Nahrungsmittelintoleranz: Sich im Einkaufsdschungel zurechtzufinden, ist nicht einfach

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Nahrungsmittelintoleranz
Nahrungsmittelintoleranz
Quelle: TCS MyMed

Für viele Menschen ist Nahrungsmittelintoleranz kein Fremdwort mehr. Weshalb aber kommt es dazu und welche Arten gibt es? Frau Laure Tercier, Expertin bei aha! Allergiezentrum Schweiz, klärt auf.

Frau Tercier, wann spricht man von einer Nahrungsmittelintoleranz?
Unter dem Begriff Nahrungsmittelintoleranzen werden verschiedene, nicht allergisch bedingte Reaktionen auf Nahrungsmittel zusammengefasst. Die häufigsten Auslöser sind Milchzucker (Laktose), Fruchtzucker (Fructose oder Fruktose), Gluten oder Histamin. Einer Intoleranz liegt meist eine eingeschränkte Funktion des Darmes zugrunde. Das heisst: Die Nahrungsmittel können nicht ausreichend verdaut werden. Im Gegensatz zu einer Nahrungsmittelallergie ist eine Intoleranz nicht lebensbedrohlich, doch die Symptome können die Lebensqualität von Betroffenen stark einschränken.

Welche Symptome können darauf hinweisen?
Die Beschwerden einer Nahrungsmittelintoleranz können vielfältig sein. Häufig beginnen die Beschwerden schleichend. Es ist daher nicht immer einfach, diese mit einer Nahrungsmittelintoleranz in Verbindung zu bringen.

Häufigste Symptome einer Nahrungsmittelintoleranz

  • Bauchschmerzen
  • Bauchkrämpfe
  • Durchfall
  • Blähungen
  • Verstopfungen
  • vermehrte Darmgeräusche
  • vermehrte Gasproduktion
  • Reflux
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Kopfschmerzen
  • Hautausschläge
  • Müdigkeit

Wie wird eine Nahrungsmittelintoleranz diagnostiziert?
Eine Intoleranz nachzuweisen, kann schwierig sein. Eine Anamnese stellt die Basis der Diagnostik dar. Eine Laktose- oder Fruktoseintoleranz wird mit einem H2-Atemtest festgestellt. Eine Zöliakie kann anhand spezifischer Antikörper im Blut und je nachdem einer Darmspiegelung diagnostiziert werden. Da für eine Histaminintoleranz kein Test zur Verfügung steht, wird mit einer spezialisierten Ernährungsfachperson eine Weglassdiät (diagnostische Diät) durchgeführt.

Gibt es bestimmte Nahrungsmittel, die häufiger zu Intoleranzen führen als andere?
Die Laktoseintoleranz ist mit 15 bis 20 Prozent Betroffenen in der Schweizer Bevölkerung die häufigste Nahrungsmittelintoleranz. Etwa jede fünfte Person in der Schweiz ist davon betroffen. Es wird geschätzt, dass rund 65 Prozent der Weltbevölkerung eine eingeschränkte Fähigkeit zur Verdauung von Laktose haben. Bei einigen Bevölkerungsgruppen in Afrika und Asien steigt diese Zahl auf 95 Prozent.

Kann sich eine Nahrungsmittelintoleranz im Laufe des Lebens entwickeln und wenn ja, weshalb kommt es dazu?
Intoleranzen können sich jederzeit entwickeln, leider gibt es keine präventiven Massnahmen. Je nach Intoleranzart ist die Ursache auch eine andere: Bei einer Laktoseintoleranz etwa nimmt natürlicherweise die Aktivität der Laktase – das Enzym, das im Darm die Laktose aufspaltet – im Verlaufe des Lebens ab. Ob diese Aktivität der Enzyme abnimmt, ist genetisch vorbestimmt und kommt eher bei Erwachsenen vor als bei Kindern.

Bei einer Zöliakie, also Glutenintoleranz, schädigt der Kontakt mit Gluten, dem Klebereiweiss in vielen Getreiden, die Darmschleimhaut. Dies ist autoimmunbedingt und kann irgendwann im Leben auftreten. Bei der Fruktosemalabsorption ist je nach Person die Aufnahmefähigkeit von Fruktose beschränkt. Beschwerden treten dann je nach Essgewohnheiten auf. Bei einer Histaminintoleranz geht man von einer verminderten Abbaufähigkeit von durch Nahrung zugeführtem Histamin im Körper aus.

