Morbus Crohn: Ein Expertenblick auf Diagnose, Therapie und Forschung

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Morbus Crohn
Morbus Crohn
Quelle: TCS MyMed

Morbus Crohn betrifft nicht nur den Darm, sondern kann auch die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten erheblich einschränken. In diesem Interview spricht Prof. Dr. med. Petr Hrúz, Stv. Chefarzt Gastroenterologie/Hepatologie am Claraspital, über die verschiedenen Facetten der Krankheit. Von der Diagnose über moderne Behandlungsansätze bis hin zu den neuesten Forschungsergebnissen liefert er umfassende Informationen zu dieser chronischen Erkrankung.

Herr Hrúz, was genau ist Morbus Crohn und wie unterscheidet sich diese Krankheit von anderen Darmerkrankungen?
Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung. Zusammen mit der Colitis ulcerosa zählt sie zu den sogenannten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Diese beiden Erkrankungen unterscheiden sich in ihrer Lokalisation und den betroffenen Darmabschnitten, aber die Symptome können ähnlich sein. Andere nicht chronisch entzündliche Erkrankungen wie das Reizdarmsyndrom oder die Divertikulitis können ebenfalls ähnliche Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Durchfall verursachen.

Also ist die chronische Entzündung das Hauptmerkmal von Morbus Crohn?
Ja, wenn man die Diagnose von Morbus Crohn hat, dann hat man sie für den Rest seines Lebens. Bei anderen Erkrankungen wie einer Divertikulitis kann die Entzündung meist mit Antibiotika behandelt werden und ist dann vorübergehend. Bei Morbus Crohn hingegen handelt es sich um eine chronische, also langanhaltende Erkrankung, die oft in Phasen verläuft – mit aktiven Entzündungen und Phasen der Ruhe. In etwa 50 Prozent der Fälle bleiben die Entzündungen ruhig, während bei der anderen Hälfte der Betroffenen wiederkehrende Schübe oder gar keine Ruhephasen auftreten.

Welche Ursachen und Risikofaktoren sind mit Morbus Crohn verbunden?
Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig verstanden, aber es wird angenommen, dass genetische Faktoren und Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Es liegt eine Fehlregulation des Immunsystems im Darm vor, bei der das Immunsystem auf harmlose Darmbakterien oder bakterielle Produkte überreagiert und Entzündungen auslöst. Ein bedeutender Risikofaktor ist das Rauchen, da Raucherinnen und Raucher ein höheres Risiko haben, an Morbus Crohn zu erkranken. Interessanterweise kann das Risiko auch gesenkt werden, wenn jemand nach einer Diagnose mit dem Rauchen aufhört.

Wie wichtig ist die genetische Prädisposition bei Morbus Crohn?
Die genetische Prädisposition spielt eine gewisse Rolle. Es gibt bestimmte Gene, die bei den von Morbus Crohn Betroffenen häufiger vorkommen, insbesondere Mutationen, die als «Single Nucleotide Polymorphisms» bekannt sind. Viele Menschen sind jedoch Träger dieser Mutationen, ohne jemals an Morbus Crohn zu erkranken. Dennoch erhöht diese genetische Prädisposition das Risiko. Ein erhöhtes Risiko besteht auch bei Zwillingen oder erstgradigen Verwandten von Morbus-Crohn-Patientinnen und -Patienten.

Wie wird Morbus Crohn diagnostiziert und welche Symptome sind typisch?
Die Symptome von Morbus Crohn umfassen häufig Durchfall, Bauchkrämpfe und Schmerzen im rechten Unterbauch. Weitere Symptome können sogenannte Fisteln sein, die sich als Eiteraustritte im Bereich des Darmausgangs äussern. Eine zuverlässige Diagnose erfolgt meist durch eine Dickdarmspiegelung, bei der Entzündungsherde sichtbar gemacht werden. Blutwerte oder spezifische Biomarker sind keine eindeutigen Indikatoren für Morbus Crohn, obwohl ein Stuhltest auf das Entzündungsprotein Calprotectin Entzündungen anzeigen kann. Fällt der Stuhltest positiv aus, so zeigt das lediglich, dass eine Entzündung vorhanden ist, was jedoch nicht automatisch heisst, dass ein Morbus Crohn vorliegt. In einigen Fällen wird auch eine Magenspiegelung durchgeführt, da Morbus Crohn den gesamten Magen-Darm-Trakt vom Mund bis zum Darmausgang betreffen kann.

