Dr. med. Roman Gähwiler, Co-Standortleiter des Sportmedizinzentrums des Kantonsspitals Aarau, erklärt im Interview mit TCS MyMed, wie Sie auch im Winter fit bleiben.
Herr Gähwiler, Bewegung ist wichtig, um unseren Körper fit und gesund zu halten – auch in der kalten Jahreszeit. Was fehlt dem Körper im Winter am meisten?
Sofern wir nicht gerade auf den Skipisten unterwegs sind, ist vor allem Sonne und Bewegung im Winter Mangelware. Durch die Sonneneinstrahlung kann unsere Haut Vitamin D umsetzen, was unter anderem für die Knochengesundheit von elementarer Bedeutung ist. Aufgrund der kalten Aussentemperaturen fehlt uns in dieser Jahreszeit gelegentlich auch die Motivation, uns in der freien Natur zu bewegen, was das Herzkreislauf- sowie das Immunsystem (zu) bequem werden lässt.
Wie kleidet man sich richtig, um bei eisigen Temperaturen beim Sport im Freien warm zu bleiben?
Die meiste Körpertemperatur geht über Hautregionen mit grosser Oberfläche (Kopf, Hände) verloren. Insofern sollten diese Körperpartien mit atmungsaktiven Handschuhen und Mützen gut geschützt werden. Es empfiehlt sich auch, Oberkörper und Beine mit einem «Mehrschicht-System» gegen Kälte zu schützen und 3 bis 4 Lagen (Baumwoll-/Funktions-) Kleidung zu verwenden. Zudem hat kalte Luft eine viel tiefere Luftfeuchtigkeit, was bei einigen Sportlern die Atemwege reizen und Hustenattacken auslösen kann. Ganz unkonventionell entgegnen findige Ausdauersportler diesem Problem mit einem Schal (oder in Corona-Zeiten einer Maske), welche als «Vorschaltkammer» dient und die Einatmungsluft etwas feuchter werden lässt.
Ein Saunagang nach der Sporteinheit. Wie gesund ist das?
Für fitte Personen kann das sehr gesund und (Muskel-) entspannend sein, sofern man tagsüber gut auf seinen Flüssigkeitshaushalt geachtet hat und nicht völlig dehydriert in die Sauna geht. Sportler, welche Blutdruck-Medikamente, bestimmte Antidepressiva (v.a. Lithium-Präparate) oder Wassertabletten (sog. Diuretika) einnehmen, würde ich empfehlen, den Saunagang nicht auf diese Tage zu legen, an welchen sie sich körperlich verausgabt haben. Alternativ kann man auch ein «Kräuter-Dampfbad» machen, was die Atemwege wieder etwas befeuchtet und nicht ganz so heiss ist wie eine konventionelle finnische Sauna.
Wie sieht es bei einem warmen Bad aus?
Da verhält es sich ähnlich. Bei beiden Varianten ist darauf zu achten, langsam aufzustehen, beziehungsweise aus dem Bad zu klettern. Dies, damit sich kein Schwindel entwickelt.
Viele empfehlen auch im Winter die Wechseldusche (warm, kalt). Welchen Effekt hat die Wechseldusche auf den Körper und ist sie wirklich gesund?
Die Wechseldusche ist eine gute Variante, um beispielsweise nach einem Skitag dem Muskelkater entgegenzuwirken. Es aktiviert und trainiert zudem das Gefässsystem, was speziell bei Leuten mit Lymph- oder Venenleiden positive Effekte haben kann. Schliesslich hat es bei längerer Anwendung auch schützende Auswirkungen auf das Immunsystem, wobei nachgewiesen ist, dass «Wechselduscher» ca. 10 Prozent weniger Infekte der oberen Atemwege haben. Gleichzeitig scheint es die Blutdruckregulation positiv zu beeinflussen.
Macht einem das Wetter mal einen Strich durch die Rechnung, kann man sich auch in den eigenen vier Wänden sportlich betätigen. Wie sieht ein gutes Trainingsprogramm für zu Hause aus?
Es gibt kein schlechtes Wetter. Es gibt nur schlechte Kleidung! Wer trotzdem nicht nach draussen möchte, kann sich mit Yoga (Beweglichkeit), Pilates (Rumpfkraft), Kniebeugen (Kraft, Ausdauer) oder einem Zirkeltraining (z.B. Hampelmänner, Liegestütze, Kniebeugen und Rumpfstabilisationsübungen) fit halten – jede Übung 3x à 8 bis 12 Wiederholungen. Als Geheimtipp erachte ich das Tanzen. Hierbei werden auf wunderbare Weise Koordinations-, Beweglichkeits- und Ausdauertraining kombiniert.
Auch die Ernährung leistet einen wichtigen Beitrag für ein gesundes Immunsystem bei. Worauf sollte man achten und welche Lebensmittel sind besonders zu empfehlen?
Um in den kalten Temperaturen Reserven haben zu können, entwickelt der Körper in dieser Jahreszeit natürlich Lust auf herzhafte Gerichte. In Zeiten von Erdsonden-Heizungen und GoreTex-Kleidung kann man die körperliche Vorratskammer (Fettgewebe) aber getrost spärlich füllen. Saisonal bedingt ist im Winter natürlich auch das Vitamin C Angebot (Zitrusfrüchte, Gemüse) in den Supermärkten etwas eingeschränkt. Es empfiehlt sich dabei die Orange nicht nur als Zimt-bestückte Weihnachts-Dekoration, sondern auch als Vitamin C Spender zu verwenden.
Die Grippe hat einen nun doch erwischt: Sollte man sich trotzdem körperlich betätigen oder sich zuerst komplett auskurieren?
Bei Fieber oder einem akuten grippalen Infekt wird von Sport definitiv abgeraten. Ansonsten kann es zur Verlängerung der Heilungszeit oder zu Organschädigungen wie Herzmuskelentzündungen kommen. Wenn der Schnupfen aber nur noch etwas vor sich hin «tropft», ist eine moderate sportliche Belastung (ca. 60 bis 70 Prozent der Maximalbelastung, bzw. der maximalen Herzfrequenz) nicht verboten.