Der Patient entscheidet, wie gläsern er wird

Bild
Quelle: TCS Info Feed

In einem Jahr sollen in der ganzen Schweiz elektronische Patientendossiers eingeführt werden. Was kostet das, wie sicher werden die Daten verwaltet, wer hat Zugriff darauf? Der Leiter von E-Health Schweiz gibt Antworten.

Arztberichte, Rezepte und Röntgenbilder – alle wichtigen Gesundheitsdaten sollen zukünftig in der Hand des Patienten liegen, dank des elektronischen Patientendossiers (EPD). Adrian Schmid, Leiter von E-Health Suisse, der Kompetenz- und Koordinationsstelle von Bund und Kantonen, sagt, wie es um das EPD steht, zu dem in einem Jahr alle Schweizerinnen und Schweizer Zugang haben sollten.

Als Patient ist es mir egal, ob mein Arzt meine Daten von einem Papier abliest oder von einem Bildschirm – Hauptsache richtig. Warum braucht es ein elektronisches Patientendossier?
Adrian Schmid: Entscheidend ist, ob der Arzt die relevanten Informationen des Patienten kennt. Heute werden die Daten herumgeschickt, per Post, per Fax. Es gibt keinen Ort, wo die entscheidenden Informationen gesammelt werden und über längere Zeit verfügbar sind. Weiss also der behandelnde Arzt, welche Medikamente der Patient in der Apotheke erhalten hat? Kennt er den fünf Jahre alten Operationsbericht, der jetzt wieder relevant wird wegen einer neuen Verletzung? Dank des elektronischen Patientendossiers können die Patienten die Daten selber anschauen und den Medizinern ein Zugriffsrecht dafür geben. Letztlich wollen die Patienten nicht zehnmal das Gleiche erzählen. Ärzte und Apotheker werden die richtigen Informationen zur Verfügung haben, da hilft das EPD.

Am meisten interessiert den Patienten die Sicherheit der sehr persönlichen Daten. Wie wird diese gewährleistet?
Im Spitalumfeld schützt man die Daten nach dem Stand der Technik. Das Elektronische Patientendossier hat den Vorteil, dass es ein Bundesgesetz als rechtliche Grundlage hat. Darin sind nicht die konkreten Massnahmen enthalten, aber wie man sich auf Datensicherheit einstellen muss. Also dass es spezielle Managementsysteme und ein Monitoring braucht. Die Anforderungen an die Zertifizierung der Projekte sind sehr hoch. Dazu gehört, dass die Patientendaten in der Schweiz bleiben müssen und nicht auf irgendeine Cloud im Ausland geladen werden dürfen.

Leute fürchten, dass ihre Daten Versicherern oder Arbeitgebern in die Hände fallen.
Da sind zwei Themen eingeschlossen: Zum einen, dass einer mit einem technischen Angriff versucht, die Daten einzusehen oder zu stehlen. Also ein krimineller Akt. Da sieht das Gesetz eine Busse von bis zu 100000 Franken vor. Das zweite Thema ist, wer schliesslich auf legalem Weg Zugang zu solchen privaten Gesundheitsdaten haben soll.

Wie wird das geregelt?
Es ist vorgesehen, dass nur Gesundheitsfachpersonen Zugriff erhalten, die mit der Behandlung des Patienten etwas zu tun haben. Andere erhalten keine Identifikationsmittel, um auf das EPD zugreifen zu können. Dazu kommt, dass die Patienten einer Person das Recht für einen Zugriff ganz explizit erteilen müssen. Es gibt keinen Automatismus, der einfach mal allen Ärzten in der Schweiz einen Blick ins Dossier erlaubt. Der Patient muss sagen: Das ist mein Hausarzt, dem gebe ich das Recht zur Einsicht.

Wie funktioniert das?
Es braucht ein Zugangsportal, in das man sich mit sicherer Identität anmeldet wie für die Steuerklärung oder das E-Banking. Der Nutzer kann die Zugriffsrechte verteilen oder wieder wegnehmen, kann selber Dokumente einfügen. Zum Beispiel von einem Arzt, der nicht mehr praktiziert.

Wie will man Schweizerinnen und Schweizer zur Teilnahme am EPD motivieren?
Die Versorgungsregionen können selber entscheiden, wo sie Stellen für Menschen einrichten, die ein EPD eröffnen wollen. Dafür gibt es keine nationalen Vorgaben. In Genf werden die Patienten beim Spitaleintritt gleich gefragt, ob sie ein elektronisches Dossier haben oder eines wollen. In Basel macht man das auch. Wenn man das später flächendeckend machen will, braucht es Kommunikation und Information. Denn das EPD wird sich nur etablieren, wenn die Leute es aktiv einfordern.

