
Tropische Regionen locken mit faszinierenden Landschaften, bergen aber auch gesundheitliche Risiken. PD Dr. med. Esther Künzli vom Zentrum für Tropen- und Reisemedizin des SwissTPH in Basel erklärt im Interview, welche Impfungen für Ihre Reise wichtig sind, warum Fieber nach der Rückkehr unbedingt ärztlich abgeklärt werden sollte und welche besonderen Empfehlungen für Kinder, Schwangere und ältere Reisende gelten.
Frau Künzli, welche Impfungen sind für tropische Reiseziele besonders wichtig?
Generell sollten die normalen Impfungen (z.B. Tetanus, Masern oder Diphtherie), welche gemäss Schweizer Impfplan empfohlen werden, aktualisiert sein. Vor Reisen in tropische oder subtropische Regionen sind Impfungen gegen Hepatitis A und Tollwut fast immer empfohlen. Je nach Destination und Reisedauer können auch Impfungen gegen Gelbfieber, Typhus, Japanische Enzephalitis oder Dengue sinnvoll sein.
Wie früh vor der Reise sollte man sich um die notwendigen Impfungen kümmern?
Wenn man das erste Mal in ein (sub)tropisches Land reist und eventuell auch in Bezug auf seine Grundimpfungen Lücken hat, wäre es gut, wenn man mind. zwei Monate vorher kommt. Gerade wenn man das erste Mal weiter weg reist und z.B. Grunderkrankungen hat, Medikamente einnimmt oder schon älter ist, empfiehlt es sich, sich beraten zu lassen, bevor die Reise gebucht wird. Damit stellen Sie sicher, dass die notwendigen Impfungen möglich und auch die sonstigen Risiken vertretbar sind. Bei Personen, welche viel reisen und gut geimpft sind, geht es auch kurzfristiger. Falls man vergessen hat, sich frühzeitig beraten zu lassen, ist es wichtig, dass man trotzdem noch zur Beratung kommt. Bei den meisten Reisenden lässt sich auch ganz kurzfristig noch durch Verhaltensempfehlungen oder einzelne Impfungen die Sicherheit auf der Reise verbessern.
Warum sind einige Impfungen verpflichtend, während andere nur empfohlen werden?
Das liegt im Ermessen der Länder bzw., im Fall der Gelbfieber-Impfung, im Ermessen der WHO. Verpflichtende Impfungen basieren auf internationalen Gesundheitsvorgaben, um die Verbreitung gefährlicher Infektionskrankheiten zu verhindern. Sie sind oft Voraussetzung für die Einreise in bestimmte Länder. Empfohlene Impfungen hingegen betreffen primär den individuellen Schutz der Reisenden und sind abhängig von Reiseziel, Reisedauer und persönlichen Gesundheitsrisiken.
Welche Krankheiten stellen in tropischen Regionen das grösste Risiko dar?
Die drei häufigsten Gründe für Reisende, zu einer Ärztin oder einem Arzt zu gehen, sind Fieber, Durchfall und Hauterkrankungen. Durchfall und Hauterkrankungen sind oft harmlos und gehen von selbst wieder vorbei. Bei Fieber nach einem Tropenaufenthalt sollte immer eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden, um potenziell gefährliche Erkrankungen auszuschliessen. So muss bei Personen, welche in einem Malaria-Gebiet waren, bei Fieber während oder nach der Reise, eine Malaria schnellstmöglich ausgeschlossen werden. Eine unbehandelte Malaria tropica kann bei nicht-immunen Personen, was Reisende in der Regel sind, innerhalb weniger Tage zum Tod führen. Je schneller eine Malaria diagnostiziert wird, desto einfacher ist sie behandelbar. Was wir in der Regel bei Reiserückkehrenden mit Fieber auch suchen, ist Dengue-Fieber. Sehr oft handelt es sich allerdings bei den fieberhaften Infekten um nicht-tropische Erkrankungen, sondern z.B. um Virusinfekte wie Influenza (Grippe) oder COVID.
Wie lange hält der Impfschutz bei gängigen Reiseimpfungen an?
