Frau Dr. Saziye Karaca, Chirurgin in Genf, erklärt uns, weshalb eine späte Infektion mit dem VZV-Virus gefährlich sein kann.
Frau Dr. Karaca, was ist die Ursache von Windpocken?
Windpocken werden vom Varicella-Zoster-Virus verursacht – auch VZV oder HHV3 (Humanes Alphaherpesvirus 3) genannt –, das zur Gruppe der Herpesviren gehört und zwei sehr unterschiedliche Erkrankungen auslösen kann: Windpocken und später manchmal eine Gürtelrose.
Wie erkrankt man daran?
Das Virus ist durch den direkten Kontakt mit Speicheltröpfchen und den Pusteln (im Bläschenstadium) einer infizierten Person übertragbar.
Ist man dauerhaft immun, wenn man als Kind Windpocken hatte?
In den meisten Fällen erkrankt man, wenn man schon einmal Windpocken hatte, aufgrund der sogenannten lebenslangen Immunität nicht noch einmal daran. Doch in sehr seltenen Fällen kann es passieren, dass eine Person ein zweites Mal an Windpocken erkrankt.
Und ist man nach der Heilung endgültig vom Virus befreit?
Nein. Nach einer Infektion mit dem VZV-Virus verbleibt dieses noch jahrelang «schlummernd» im Körper, insbesondere in den Nervenganglien rund um die Wirbelsäule. Es kann sich bei einem allgemeinen schlechten Gesundheitszustand oder nach starkem Stress reaktivieren. Dann führt es zu einer Gürtelrose.
Bei wie viel Prozent der Menschen besteht das Risiko, im Erwachsenenalter an Windpocken zu erkranken?
Laut BAG (Bundesamt für Gesundheit) sind etwa 98 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der Schweiz nach einer Infektion in der Kindheit immun. Etwa 90 Prozent der Bevölkerung ist ab dem Alter von zehn Jahren seropositiv, und das ohne eine Impfung gegen Windpocken. Demnach bleiben nach dem Alter von zehn Jahren zehn Prozent der Bevölkerung für eine Infektion mit dem VZV-Virus anfällig.
Welche Folgen kann eine Infektion für Erwachsene haben?
Im Erwachsenenalter können Windpocken schwerwiegende Komplikationen mit sich bringen. Die Hauptfolge einer Infektion mit diesem Virus ist die Varizellenpneumonie, die sich mit Symptomen wie Fieber, Husten, Schmerzen im Brustkorb und Atembeschwerden (Kurzatmigkeit, Tachypnoe) äussert.
Gibt es ein Sterberisiko?
Die Sterberate einer Varizellenpneumonie bei Erwachsenen liegt bei zehn Prozent. Eine seltene neurologische Komplikation der Windpocken ist die Enzephalitis, die sich in einer Hirnhautentzündung und Krämpfen äussern kann. Hier liegt die Sterblichkeit bei etwa fünf bis zehn Prozent.
Besteht für Schwangere, die sich mit Windpocken infiziert haben, ein besonderes Risiko?
Schwangere können sich mit Windpocken anstecken, doch im Erwachsenenalter sind tatsächlich zwischen 97 und 99 Prozent der Frauen immun. Die Windpockeninzidenz bei Schwangeren wird auf etwa 1 von 2 000 Schwangerschaften geschätzt. Während der Schwangerschaft bedeuten Windpocken sowohl ein Risiko für die Mutter als auch die Möglichkeit einer Übertragung durch die Plazenta. Die häufigste Komplikation bei Schwangeren betrifft die Atemwege mit der Entwicklung einer akuten Atemnot.
Und welche Risiken gibt es für den Fötus?
Beim Fötus kann ein Kontakt mit dem Virus in den ersten Schwangerschaftsmonaten zu einer Fehlgeburt führen oder Anomalien im Embryo bewirken, wie etwa schwere Fehlbildungen, wenn die Erkrankung vor dem fünften Monat auftritt.
Was ist zu tun, wenn man als Kind keine Windpocken hatte?
Seit 1980 sind abgeschwächte Lebendimpfstoffe gegen Windpocken verfügbar. In der Schweiz wird die Impfung gegen Windpocken Jugendlichen und jungen Erwachsenen empfohlen (< 40 Jahre, die noch keine Windpocken hatten, insbesondere Frauen mit Kinderwunsch), sowie Personen mit bestimmten Risikofaktoren.
Was sollte man tun, wenn die Krankheit diagnostiziert wurde?
Bei der Behandlung von Windpocken geht es darum, die Symptome zu lindern, um Komplikationen wie beispielsweise eine zusätzliche Infektion der Hautläsionen oder das Entstehen von Narben zu vermeiden.
Welche Medikamente verschreibt der Arzt?
Gegen den Juckreiz gibt es Antihistaminika. Gegen das Fieber Paracetamol. Und nur bei sehr schweren Infektionsverläufen greift man auf eine antivirale Behandlung zurück.
Wie verläuft die Krankheit?
Gewöhnlich ist die Prognose gut, die Windpocken und ihre Symptome bilden sich nach zehn bis zwölf Tagen ohne Komplikationen von selbst zurück. Sie hinterlassen keine Folgeschäden, manchmal einige Narben auf der Haut, wenn sich Pusteln zusätzlich infiziert haben.