Qualität statt Quantität – Der grosse Unterschied bei Haartransplantationen

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Haartransplantation
Haartransplantation
Quelle: TCS MyMed
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Immer öfter hört man davon, dass sich Menschen mit wenig oder dünn angesiedeltem Haar einer Transplantation im Ausland unterziehen. Nicht selten kommt es im Anschluss zu Komplikationen, welche dann bei Schweizer Spezialisten enden. Einer davon ist Dr. med. Hero Schnitzler, leitender Arzt des derma competence center in Zürich. Er erzählt von seinen Erfahrungen in solchen Fällen.

Herr Schnitzler, weshalb ist es wichtig, über das Thema Haartransplantation und deren Folgen zu sprechen?
Es ist mir wichtig, Ihnen Fragen zu diesem Thema zu beantworten, denn auch ich sehe mich in der Praxis immer mehr mit diesem Thema konfrontiert. Leider sind nicht selten Fälle dabei, welche nach Eingriffen im Ausland Probleme hatten oder unzufrieden waren. Daher habe ich einen grossen Fokus meiner ärztlichen Fortbildungen in den letzten Jahren auf dieses Thema gelegt. Man darf nicht vergessen, dass günstig nicht automatisch gut bedeutet – bei solchen Eingriffen sollten nicht die Kosten der ausschlaggebende Punkt sein.

Woher kommt Ihrer Meinung nach dieses plötzliche grosse Interesse an dieser schon lange bekannten Behandlungsmethode bei Haarausfall? 
Für mich besteht beim Zuwachs des Interesses ein deutlicher Zusammenhang mit der vermehrten Werbung für solche Eingriffe, welche täglich auf die Menschen einwirken. Sei es durch die Werbung ausländischer Anbieter – vor allem in Ost- und Südeuropa und dem damit verbunden Medizin-Tourismus – oder die massive Werbung von Unternehmen im Inland. Hier werden diese operativen Eingriffe teils als «Lunchbreak»-Behandlungen mit Ratenzahlungen angeboten – klingt doch verlockend …

Wie stehen Sie als langjähriger Facharzt zu diesem neuen Trend? 
Für mich birgt er eine gewisse Gefahr. Es ist und bleibt ein chirurgischer Eingriff, mit den möglichen daraus resultierenden Risiken. Die Patienten bekommen zwar die gewünschten Haare transplantiert, die Ergebnisse sind in meinen Augen aber häufig sehr unschön und unnatürlich. Zudem sehe ich viele Patienten mit Komplikationen, die mich um Rat und Hilfe bitten.

Je mehr Haare, umso besser – oder ist das ein Trugschluss?
Es ist natürlich verlockend, viele Haare zu einem günstigen Preis verpflanzen zu lassen. Aber je mehr Haare verpflanzt werden, desto grösser ist der entsprechende operative Eingriff mit Narkose, Wundarealen und Risiken. Und je mehr Haare bzw. Haarfollikel verpflanzt werden, desto höher ist der Preis – egal, ob im In- oder Ausland. Daher werden in meinen Augen häufig viel zu viele Haarfollikel entnommen und eingesetzt, denn die Anzahl bestimmt den Preis des Eingriffs, nicht das «natürliche» Ergebnis.

Gibt es weitere Probleme, die auftreten können, wenn zu viele Haare transplantiert werden?
Nicht nur die zu vielen und vielleicht unpassend eingesetzten Haare können zum «ästhetischen» Problem werden. Werden zu viele Haarfollikel aus den Spenderarealen am Hinterkopf und oder den seitlichen Kopfpartien entnommen, können diese anschliessend kahl wirken, und es kann zu einer deutlich sichtbaren Vernarbung kommen.  

Aber es ist doch schön, wieder viele Haare zu haben, vor allem wo vorher keine waren?
Prinzipiell stimme ich Ihnen schon wieder zu, die Haarlinien bzw. den Haaransatz an der gleichen Lokalisation wie in der Jugend zu haben, bevor der Haarausfall begann. Ab einem bestimmten Alter sieht dies aber sehr unnatürlich aus. Auch sollte es nicht darum gehen, Haaransätze wie in der Jugend zu kreieren, sondern die Haare so zu verpflanzen, dass die Patienten noch lange mit einer dichten und vor allem natürlichen altersentsprechenden Haarpracht auftreten.

Was sollte Ihrer Meinung nach unbedingt bei so einem Eingriff beachtet werden?
Aus meiner Sicht ist es wichtig, die einzelnen Haarfollikel so einzusetzen, dass die natürliche Verteilung und Wachstumsrichtung nachgebildet wird. Hierbei muss man sehen, welche Richtung vorher bestand, und zur Dichtegewinnung Follikel mit mehreren Haaren verwenden. Follikel mit einzelnen Haaren werden für einen natürlichen, altersentsprechenden Haaransatz eingesetzt. Nicht einfach die Haare wie Besenborsten in den Kopf setzen. 

