Schizophrene Störungen: «Die Diagnose ist kein Etikett für Menschen, die sich sonderbar verhalten.»

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Quelle: TCS MyMed

Die Schizophrenie ist nicht selten. Sie ist so häufig wie die Zuckerkrankheit. Jeder Hundertste erkrankt daran. In jeder Nachbarschaft gibt es jemanden, der daran leidet. Aber Schizophrenie ist eine unverstandene psychische Störung – sie macht Angst.

Sie ist vielfältig in ihren Erscheinungsformen: Sie kann leicht sein oder schwer, akut und traumatisch oder schleichend und für Außenstehende kaum wahrnehmbar. Sie kann einmalig auftreten oder in längeren und kürzeren Abständen wiederkehren. Sie kann ausheilen oder zur Invalidität führen.

Weil sie so schillernd ist, ist sie auch für Erfahrene oft nur schwer greifbar. Unerfahrene stehen der Krankheit ratlos oder zweifelnd gegenüber. Vorurteile liegen nahe: Schizophrenie, so wird behauptet, sei eine unheilbare Störung, oder, Schizophrenie gäbe es gar nicht. Sie sei eine Erfindung der Psychiater. Schizophrenie ist eine ernste, aber in der Regel gut behandelbare Krankheit.

Erleben
In der wissenschaftlichen Psychiatrie besteht seit Anfang der 70er-Jahre Einigkeit darüber, dass bei Kranken überall in der Welt ein zentrales schizophrenes Syndrom auftritt. Dazu gehört das Erlebnis der Eingebung von Gedanken, der Gedankenübertragung und des Gedankenentzugs durch Stimmen, die der oder die Betroffene in der dritten Person über sich sprechen hört. Die Stimmen können auch seine Handlungen und Gedanken begleiten. Die physische Umgebung wird verändert wahrgenommen. So kann zum Beispiel die ganze Welt in einen so intensiven persönlichen Bezug zu einem Kranken treten, dass sich jedes Geschehen speziell auf sie zu beziehen scheint und eine besondere Mitteilung an sie enthält.

Es ist leicht einzusehen, dass der Patient alle in seinem kulturellen Hintergrund und nach seinen bisherigen Lebenserfahrungen geläufigen Erklärungen anführt, um diese Störung dingfest zu machen: Hypnose könnte im Spiel sein, Telepathie, radioaktive Strahlung oder Besessenheit. Es ist nicht richtig, dass Wahrnehmen und Erleben in einer schizophrenen Psychose uneinfühlbar ist. Mit einiger Fantasie kann man sich vorstellen, weshalb Angst, Panik und Niedergeschlagenheit häufig sind und das Urteilsvermögen gestört ist.

Wenn ein Erkrankter unerschütterlich von der Wirklichkeit dessen, was er sieht und hört, überzeugt ist, hat er aus der Sicht seiner Mitmenschen «Wahnideen». Sein Erleben und insbesondere sein Verhalten ist ohne das Verständnis um diese Zusammenhänge nicht mehr nachvollziehbar. Die Verständigung wird problematisch bis unmöglich. Die Umgebung kommt nicht auf die Idee, sie könnte es mit einem psychisch gestörten Menschen zu tun haben. Erst wenn die Krankheit als solche erkannt ist, ist gegenseitiges Verstehen wieder möglich.

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Probleme im Alltag
Im Alltag gehen langwierige Leidensphasen dem Begreifen voraus: Nicht selten kommt es zu heftigen Konflikten, zu Abbrüchen von Freundschaften, zum sozialen Rückzug der Betroffenen, zum Ausschluss aus Vereinigungen und Gruppen, in denen sie lange gelebt haben. Kranke können ihren Beruf und ihre Wohnung verlieren und verwahrlosen. Oft wird die Diagnose und eine psychiatrische Behandlung erst möglich, wenn normalpsychologische Bewältigungsversuche gescheitert sind, die Situation sich krisenhaft zuspitzt und der Erkrankte psychisch zusammenbricht.

Wenn wir das Wort Schizophrenie im Zusammenhang mit einem bestimmten Menschen gebrauchen, verwenden wir eine wissenschaftliche Abstraktion, die sich aus einigen speziellen Aspekten seines Verhaltens und seines Erlebens ableitet. Wenn sie schwerwiegend sind, erscheint uns seine Persönlichkeit verändert. Dennoch bleibt er ein einzigartiges menschliches Wesen. Er bleibt es, weil das grundsätzliche Kennzeichen der Schizophrenie darin besteht, dass das Gesunde dem Schizophrenen erhalten bleibt. Die Diagnose ist kein Etikett für Menschen, die sich sonderbar verhalten.