Wird die Teilnahme für die Patienten immer gratis sein?
Da gibt es vom Bund keine Vorschriften. Gratis ist sicher am besten oder sonst so günstig wie möglich. Allenfalls wird es nicht in allen Kantonen gleich sein, aber hohe Gebühren sind sicher nicht förderlich.

Wie ist der Stand des elektronischen Patientendossiers heute?
Geplant ist die Einführung auf April 2020. Dann sollten alle Spitäler der Schweiz an einem EPD-Projekt angeschlossen sein. In allen Regionen sind Aktivitäten im Gang. Die Kantone haben sich positioniert, wenn auch unterschiedlich. Die einen verstehen das als kantonales Projekt wie die Westschweizer Kantone. Auch in der Deutschschweiz sind einige sehr aktiv, andere beschränken sich darauf, ihren Spitälern zu sagen, dass es solche EPD-Projekte gibt und der Kanton empfiehlt, sich daran anzuschliessen. Noch ist die Sache heterogen, aber man kann sagen, dass es in einem guten Jahr in jeder Region die Möglichkeit geben wird, dass sich Spitäler anschliessen können und die Bevölkerung ein elektronisches Patientendossier verlangen kann.

Wie sind die ersten Erfahrungen?
Am weitesten ist das EPD-Projekt in Genf mit rund 40000 Patienten und hohen Zuwachsraten. Im Sommer hat Basel-Stadt angefangen, aber erst im Umfeld des Universitätsspitals. All diese Projekte müssen eine Zertifizierung erlangen, damit sie als offizielle EPD-Umsetzungsprojekte anerkannt werden. Der Bund leistet eine Anschubfinanzierung von 30 Millionen Franken. Dieser Beitrag ist nur für den Aufbau der Infrastruktur und die Zertifizierung gedacht, nicht für den laufenden Betrieb. Der Bund gibt einen Franken, wenn der Kanton oder Private auch einen Franken geben.

Muss ein Arzt für das EPD etwas bezahlen?
Es kann sein, dass Spitäler, Heime, Ärzte oder Apotheken für den EPD-Anschluss einen Mitgliederbeitrag bezahlen müssen. Aber das sind keine exorbitanten Beiträge.

Wann wird das EPD flächendeckend sein?
Alle arbeiten auf den Einführungstermin April 2020 für die Spitäler hin. Dann ist das EPD für die Bevölkerung in einer ersten Form verfügbar. Die Erfahrung in Genf zeigt, dass es ein bisschen Anlauf braucht. Genf musste die Pionierarbeit machen, aber nach zwei bis drei Jahren hatten sie eine monatliche Zuwachsrate von mehreren hundert Leuten. Ein wichtiger Faktor wird sein, wie rasch der ambulante Bereich, also Arztpraxen, Apotheken, Therapeuten, Spitexdienste, die nicht verpflichtet sind teilzunehmen, auch mitmachen. Da wird es regionale Unterschiede geben.

Das Ziel wäre schon, dass jeder Schweizer dabei wäre?
Ab April 2020 sollte jeder in diesem Land ein Dossier eröffnen können, wenn er will. Wie schnell viele Schweizerinnen und Schweizer dann wirklich angeschlossen sein werden, hängt auch davon ab, wie aktiv das Thema in den Regionen vorangetrieben wird.

Werden wir bald einen Gesundheitschip unter der Haut tragen, der an das EPD angeschlossen wird und meldet, wenn etwas nicht stimmt?
Nein. Das EPD ist nichts anderes als ein Instrument für den vernetzten Austausch von wichtigen Informationen zur Gesundheit einer Person.

Muss, wer sich einem Patientendossier verweigert, mit Nachteilen rechnen?
Nein, jeder Patient und jede Patientin wird gleich behandelt. Egal, ob er oder sie ein Dossier hat oder nicht. Es kann aber sein, dass eine Person ohne EPD in einer konkreten Behandlungssituation einen Nachteil hat, weil wichtige medizinische Informationen nicht verfügbar sind.

Interview: Bruno Knellwolf. Quelle: www.tagblatt.ch


Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

Weitere Artikel zum Thema Krankheiten