte empfehlen Sie hierfür?
Wie bei allen Nahrungsmitteln ermutigen wir dazu, möglichst natürliche und wenig verarbeitete Früchte zu bevorzugen. Und – ich sage es noch einmal – ausser bei bestimmten Krankheiten können Sie jede Frucht zu sich nehmen, die Ihnen schmeckt und die Sie gerne essen. Konzentrieren Sie sich auf rohe oder gekochte Früchte ohne Zusätze. Und für eine nachhaltige Ernährung halten Sie sich am besten an regionales Obst.

Gibt es Früchte, die man nicht zum Frühstück essen sollte? Und warum?
Nein, wie ich bereits gesagt habe, wird keine Frucht mehr oder weniger empfohlen als andere. Im Idealfall sollte man eine gewisse Vielfalt einhalten. Aber tatsächlich haben einige Früchte einen weniger guten Ruf, weil sie einen höheren Zuckergehalt aufweisen.

Und dieses Übermass an Zucker wäre schlecht?
Diesen Gedanken kann man aus mehreren Gründen relativieren, vor allem, weil man dabei auch die gesamte Ernährung der Person betrachten muss. Fruktose (der natürlich enthaltene Fruchtzucker) hat einen niedrigen glykämischen Index. Da Früchte aber Ballaststoffe enthalten und weitere Parameter erfüllen, bleiben sie hervorragende Energielieferanten.

Stichwort Zucker: Oft trinkt man zum Frühstück ein Glas Orangensaft. Ist das eine gute Idee?
Wie viele Orangen muss man für ein Glas mit 0,2 l auspressen? Vier oder fünf? Können Sie sich vorstellen, diese Menge Orangen zu essen und zu kauen? Es handelt sich zwar um einen natürlichen Saft, doch in Ihrem Glas befindet sich der konzentrierte Zuckergehalt von vier oder fünf Orangen...

Dabei erscheint dieser Zucker als Saft gesund und «unschuldig»...
Ganz sicher, aber das täuscht: Sensoren im Kiefer sorgen mit ihren Informationen bei festen Nahrungsmitteln für ein stärkeres Sättigungsgefühl. Wenn Sie allerdings Orangensaft trinken, haben Sie weniger den Eindruck, etwas Nahrhaftes zu verzehren, als wenn Sie eine Orange essen.

Also sollte man bei Fruchtsäften besonders vorsichtig sein?
Für die Normalbevölkerung empfiehlt die SGE (Schweizerische Gesellschaft für Ernährung) pro Tag weniger als eine Portion Früchte in flüssiger Form. Allerdings darf man Orangensaft auch nicht verteufeln, sondern sollte ihn als «Erfrischungsgetränk» betrachten.  Und aufgrund seines Nährstoffgehalts ist er trotzdem noch besser als Limonade.

Mit welcher Art Saft «liegt man richtig»?
Entscheiden Sie sich lieber für 100 Prozent reinen Saft anstelle von «Multisäften», die weitere Zuckerzusätze (darunter Saccharose oder Fruktosesirup, die sich anders auf die Gesundheit auswirken als reine Fruktose aus der Frucht) und manchmal Zusatzstoffe (Emulgatoren, Säuerungsmittel, Verdickungsmittel) enthalten.

Und wie ist es mit den so genannten «optimierten» Fruchtsäften?
Seien Sie vorsichtig, wenn man Ihnen etwa einen speziellen «Omega 3»-Saft präsentiert. Sie sind von Natur aus nicht in Früchten enthalten. Also hat man diesem Saft Fischöl zugesetzt. Das wird übrigens im verpflichtenden Zutatenverzeichnis des Produktes genannt. Wir laden die Verbraucher immer dazu ein, den tatsächlichen Vorteil zu hinterfragen, je nach jeweiligem Nährstoffgehalt des Produktes.

Und die Marmelade von Oma, voller Liebe und... Zucker gekocht: Ist das auch eine «gezuckerte Katastrophe»?
Marmelade wird zwar aus Früchten gekocht, doch es handelt sich vor allem um ein «Genussmittel» an der Spitze der Ernährungspyramide, da sie einen hohen Gehalt an zugesetztem Zucker aufweist (häufig Saccharose, auch weisser Zucker oder Haushaltszucker genannt), der ihr die Haltbarkeit verleiht. Nehmen wir beispielsweise Erdbeeren: Von Natur aus enthalten sie 6 Prozent Kohlenhydrate und 90 Prozent Wasser. Erdbeermarmelade enthält 60 Prozent Kohlenhydrate und 38 Prozent Wasser.

Also keine Marmelade mehr zum gesunden Frühstück?
Nein, das meine ich natürlich nicht – man muss diese Zahlen relativieren: Schliesslich isst man selten 100 g Marmelade, dafür aber schnell ein Körbchen mit 250 g Erdbeeren. Man sollte sich einprägen, dass es keine grundsätzlich guten oder schlechten Nahrungsmittel gibt. Alles hängt von der Verzehrhäufigkeit und -menge ab. Wenn Sie sich also zu Tisch begeben, ermutigen wir Sie dazu, sich für das so genannte bewusste Essen zu entscheiden. Und sich so alle Leckereien nach ihrem tatsächlichen Wert schmecken zu lassen.


Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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