Krankheitssymptome
Die zusammenhängende Darstellung der Krankheitssymptome ist unumgänglich, obwohl sie nie alle zur gleichen Zeit vorkommen und auch nicht nur für das Erscheinungsbild der Schizophrenie typisch sind. Folgendermaßen werden die Symptome gruppiert:

  • Störungen des Denkens
  • Störungen des Gefühls
  • Störungen des Wollens, Handelns und Ich-Erlebens
  • zusätzliche (akzessorische) Symptome


Zu den Letzteren gehören beispielsweise Störungen der äußeren Wahrnehmung. So berichten manche Kranke über Licht- und Farbüberempfindlichkeit. Gesichter oder Figuren sehen sie seltsam verzerrt. Sie können überempfindlich werden gegenüber Geräuschen, Gerüchen und Geschmack.Das Zeiterleben kann sich verändern. Die Störungen des Gefühls, sei es depressive Verstimmtheit oder nicht nachvollziehbare Heiterkeit, werden oft verkannt und in ihren Auswirkungen unterschätzt. Die Intelligenz ist nicht beeinträchtigt! Diese zusammenhängende Darstellung mag den Eindruck erwecken, als handle es sich um ein klares, abgrenzbares Krankheitsbild. Dies ist keineswegs der Fall.

Die Wirklichkeit stellt sich anders dar als im Lehrbuch beschrieben. Nicht nur die Vielfalt und der unterschiedliche Ausprägungsgrad der möglichen Symptome erschwert eine Diagnose, hinzu kommt, dass die genannten Symptome nicht spezifisch für Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis sind. Sie überschneiden sich mit den Symptomen anderer psychischer Krankheiten in mannigfacher Weise.

Im alltäglichen Umgang sind nicht so sehr die einzelnen Symptome sichtbar oder spürbar. Vielmehr stellt sich ein Gefühl von «Hier stimmt etwas nicht» ein. Für die Behandlung muss man wissen, dass viele Kranke nicht in der Lage sind, eigenständig auf die übliche Weise Hilfe zu suchen.

Ursachen
Wohl alle Kranken, Familienangehörige, Bekannte und Freunde stellen besorgt die Frage, woher die Krankheit kommt. Sie fragen sich, ob eine andere Lebensweise den Ausbruch verhindert hätte, wer schuld an der Krankheit ist. Insbesondere das Suchen und Fragen nach der Schuld hat in den vergangenen Jahrzehnten das Zusammenleben vieler Kranker mit ihren Familien belastet und vergiftet. Bis heute weiß niemand, wie die Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis entstehen.

Es gibt eine Reihe von Vorstellungen, Theorien und Befunden. Sie münden nach dem heutigen Stand der Forschung in die Erkenntnis, dass Menschen, die schizophren erkranken, empfindsamer gegenüber Innen- und Außenreizen sind als andere. Vulnerabilität (Verletzlichkeit) ist das Schlüsselwort. Weniger robust zu sein als andere Menschen ist weder Schande noch Schwäche. Es gibt niemanden, der daran schuld ist. Empfindsamkeit im Umgang mit Menschen und Dingen ist eine Chance zu vertieftem Erleben, intensiven Beziehungen und kreativer Lebensgestaltung.

Die Suche nach den biologischen Grundlagen schizophrener Psychosen hat in den letzten Jahren neue Impulse erfahren. In den nächsten Jahren sind insbesondere bei der Erforschung der Stoffwechselprozesse Fortschritte zu erwarten.

Unsere heutigen Vorstellungen darüber greifen jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit zu kurz. Dies gilt auch für die so genannte Dopamin-Hypothese: Wahrscheinlich ist die Vermehrung des Neurotransmitters (Botenstoffs) Dopamin in bestimmten Regionen des Gehirns genauso ein Symptom wie Halluzinationen oder Verfolgungsangst und nicht Ursache der Krankheit. Sicher ist, dass die Veranlagung eine Rolle bei der Schizophrenieentstehung spielt.

Die Vererbungsforschung liefert aber nach dem heutigen Stand keine befriedigende Erklärung für die Entstehung. Vieles spricht im Übrigen dafür, dass wir es nicht mit einer in Ursache, Erscheinung und Verlauf einheitlichen Krankheit zu tun haben.

Quelle und in Zusammenarbeit mit: Dachverband der Vereinigung von Angehörigen psychisch Kranker Schweiz (www.vask.ch).

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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