Das kommt auf die Impfung an. Bei Hepatitis A braucht es nach abgeschlossener Grundimmunisierung (in der Regel zwei Dosen) keine weiteren Impfungen mehr. Bei Gelbfieber wird eine zweite Dosis nach zehn Jahren empfohlen. Bei der Tollwut-Impfung ist es so, dass im Falle jeder möglichen Tollwutexposition eine sogenannte Postexpositionsprophylaxe durchgeführt werden muss. Die ist allerdings bei einer vorherigen Grundimmunisierung deutlich einfacher, als wenn vorher nie geimpft wurde.
Was sollten Reisende beachten, die bestimmte Impfstoffe nicht vertragen?
Personen mit Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen sollten sich frühzeitig beraten lassen. Manche Impfungen, wie die Gelbfieber-Impfung, sind in Risikogebieten essenziell. Ist eine Impfung nicht möglich, wird oft von Reisen in die betroffenen Regionen abgeraten. Es ist wichtig, individuelle Risiken abzuwägen und sich ggf. Alternativstrategien wie Verhaltensschutz intensiv erklären zu lassen.
Welche besonderen Impfempfehlungen gibt es für Kinder, Schwangere oder ältere Reisende?
Bei Kindern werden in der Regel dieselben Reise-Impfungen wie bei Erwachsenen empfohlen, wobei aber z.B. Kinder unter neun Monaten nicht gegen Gelbfieber geimpft werden können.
Bei schwangeren Frauen sind Lebendimpfungen in der Regel kontraindiziert. Bei der Gelbfieber-Impfung besteht eine relative Kontraindikation, d.h., wenn das Gelbfieber-Risiko als höher eingeschätzt wird als das Risiko durch die Impfung, wird die Impfung empfohlen. Zudem wird bei Schwangeren, unabhängig davon, ob sie reisen, während der Schwangerschaft eine Impfung gegen Keuchhusten sowie in den Herbst-/Wintermonaten eine Impfung gegen Influenza und COVID-19 empfohlen.
Bei Personen über 65 Jahren werden die normalen Reiseimpfungen empfohlen, wobei bei der Gelbfieber-Impfung mit zunehmendem Alter das Risiko für Nebenwirkungen steigt. Deshalb sollten gerade ältere Leute, die Reisen in Gelbfieber-Gebiete planen, sich besser schon vor der Buchung beraten lassen. Zusätzlich und unabhängig von Reisen werden über 65-jährigen Personen Impfungen gegen Pneumokokken und gegen Gürtelrose (Herpes Zoster) sowie in den Herbst-/Wintermonaten Impfungen gegen Influenza und COVID-19 empfohlen.
Wie unterscheidet sich die Immunisierung für Kurzreisen im Vergleich zu längeren Aufenthalten?
Gewisse Impfungen empfiehlt man eher bei Langzeitaufenthaltern, z.B. die Impfung gegen Abdominaltyphus oder gegen Japanische Encephalitis. Aber die Aufenthaltsdauer sollte nicht der allein entscheidende Faktor sein, sondern auch das Reiseland, die Art der Reise und die geplanten Aktivitäten.
In welchen Fällen ist eine Auffrischungsimpfung nach der Reise notwendig?
Eine Auffrischung ist nötig, wenn die Grundimmunisierungen unvollständig sind oder wenn bei einer Exposition gegenüber Krankheiten wie Tollwut eine Nachimpfung erforderlich wird. Wichtig ist bei einer möglichen Tollwutexposition eine sofortige Behandlung vor Ort. Auch nach der Reise kann eine ärztliche Abklärung ratsam sein, um eventuelle Lücken zu schliessen oder neue Reisepläne frühzeitig vorzubereiten. Prävention bleibt der wichtigste Schutz.
Welche neuen Entwicklungen gibt es im Bereich der Reiseimpfungen?
Seit letztem Jahr ist in der Schweiz ein Impfstoff gegen Dengue-Fieber zugelassen, welcher für Reisende empfohlen wird, welche in ein Dengue-Gebiet reisen und früher schon einmal Dengue hatten. Zudem wurde in der EU vor Kurzem ein Impfstoff gegen Chikungunya zugelassen, den es zukünftig wahrscheinlich auch in der Schweiz geben wird. Der genaue Zeitpunkt ist allerdings noch nicht klar.

PD Dr. med. Esther Künzli
Senior Consultant und Co-Head der Medical Service Unit am Zentrum für Tropen- und Reisemedizin des SwissTPH in Basel