Kinder können ihre Symptome nicht immer klar benennen. Treten Wachstumsstörungen oder plötzlicher Gewichtsverlust auf, sollte man an eine mögliche Morbus-Crohn-Erkrankung denken.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Morbus Crohn?
Morbus Crohn wird zu Beginn vor allem mit entzündungs- oder immunsystemhemmenden Medikamenten behandelt. Anschliessend kommen heute biologische Therapien wie TNF-Alpha-Blocker zum Einsatz, die gezielt das Immunsystem modulieren und deutlich weniger Nebenwirkungen haben als die Medikamente, die wir früher zur Verfügung hatten, beispielsweise das immunsystemhemmende Medikament Azathioprin. In den letzten Jahren hat sich die Therapie weiterentwickelt, sodass immer spezifischere Medikamente zur Verfügung stehen und wir den Betroffenen besser helfen können. Auch hier möchte ich nochmals erwähnen: Ein Rauchstopp ist immer zu empfehlen.

Gibt es spezielle Diäten oder Ernährungsstrategien, die bei der Behandlung von Morbus Crohn helfen?
Eine der häufigsten und wichtigsten Fragen, die Patienten bei einem Sprechstundentermin stellen, ist: «Kann ich etwas mit meiner Diät oder Ernährungstherapie machen?» Leider gibt es keine guten Daten, die eine klare Antwort auf diese Frage liefern, vor allem nicht bei Erwachsenen. Bei Kindern gibt es jedoch eine Ausnahme. In dieser Altersgruppe hat man zeigen können, dass die sogenannte Elemental-Diät hilfreich sein kann. Diese Diät basiert auf Aminosäuren und wird über einen Zeitraum von 6–8 Wochen eingenommen. Sie ist nicht besonders schmackhaft, aber sie hat bei Kindern und Jugendlichen zu eindeutig positiven Ergebnissen geführt: Entzündungen konnten verringert werden, und es kam zu einer Remission der Krankheit.

Leider wirkt diese Diät bei Erwachsenen weniger gut. Das liegt daran, dass die Krankheitsentwicklung bei Erwachsenen komplexer ist und daher auch die Behandlung schwieriger wird. Selbst wenn man die Elemental-Diät mit einer normalen Ernährung kombiniert – zum Beispiel mit einer mediterranen Diät – hat das keine signifikante Wirkung. Es hat sich aber gezeigt, dass eine Diät, die normalerweise beim Reizdarm-Syndrom angewendet wird – die FODMAP-Diät – auch bei Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn eine Linderung der Beschwerden bewirken kann. Diese Diät hat jedoch nichts mit der Entzündung zu tun, sondern hilft vielmehr, die Beschwerden zu reduzieren.

Zusammenfassend kann ich auf die Frage, ob Diäten bei der Behandlung von Morbus Crohn hilfreich sind, mit «Ja» antworten – allerdings nur, wenn es darum geht, die Beschwerden zu lindern. Es gibt mittlerweile Ansätze, bei denen Ernährungsstrategien bei Erwachsenen zur Symptomlinderung eingesetzt werden, jedoch nicht zur direkten Behandlung der Entzündungen.

Welche Komplikationen können bei Morbus Crohn auftreten?
Morbus Crohn kann mit verschiedenen Komplikationen einhergehen. Die Entzündung bei dieser Krankheit betrifft alle Schichten der Darmwand. Das bedeutet, dass die Entzündung tiefer in den Darm eindringt und zu schwerwiegenden Problemen führen kann.

  • Fisteln und Abszesse
    Ein häufiger Verlauf der Erkrankung ist die Bildung von Fisteln, die ich bereits angesprochen habe, oder die Entstehung von Abszessen. Diese Komplikationen treten häufig auf, wenn die Entzündung in alle Schichten der Darmwand vordringt und eine lokale Infektion oder ein Abszess entsteht. In diesen Fällen kann eine Operation erforderlich sein.
  • Bindegewebe und Stenosen
    Ein weiterer möglicher Verlauf der Krankheit ist die vermehrte Bildung von Bindegewebe, die sogenannte Fibrose, an den Stellen, wo die Entzündung auftritt. Diese überschüssige Bindegewebsbildung kann zu Verengungen (Stenosen) im Darm führen. Wenn diese Verengungen signifikant werden, ist in der Regel eine Operation notwendig, um die betroffenen Stellen zu behandeln.
  • Extraintestinale Manifestationen
    Es gibt sogenannte «extraintestinale Manifestationen» beim Morbus Crohn, bei denen auch andere Organe angegriffen werden können. Zum Beispiel kann die Leber betroffen sein. Auch Haut- oder Augenmanifestationen sind möglich, und etwa ein Drittel aller Betroffenen haben im Verlauf ihrer Krankheit rheumatologische Probleme.