Kann auch den sogenannten Geheimratsecken mit einer Haartransplantation der Kampf angesagt werden?
Aber selbstverständlich lassen sich auch Geheimratsecken wie auch andere kahle Stellen durch Haartransplantationen schliessen, wobei aber, wie gesagt, auf den natürlichen Verlauf des Ansatzes mit der richtigen Verteilung und Ausrichtung der einzelnen Haare bzw. Haarfollikel zu achten ist, um ein schönes Ergebnis zu erreichen.

Gibt es aus Ihrer Sicht Gefahren bei der Haartransplantation im Ausland?
Ich denke, es liegt nicht daran, wo die Operation durchgeführt wird, sondern wie. Wichtig ist vor allem: Wie und wer bei Komplikationen, die nie gänzlich auszuschliessen sind, direkt helfen kann. Für uns ist es wichtig, unsere Patienten vorher, während und besonders auch nach dem Eingriff zu betreuen, uneingeschränkt für sie da zu sein und zu helfen, sollte es nötig sein.

Ich muss leider in meiner Praxis fast wöchentlich Patienten helfen, welche mit postoperativen Komplikationen oder mit sehr unschönen ästhetischen Ergebnissen zu uns kommen.
Dr. med. Hero Schnitzler

Was sind die häufigsten medizinischen Komplikationen, welche bei solchen Eingriffen passieren?
Wie schon angedeutet, kommt es leider nicht selten zu Infektionen an den Entnahmestellen oder leider auch an den frisch eingesetzten Haarfollikeln. Dies kann entweder daran liegen, dass Erkrankungen, die vor der Haartransplantation bestanden, nicht genug oder gar nicht behandelt wurden. Entzündungen im Anschluss an die Operation sind häufig darauf zurückzuführen, dass die Patienten keine ausreichende Wundpflege durchgeführt haben. Dies kommt leider sehr häufig vor, weil Ihnen das niemand erklärt, weil Sie niemand angeleitet und Ihnen die nötigen Materialien mitgegeben hat.

Welche Folgen kann die falsche Pflege nach dem Eingriff haben?
Die Folge kann sein, dass die teuer verpflanzen Haar nicht anwachsen und wieder ausfallen. Dies kann eine sehr abenteuerliche Verteilung der eingewachsenen Haare zur Folge haben, ähnelt dann einem Mottenfrass mit Löchern.

Wie werden unschöne ästhetische Ergebnisse korrigiert?
Unschöne ästhetische Ergebnisse können zur Folge haben, das man die eingepflanzten Haarfollikel wieder entnehmen muss oder sie mittels Laser zu zerstören versucht, um ein natürliches Ergebnis zu bekommen. Auch die Anpassung unnatürlicher Haaransätze sind die Folge, und nicht selten kann eine Narbentherapie in den Entnahmearealen nötig sein.

Was raten Sie Betroffenen, welche eine Behandlung im Ausland in Betracht ziehen?
Ich rate prinzipiell dazu, vielleicht ein wenig mehr Geld auszugeben und eine Behandlung vor Ort durchführen zu lassen. Denn nicht der Preis, sondern das natürliche Ergebnis entscheidet letztendlich über die Zufriedenheit. Die Rechnung, Geld zu sparen und die Operation in der Ferne durchführen zu lassen, geht nicht auf. Sowohl im Ausland als aber auch im Inland sollte man sich gut vorinformieren und einen Arzt seines Vertrauens wählen, der die Transplantation leitet und der auch vor und nach der eigentlichen Operation Ansprechpartner ist und helfen kann, sollte es nötig sein. Zentren, wo Teams die Transplantation durchführen, aber keine Betreuung gewährleisten, halte ich eher für ungeeignet. Hilfreich können aber auch Beurteilungen im Internet sein und natürlich die Erfahrungen von Freunden und Bekannten.

Worauf legen Sie bei sich in der Praxis ein besonderes Augenmerk?
Bei uns steht stets der Patient mit einem natürlichen Ergebnis durch die Operation im Vordergrund. Wir sind wie gesagt vor, während und nach dem Eingriff für unsere Patienten da. Wir sind eine breit aufgestellte dermatologische Fachpraxis und bieten neben der Haartransplantation auch andere Behandlungen an – seien es medizinische oder ästhetische. Bei uns zählt viel mehr die Qualität als die Quantität.

Weitere Informationen rund um das Thema Haartransplantation erhalten Sie hier.

 

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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