Polydipsie bezeichnet einen krankhaft gesteigerten Durst. Umgangssprachlich ist auch von «extremem Durst», «Trinkzwang» oder «übermässigem Trinken» die Rede. Der Begriff «Trinkzwang» ist jedoch mit Vorsicht zu verwenden, da er eher psychische Ursachen vermuten lässt – Polydipsie kann aber auch körperliche Ursachen haben. Wichtig: Polydipsie ist kein eigenes Krankheitsbild, sondern ein Symptom, das auf verschiedene Erkrankungen hinweist und ernst genommen werden sollte.
- Definition
- Symptombild
- Ursachen – Welche Krankheiten können dahinterstecken?
- Begleitsymptome / Komplikationen
- Selbsthilfe & Erste-Hilfe-Massnahmen
- Notfall-/Alarmzeichen
- Wann zum Arzt und welcher Arzt ist zuständig?
- Abklärung beim Arzt (Diagnostik)
- Ärztliche Behandlung / Therapieoptionen
- Verlauf & Prognose
- Vorbeugung / Prävention
Definition
Polydipsie ist ein Zustand, in dem das Durstempfinden stark und dauerhaft gesteigert ist. Die Betroffenen trinken meist deutlich mehr als 3 Liter täglich, häufig auch 5 bis 10 Liter oder mehr. Dabei fühlen sie sich selten wirklich gesättigt. Dieser quälende Durst ist Ausdruck einer Störung im Wasser- oder Zuckerhaushalt und sollte immer ärztlich abgeklärt werden.
Symptombild
Hauptmerkmal ist ein ständiger, quälender Durst, begleitet von:
- Sehr grosser Flüssigkeitsaufnahme (3–20 Liter/Tag)
- Häufigem Wasserlassen (auch nachts)
- Trockenem Mund
Beginn und Verlauf können plötzlich oder schleichend sein. Je nach Ursache kommen Symptome wie Gewichtsverlust, Sehstörungen, Müdigkeit oder Verwirrtheit hinzu.
Ursachen – Welche Krankheiten können dahinterstecken?
Polydipsie kann viele Ursachen haben:
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit): Häufigste Ursache. Der erhöhte Blutzucker führt zu vermehrter Harnausscheidung und damit zu Durst.
- Diabetes insipidus: Seltene Störung im Wasserhaushalt, meist durch einen Hormonmangel oder eine gestörte Nierenfunktion.
- Psychische Ursachen: Bei manchen psychischen Erkrankungen oder als Verhaltensstörung kommt es zu übermässigem Trinken (psychogene Polydipsie).
- Nierenerkrankungen: Erkrankte Nieren können das Wasser schlecht zurückhalten.
- Medikamente: Einige Medikamente (z.B. Diuretika, Lithium) fördern Harnausscheidung oder verursachen Durst.
- Elektrolytstörungen: z.B. ein hoher Kalziumspiegel.
- Flüssigkeitsverlust: z.B. durch Erbrechen, Durchfall oder starkes Schwitzen.
Begleitsymptome / Komplikationen
Je nach Ursache können folgende Symptome auftreten:
- Sehr häufiges Wasserlassen
- Trockener Mund und Haut
- Gewichtsverlust
- Sehstörungen, Infektanfälligkeit (bei Diabetes)
- Neurologische Symptome (z.B. Verwirrtheit bei störendem Salzhaushalt)
- In schweren Fällen: Bewusstseinsveränderung, Krampfanfälle, Koma
Selbsthilfe & Erste-Hilfe-Massnahmen
Nur nach ärztlicher Abklärung ist Selbsthilfe sinnvoll. Tipps:
- Bei bestätigtem Diabetes: Blutzuckerwerte regelmässig kontrollieren, Ernährung anpassen und ausreichend trinken.
- Bei bekanntem Diabetes insipidus: Auf ausreichende Trinkmenge achten, Durst nicht unterdrücken.
- Bei psychogener Polydipsie: Trinkmenge ärztlich gesteuert reduzieren.
- Bei medikamentenbedingtem Durst: Arzt auf mögliche Alternativen ansprechen. Bei akuten Problemen wie Dehydration, Verwirrtheit oder Krämpfen: Sofort ärztliche Hilfe holen!
Notfall-/Alarmzeichen
Unbedingt sofort den Notruf (112) wählen bei:
- Verwirrtheit oder Bewusstlosigkeit
- Krampfanfällen
- Azetongeruch im Atem, schnelle tiefe Atmung (Ketoazidose)
- Schwerer Dehydration: trockene Haut, kaum Urin, niedriger Blutdruck, schneller Puls
- Starkem Erbrechen, Bauchschmerzen, starker Schwäche
Wann zum Arzt und welcher Arzt ist zuständig?
Ein Arztbesuch ist ratsam, wenn:
- Der Durst über mehrere Tage anhält oder sich steigert
- Täglich mehr als 3-4 Liter getrunken werden
- Zusätzlich vermehrtes Wasserlassen, Gewichtsverlust, Sehstörungen oder Müdigkeit auftreten
- Kinder oder ältere Menschen betroffen sind.
Zuständig ist zunächst der Hausarzt. Je nach Befund werden Spezialisten hinzugezogen: Diabetologe, Endokrinologe, Nephrologe, Psychiater oder Kinderarzt.
Abklärung beim Arzt (Diagnostik)
Der Arzt wird:
- Die Krankengeschichte und Symptome genau erfragen
- Eine körperliche Untersuchung vornehmen
- Blut und Urin untersuchen (z.B. Blutzucker, Elektrolyte, Hormonwerte)
- Die Urinmenge und Konzentration messen
- Eventuell Spezialtests (Durstversuch, Hormonmessung, MRT) durchführen
Ärztliche Behandlung / Therapieoptionen
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache:
- Diabetes mellitus: Blutzuckersenkung durch Medikamente, Insulin, Ernährung
- Diabetes insipidus: Gabe von Desmopressin (Hormon), Trinkmenge anpassen
- Psychogene Polydipsie: Psychotherapie, ggf. Medikamente, kontrollierte Trinkmengen
- Nierenerkrankungen: Spezifische Behandlung der Nierenerkrankung, evtl. Dialyse
- Elektrolytstörungen: Behandlung der Störung (z.B. Senkung hoher Kalziumspiegel)
- Medikamentenbedingter Durst: Medikament umstellen oder absetzen (nur mit Arzt!)
Verlauf & Prognose
Bei frühzeitiger Erkennung und gezielter Behandlung der Ursache sind die Aussichten meist gut. Bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes ist eine dauerhafte Therapie notwendig. Unbehandelt können schwere Komplikationen entstehen:
- Nierenschäden
- Kreislaufprobleme
- Elektrolytentgleisungen
- im schlimmsten Fall Koma
Vorbeugung / Prävention
Polydipsie selbst kann nicht direkt verhindert werden, wohl aber viele Ursachen:
- Gesunde Lebensweise: ausgewogene Ernährung, Bewegung, Normalgewicht
- Regelmässige Vorsorgeuntersuchungen
- Blutzuckerkontrollen bei Risikopersonen (z.B. Übergewicht, familiäre Vorbelastung)
- Medikamente nur nach ärztlicher Anweisung einnehmen
- Ausreichend trinken, aber nicht übermässig: etwa 1,5 bis 2,5 Liter pro Tag je nach Körpergrösse, Bewegung und Witterung
Wichtig: Polydipsie ist ein ernstzunehmendes Warnsignal des Körpers. Wer dauerhaft sehr viel trinkt und trotzdem durstig bleibt, sollte nicht zögern, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.