Ohne Motivation und Zeit geht es nicht

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Quelle: TCS MyMed

Dr. Boris Gojanovic, Facharzt für Sportmedizin und Leiter der Abteilung Gesundheit und Leistung im Hôpital de La Tour in Meyrin, erklärt, wie wir eine Sportart auswählen, die zu uns passt.

Herr Dr. Gojanovic, welche Fragen sollte man sich stellen, bevor man sich für ein bestimmtes Sporttraining entscheidet?
Zunächst sollte man wissen, dass regelmässiger Sport die Gesundheit fördert. Doch bevor man sich für eine Sportart entscheidet, muss man herausfinden, inwieweit man «Freude» daran haben wird und wie man gern trainieren will. Ausserdem muss man sich die jeweilige soziale Komponente der Sportart vergegenwärtigen, falls man dabei gemeinsam mit anderen trainiert. Natürlich muss man auch den eigenen aktuellen Gesundheitszustand beachten. Vielleicht gibt es Einschränkungen bei den Gelenken oder in anderen Bereichen, die dazu führen, dass man bestimmte Sportarten anderen vorzieht.

Sollte man noch weitere Aspekte beachten?
Ja: Auch den «logistischen» Aspekt darf man nicht unterschätzen: Wie viel Zeit steht einem zur Verfügung? Auch das beeinflusst, wie sich der Sport auf unser Leben auswirkt. Einen Mannschaftssport auszuüben, erfordert mehr Organisation, als joggen zu gehen, wenn man gerade Zeit hat.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Kraftsport, Cardiotraining und Pilates?
Diese Frage führt uns zu den physiologischen Prinzipien. Unter Kraftsport versteht man wiederholte Übungen für die Muskulatur, wie beim Bodybuilding, bei dem man 10- oder 20-mal Gewichte hebt. Dabei muss man kurzfristig Kraft aufwenden, tut dies aber weder andauernd noch kontinuierlich. Die Definition des Cardiotrainings hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Grundsätzlich handelt es sich dabei um ein Ausdauertraining, bei dem das Herz kontinuierlich gefordert wird, mit mittlerer bis starker Intensität. Beispiele dafür sind Velofahren, Laufen oder schnelles Gehen. Bei diesen Sportarten bleibt das Intensitätsniveau während des Trainings relativ stabil. Für die Muskulatur ist diese Art von Training in der Regel sanfter und sie wirkt sich deutlich stärker auf das Herz-Kreislauf-System aus als Krafttraining.

In den letzten Jahren hat sich das Cardiotraining verändert, den Trends angepasst und wird meist als HIIT (High Intensity Interval Training) angeboten. Hierbei wiederholt man intensive und dynamische Bewegungsfolgen, die oft Sprünge enthalten. Dadurch besteht ein bedeutender Unterschied zum «Ausdauer»-Cardiotraining, denn HIIT ist für die Muskeln deutlich anstrengender und häufig auch für das Herz intensiver. Für Anfänger ist es wenig geeignet, ausser es erfolgt eine professionelle Begleitung.

Beim Pilates hingegen hängt die Wirkung sehr davon ab, wie man es trainiert. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine Form der Bewegung, die man als «sanft» einstufen kann, bei dem ein Element die Gelenkigkeit ist, mit leichtem Fokus auf Ausdauer.  

Anhand welcher Kriterien kann ich beurteilen, ob die eine oder andere Methode besser zu mir passt?
Je nach gewählter Sportart trainiert man physiologische Funktionen unseres Körpers. Ich sage es noch einmal: man muss den eigenen Gesundheitszustand, den eigenen Willen, die zeitliche Verfügbarkeit und die eigene Motivation bedenken, bevor man sich für ein bestimmtes Training entscheidet. Denn damit man ein zufriedenstellendes und ausreichendes Ergebnis erzielt, muss man mindestens ein bis zwei Mal pro Woche trainieren können. Deshalb muss man sich für eine realistische Sportart entscheiden.

Wie wirkt sich Kraftsport auf den Organismus aus?
Zunächst sollte man wissen, dass Sporttraining die Verbindungen von Nerven und Muskeln verbessert. Wir nennen das die neuromuskuläre Anpassung. Wenn man seine Muskeln besser einsetzt, steigert man die Fähigkeit, Kraft zu erzeugen. Und das sogar bevor der Muskel dicker wird. Deshalb erhöht der Muskel bei wiederholtem Training sein Volumen (Hypertrophie), was auch eines der erwünschten Ziele sein kann. Andererseits passt sich auch das Gefässsystem an dieses Training an: Alle Blutgefässe, die die Muskeln versorgen, werden geschmeidiger (bessere Compliance), was sich positiv auf die Herzfunktion auswirkt. Kraft ist für die Lebensqualität und deren Bewahrung im Laufe des Lebens von grosser Bedeutung, insbesondere für ältere Menschen. Der Kraftverlust wird besonders spürbar, wenn es schwerfällt, sich vom Boden oder sogar von einem Stuhl zu erheben.

