Corona, Influenza und Winter-Notfälle – Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos, Chefarzt und Klinikdirektor des Universitären Notfallzentrums (Inselspital Bern), mit Tipps.
Herr Professor, ist Corona bei Ihnen auf der Notfallstation noch ein Thema?
Doch, natürlich. Menschen stecken sich weiterhin damit an und natürlich auch unser Personal. Aber Gott sei Dank gibt es zurzeit nur wenige sehr schwere Verläufe zu beobachten.
Befürworten Sie eine erneute Maskenpflicht?
Die Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz hat gerade festgehalten, dass inzwischen fast die gesamte Bevölkerung durch Impfung oder Genesung Antikörper hat und im Moment der Schutz jedem Einzelnen überlassen werden darf. Jede und jeder kann auch ohne Maskenpflicht sich selbst und andere zusätzlich schützen. Ich selbst trage aber zum Beispiel freiwillig immer noch eine Maske in Situationen, in denen ein erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Atemwege übertragbare Infektionskrankheiten besteht. Zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Der Winter steht vor der Tür. Was alles soll man impfen?
Weil bei älteren Personen der Schutz gegen schwere Verläufe abnimmt, empfiehlt die Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz allen Senioren und Seniorinnen sowie allen anderen besonders gefährdeten Personen dringend eine Corona-Auffrischimpfung. Die Impfung wird allen Personen ab 16 Jahren empfohlen und wird seit dem 10. Oktober in den Kantonen angeboten. Da wir erneut bezüglich der Influenza (Grippe) nur vermuten können, wie schwer diese während der Saison 2022/2023 verlaufen wird, werde ich mich gegen diese ganz sicher auch impfen lassen.
Wann kommt die Impfung per Nasenspray?
Das ist eine Frage an die Wissenschaft. Ausserhalb von Europa und den USA ist dieser schon im Einsatz. China und Indien haben zum Beispiel erstmals Impfungen zugelassen, die – anstelle der in Europa verwendeten mRNA-Impfungen als Spritze – direkt auf den Schleimhäuten der Atemwege angewendet werden. Soweit mir bekannt ist, gibt es aber aufgrund verschiedener Nebenwirkungen noch keine Zulassung in Europa.
Nun stellt die Erkältungszeit das Immunsystem besonders auf die Probe, was raten Sie?
Wie immer: gesunden Menschenverstand und Zuversicht. Für den Rest siehe oben. Wir haben so viel erlebt in den letzten Jahren, und die Welt um uns herum ist auch nicht besonders gut bestellt, sodass es immer «schlechte Überraschungen» geben kann. Aber wir können unseren Behörden in der Schweiz zutrauen, dass sie uns gut beraten – das hat sich bisher auch gezeigt.
Welche Notfälle stehen in den kalten Monaten an?
Alles, was man sich so vorstellen kann. Diese Jahreszeit ist besonders kritisch für uns Notfallmediziner, weil nicht nur die saisonalen Infektionskrankheiten ansteigen, sondern auch Unfälle und Stress um die Feiertage. Aber das sind wir gewohnt, und wir werden das vermutlich auch dieses Jahr wieder schaffen.