Wie wirkt sich Morbus Crohn auf die Lebensqualität der Erkrankten aus?
Die Auswirkungen auf die Lebensqualität variieren stark und hängen vom Schweregrad der Erkrankung ab. Manche Patientinnen und Patienten bleiben – auch bei schwerem Krankheitsverlauf – positiv und können relativ normal leben. Andere erleben durch die Krankheit soziale Isolation und Depressionen. Ziel der Behandlung ist es, die Entzündung unter Kontrolle zu halten, sodass die Erkrankten ihre sozialen und beruflichen Aktivitäten fortsetzen können.

Wie können die Betroffenen lernen, ihre Symptome frühzeitig zu erkennen?
Patientinnen und Patienten sollten auf Symptome wie anhaltenden Durchfall, Bauchschmerzen oder unerklärlichen Gewichtsverlust achten. Wenn diese Beschwerden über Monate anhalten oder die Lebensqualität beeinträchtigen, sollte eine Ärztin bzw. ein Arzt aufgesucht werden. Besonders wenn die Symptome soziale Interaktionen oder den Alltag negativ beeinflussen, ist es wichtig, frühzeitig zu handeln.

Gibt es Unterschiede in der Behandlung von Morbus Crohn bei Kindern und Jugendlichen?
Ja, es gibt Unterschiede in der Diät und der medikamentösen Behandlung. Ich habe letztes Jahr eine Erfahrung gemacht, die mir das verdeutlicht hat. Drei Monate vor dem 18. Geburtstag eines Patienten wollte ich ihm ein bestimmtes Medikament verordnen. Doch die Krankenkasse lehnte es ab, weil er noch nicht volljährig war. Das zeigt das Problem auf, wenn Zulassungsstudien für neuere Medikamente nicht auf die jeweilige Patientengruppe – in diesem Fall die Kinder und Adoleszenten – zugeschnitten sind. Bei Kindern wird – wie schon oben erwähnt – oft versucht, mit Diäten zu behandeln, z. B. mit der bereits erwähnten Elemental-Diät.

Welche aktuellen Forschungen gibt es in Bezug auf Morbus Crohn?
Es wird auf diesem Gebiet intensiv geforscht, und in den letzten fünf Jahren hat sich das therapeutische Spektrum wesentlich erweitert, was eine sehr erfreuliche Entwicklung darstellt. Derzeit wird auch an verschiedenen Kombinationstherapien gearbeitet. Zudem wird erforscht, ob Veränderungen der bakteriellen Zusammensetzung (Mikrobiom) im Darm dazu beitragen können, Entzündungen zu reduzieren.

Wie wird mit den psychischen und emotionalen Aspekten von Morbus Crohn umgegangen?
Der psychische Zustand der Erkrankten variiert stark. Einige sind durch die Krankheit stark belastet und entwickeln Depressionen, während andere trotz schwerer Symptome eine positive Einstellung bewahren. Psychosomatische Unterstützung und spezielle Stressbewältigungsstrategien wie Mindfulness-Übungen können helfen, mit der emotionalen Belastung umzugehen.

Welche Rolle spielen Umweltfaktoren wie Stress und Umweltverschmutzung bei Morbus Crohn?
Stress kann die Symptome von Morbus Crohn verschlimmern und ist ein gut dokumentierter Auslöser für Schübe. Zu den Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung gibt es noch keine eindeutigen Belege, aber es wird spekuliert, dass ungesunde Ernährungsgewohnheiten und prozessierte Lebensmittel das Mikrobiom im Darm beeinflussen und die Krankheit begünstigen könnten.

Gibt es besondere Vorsichtsmassnahmen für Patientinnen mit Morbus Crohn während der Schwangerschaft?
Während der Schwangerschaft sollten Medikamente, die potenziell schädlich für das Baby sind, vermieden werden. Es gibt jedoch viele Medikamente, die sicher angewendet werden können. Die Schwangerschaft sollte in enger Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt überwacht werden, um sicherzustellen, dass sowohl die Mutter als auch das Kind gesund bleiben. Nach der Geburt sollte man das Kind in den ersten Monaten nicht mit Lebendimpfstoffen impfen. Hier gilt es die Impfempfehlungen zu beachten, man lässt sich am besten durch die behandelnde Arzt beraten.

Wird bei Kindern von Morbus-Crohn-Patientinnen eine besondere Untersuchung durchgeführt?
Das Risiko für Morbus Crohn ist bei Kindern von Betroffenen etwas erhöht, aber die Kinder haben keine spezifischen Gesundheitsrisiken. Sie müssen nicht speziell auf Morbus Crohn getestet werden, aber bei entsprechenden Symptomen kann eine frühzeitige Diagnose helfen.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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