Und Cardiotraining?
Die langfristige Wirkung des Cardiotrainings ist am besten erforscht. Wir verfügen über zahlreiche Studien, welche die bedeutende Wirkung bei Prävention und Verringerung bestimmter Schädigungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Stoffwechsels nachweisen. Denken wir etwa an Diabetes. Ausserdem stellen wir fest, dass mit einem Ausdauertraining bestimmte Krebserkrankungen seltener auftreten oder sich das Risiko für ein Rezidiv verringert. Denn durch dieses Training verbessert sich die Fähigkeit des Herzens, das Blut kraftvoll durch den gesamten Körper zu pumpen. Ausserdem stellen wir eine verbesserte Fähigkeit der Zellen fest, den vom Blut mitgeführten Sauerstoff zu verarbeiten. Diese Art von Training verbessert auch die so genannte VO2 max. Man kann also sagen, dass sich durch Cardiotraining einerseits der «Hubraum» des Herz-Kreislauf-Systems und andererseits die Fähigkeit des Körpers verbessert, von dieser gesteigerten Energielieferung im Sauerstoff zu profitieren.

Interessant ist weiterhin, dass sich dieses Ausdauertraining auch mit Übungen niedriger Intensität durchführen lässt, wie etwa Gehen, die man anschliessend allmählich intensiviert. Auch so kann man wieder die Effizienz des Herz-Kreislauf-Systems verbessern.

Und Pilates?
Pilates ist physiologisch deutlich weniger erforscht worden. Man muss es als Mischform von Bewegungen betrachten, die vielen anderen Formen, die man trainieren könnte, stark ähnelt, etwa Yoga oder andere Sportarten, bei denen Ausdauer- und Gelenkigkeitsübungen kombiniert werden. Eigentlich ist Pilates keine Kategorie von Sportarten, sondern eine eigene Sportart, die sich positiv auf verschiedene physiologische Elemente eines Sporttrainings auswirkt.

Welche Risiken gibt es jeweils?
Wenn man eine Sportart ganz neu oder nach einer langen Pause wieder aufnimmt, bringt das gewisse Risiken mit sich. Zunächst muss man die Intensität des Trainings allmählich steigern. Man sollte mit leichter Intensität und einer Trainingsdauer beginnen, die dem eigenen Ausgangsniveau entspricht. Ausdauertraining mit niedriger, kontinuierlicher Intensität birgt die wenigsten Risiken. Im Gegensatz dazu birgt ein intensives Krafttraining mit schweren Gewichten höhere Risiken. Insbesondere und hauptsächlich ein Verletzungsrisiko durch Überlastung der Sehnen und Muskeln. Jedes Training, das nicht allmählich gesteigert wird, führt zu Überlastungsverletzungen und somit zu Schmerzen im Bewegungsapparat. Darüber hinaus sollte man beachten, dass man durch ein zu intensives Training, das die Herzfrequenz über längere Zeit über eine einfache Kurzatmigkeit hinaus in die Höhe treibt, die Gefahr einer Herzerkrankung riskiert. Dies gilt insbesondere für Herz-Kreislauf-Risikopatienten.

Worin liegen jeweils die Vorteile?
Sport bietet allen Menschen Vorteile, die beispielsweise an Diabetes oder arteriellem Bluthochdruck leiden. Doch vor allem zu Beginn muss man langsam und stufenweise vorgehen, im Idealfall kontrolliert durch einen Trainer und eventuell eine medizinische Begleitung, um sicherzustellen, dass keine zu grosse Gefahr für das Herz besteht. Anfangs bedeutet die Wiederaufnahme eines Trainings eine Phase erhöhter Risiken. Erst nach dieser kontrollierten, sanften Anfangsphase kann man die Trainingsintensität allmählich steigern.

Muss man immer einen medizinischen Checkup machen, bevor man sich für eine der genannten Sportarten entscheidet oder Hallensport betreibt?
Ein medizinischer Checkup wird nicht immer empfohlen. Doch für Menschen über 45 Jahre, junge Herz-Kreislauf-Risikopatienten oder Personen mit familiärer Vorgeschichte und Krankheitsrisiken ist es bei intensivem Training auf jeden Fall ratsam, einen medizinischen Checkup durchzuführen. Zunächst sollte man ein Gespräch vereinbaren, um die eigene Motivation und Trainingsmöglichkeiten abzuklären. Dann benötigt man ein Blutbild, um eventuelle Risikofaktoren auszuschliessen, insbesondere im Bereich der Lipide. Ausserdem kann man ein Belastungs-EKG durchführen, um die körperliche Ausgangsverfassung zu bestimmen und ein eventuelles hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen herauszufinden. Solche Untersuchungen sind nicht für jeden notwendig. Man behält sie Personen vor, bei denen man bereits bestehende Risikofaktoren feststellt, die man durch ein Training verringern möchte. Bei der medizinischen Untersuchung kann auch ein Trainingsplan erstellt und zu möglichen Schmerzen beraten werden, die eventuell auftreten können. Dadurch erhält die Person die Möglichkeit, ihr Training bei Problemen nicht plötzlich oder für lange Zeit unterbrechen zu müssen.

Muss man sich nach Aufnahme des Trainings regelmässig oder punktuell untersuchen lassen?
Bei der vorbereitenden Untersuchung sollte man einerseits eine Beziehung aufbauen und gleichzeitig Ratschläge geben, damit man das Training nach Wunsch anpassen kann. Danach hängt es von der Selbstständigkeit und den Ressourcen der Person ab (Trainer, Freunde, Umfeld, frühere Erfahrung). Unabhängig vom Alter profitieren Anfänger von der Begleitung durch Gesundheitsfachleute und/oder professionelle Trainer. Ich persönlich arbeite im Team. Dadurch werden die Aussagen und die Qualität der Begleitung verstärkt und wirken langfristig nach.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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