Wie unterscheidet sich eine Nahrungsmittelallergie von einer Nahrungsmittelintoleranz?
Von einer Nahrungsmittelallergie ist die Rede, sobald das Immunsystem an der körperlichen Reaktion beteiligt ist. Bei einer Allergie handelt es sich um eine Abwehrreaktion des Körpers gegenüber eigentlich harmlosen Eiweissen – den sogenannten Allergenen. Isst zum Beispiel eine Nuss-Allergikerin unabsichtlich einen Getreideriegel mit Nüssen, reagiert ihr Immunsystem darauf. Es werden Antikörper produziert, und in der Folge kommt es zu einer allergischen Reaktion. Bei einer Nahrungsmittelintoleranz dagegen hat der Körper die Fähigkeit teilweise oder ganz verloren, einen bestimmten Stoff zu verdauen – oder er hat diese Fähigkeit nie besessen. Die Beschwerden einer Intoleranz sind mühsam, aber nicht wie bei einer Allergie lebensbedrohlich.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Betroffene?
Bei einer Nahrungsmittelallergie ist es wichtig, das allergieauslösende Nahrungsmittel konsequent wegzulassen. Auch auf versteckte Quellen in Lebensmitteln muss zum Teil geachtet werden. Das bedeutet im Alltag: Zutatenlisten und Verpackungen immer gut lesen. Denn in der Schweiz müssen 14 Zutaten, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, klar deklariert und auf der Verpackung hervorgehoben werden – z.B. fett markiert. Auch im Offenverkauf, also in der Bäckerei oder im Restaurant, muss das Personal Auskunft geben können. Personen, die stark allergisch reagieren, erhalten ein ärztlich verschriebenes Notfallset mit verschiedenen Medikamenten. Dieses sollten sie zu jeder Zeit auf sich tragen und wissen, wie es anzuwenden ist.

Bei der Laktose-, Fruktose- und Histaminintoleranz werden meist gewisse Mengen des beschwerdeauslösenden Nahrungsmittels vertragen. Diese Toleranzgrenze muss individuell ausgetestet werden. Um laktosehaltige Speisen, z.B. beim Auswärtsessen, verdauen zu können, kann das Enzym Laktase als Tablette vor der Mahlzeit eingenommen werden; bei Histaminintoleranz das Enzym Diaminoxidase. Bei einer Zöliakie (Glutenintoleranz) muss allerdings eine streng glutenfreie Ernährung eingehalten werden, da sonst der Darm geschädigt wird. Eine spezialisierte Ernährungsfachperson unterstützt die Betroffenen dabei.

Wie kann den Lebensmittelallergien vorgebeugt werden?
Die Prävention beginnt schon vor der Geburt – bei der Mutter. Es ist wichtig, sich in der Schwangerschaft abwechslungsreich und ausgewogen zu ernähren. Rauchen, auch Passivrauchen, schadet. Ist das Baby da, sollte während der ersten vier Monate wenn möglich ausschliesslich gestillt werden. Es ist erwiesen, dass Stillen einen schützenden Effekt auf das Allergierisiko hat. Danach kann schrittweise eine vielseitige Beikost eingeführt werden. Das Meiden von bestimmten Lebensmitteln hat keinen vorbeugenden Effekt auf die Allergieentwicklung.

In Supermärkten findet man Lebensmittel mit dem Allergie-Gütesiegel. Was sind das für Lebensmittel?
Sich im Einkaufsdschungel zurechtzufinden, ist nicht einfach – erst recht nicht, wenn man an Allergien oder Intoleranzen leidet. Durch das Allergie-Gütesiegel sind Produkte, die für Betroffene geeignet sind, auf den ersten Blick erkennbar. Produkte mit dem Allergie-Gütesiegel werden durch die unabhängige Zertifizierungsstelle Service Allergie Suisse geprüft. Diese Prüfung besteht aus drei Schritten:

  1. Es wird geprüft, ob das Produkt den Anforderungen des Gütesiegels entspricht.
  2. Spezialisierte Ärzte beurteilen, ob das Lebensmittel einen Mehrwert hat für Personen mit einer Intoleranz.
  3. Vor Ort in der Herstellerfirma wird ein Audit durchgeführt.


Das Allergie-Gütesiegel kennzeichnet verschiedene Produkte wie etwa Lebensmittel, Kosmetika, Textilien, Wasch- und Reinigungsmittel, Produkte für Babys, Hygieneartikel und technische Produkte wie Haushaltsgeräte oder Luftfilter. 

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Laure Tercier

Expertin bei aha! Allergiezentrum Schweiz

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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