Bipolare Störung: Leben zwischen zwei Extremen

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Dr. med. Christian Imboden, Privatklinik Wyss AG
Dr. med. Christian Imboden, Privatklinik Wyss AG
Quelle: TCS MyMed

Was eine bipolare Störung ist und woran man sie erkennt, erklärt Dr. med. Christian Imboden, EMBA, Ärztlicher Direktor und Vorsitzender der Klinikleitung, Privatklinik Wyss AG, Münchenbuchsee, im Interview mit TCS MyMed.

Was versteht man unter dem Begriff bipolare Störung?
Menschen mit einer bipolaren Störung erleiden im zeitlichen Verlauf sowohl depressive als auch manische Episoden. Depressive Phasen sind gekennzeichnet durch Antriebsmangel, deprimierte Stimmung und verschiedene andere Symptome, während bei manischen Phasen der Antrieb gesteigert ist mit typischerweise Euphorie und/oder ausgeprägter Gereiztheit, vermindertem Schlafbedürfnis und einer Beschleunigung des Denkens bzw. dem Drang zu unzähligen Ideen. Daraus resultieren auch eine beschleunigte Sprache sowie eine soziale Enthemmung. Dies kann zu verschiedenen unüberlegten Handlungen wie vermehrtes Geldausgeben oder Beginn von mehreren grossen Projekten führen, was wiederum häufig Konflikte mit sich bringt.

Können sich die depressiven und manischen Phasen auch überschneiden?
Ein Teil der Betroffenen erleidet auch sogenannte gemischte Phasen, in denen sowohl manische als auch depressive Symptome auftreten. Während akuter Phasen kann es bei einzelnen Patient*innen auch zu Wahnsymptomen und somit zu einem Verlust der Realitätskontrolle kommen.

Welche Symptome deuten auf eine Erkrankung hin und wie verhalten sich bipolare Menschen im Alltag?
Die Symptome zeigen sich überwiegend während der Krankheitsphasen. Dazwischen sind oft keine bis nur wenige Symptome vorhanden. Die Dauer der stabilen Phasen ist sehr unterschiedlich, sie können aber – insbesondere wenn die Erkrankung medikamentös gut eingestellt ist – auch Jahre dauern. Typischerweise zeigen Menschen mit einer bipolaren Störung also wechselnde Phasen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen, welche in der Regel mehrere Wochen dauern.

Schränkt die Erkrankung Betroffene in ihrem Alltag ein?
Der Alltag wird grundsätzlich vorwiegend während der aktiven Krankheitsphasen teils erheblich eingeschränkt. Bei einer voll ausgeprägten Manie ist in der Regel ein Klinikaufenthalt – oft gegen den Willen der betroffenen Person – unumgänglich, um die Person vor den langfristigen Konsequenzen unüberlegter Handlungen wie grossen Geldausgaben, welche später bereut werden, Konflikten mit dem gesamten Umfeld und gefährlicher Aktionen zu schützen. Depressive Phasen können mehrere Monate dauern und mit einer längeren Arbeitsunfähigkeit einhergehen. Zudem kann es zu einer erheblichen Suizidgefährdung kommen. Mit zunehmender Anzahl durchgemachter Episoden können auch funktionelle Beeinträchtigungen wie kognitive Störungen, anhaltende emotionale Symptome und instabile Stimmungslagen bestehen bleiben. Darum ist eine frühzeitige medikamentöse Therapie sehr wichtig.

Durch welche Auslöser kann es zu einer bipolaren Störung kommen?
Genetische Faktoren sind für die Anfälligkeit, eine bipolare Störung zu entwickeln, gut belegt. Die Vererbbarkeit ist deutlich höher als bei reinen depressiven Erkrankungen. So ist die Wahrscheinlichkeit, eine bipolare Störung zu entwickeln, um bis das Zehnfache erhöht, wenn Verwandte ersten Grades an einer solchen leiden. Oft spielen als Auslöser für einzelne Phasen belastende Lebensereignisse eine Rolle. Auch bestimmte Drogen wie Kokain oder Amphetamine können die Auslösung einer Manie bei vulnerablen Personen begünstigen.

Kann eine auftretende bipolare Störung durch frühzeitiges Erkennen verhindert werden?
Es ist wichtig, die bipolare Störung früh als solche zu erkennen, damit Betroffene möglichst frühzeitig spezifisch behandelt werden können. Eine frühe Erkennung kann die Erkrankung als solches nicht verhindern, weil die Diagnose frühestens nach zwei durchgemachten Episoden gestellt werden kann (mindestens je eine depressive und eine manische). Die Abgrenzung von der unipolaren Depression (nur depressive Phasen) ist zentral. Durch eine frühzeitige konsequente Behandlung kann der Langzeitverlauf positiv beeinflusst werden.

Welche Warnsignale sollte man unbedingt ernstnehmen?
Das gefährlichste Symptom ist die Suizidalität. Wenn Gedanken an den Tod auftreten, muss zeitnah eine ärztliche Abklärung und Behandlung erfolgen. Aber auch bei einer manischen Entgleisung mit unüberlegten grösseren Geldausgaben sollte rasch gehandelt werden. Leider erleben sich Betroffene in diesen Phasen aber oftmals überhaupt nicht als krank und reagieren gereizt, wenn sie auf die Problematik angesprochen werden.

Wie werden Menschen mit einer bipolaren Störung therapiert?
Während der akuten Krankheitsphase sind Medikamente zur Stabilisierung der Stimmung zwingend angezeigt. Bei einer bipolaren Depression können zusätzlich auch Antidepressiva eingesetzt werden. Die stimmungsstabilisierende Medikation sollte auch nach der akuten Phase über Jahre weiter eingenommen werden. Diese ermöglicht Betroffenen oftmals lange stabile Phasen. Zum Einsatz kommen Lithium-Salze, Antipsychotika oder Antiepileptika. Des Weiteren kommen während depressiver Phasen und zwischen den Episoden psychotherapeutische Methoden unterstützend zum Einsatz. Methoden, welche einen guten Tagesrhythmus unterstützen und Betroffene auf frühe Symptome einer Episode und den Umgang damit sensibilisieren, haben sich im Langzeitverlauf gut bewährt.

Besteht die Möglichkeit einer vollständigen Genesung?
Leider kann eine bipolare Störung in der Regel nicht geheilt werden. Sie ist aber in vielen Fällen mit Medikamenten so gut zu kontrollieren, dass Betroffenen über Jahre hinweg eine normale Lebensführung ermöglicht wird und sie durch die Symptomatik nicht mehr beeinträchtig werden. Reduktion individueller Belastungsfaktoren, Erkennen von frühen Symptomen und dementsprechende Handlungsstrategien können ebenfalls von Vorteil sein. Diesbezüglich ist ein möglichst früher Behandlungsbeginn von grosser Wichtigkeit.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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