
Jeder Mensch sollte seine Gelenke pflegen. Doch was tun, wenn Gelenkschmerzen die Beweglichkeit einschränken? Dr. med. Alexander Westphalen vom Spital Uster gibt Empfehlungen, wie man auch mit bestehenden Beschwerden weiterhin sportlich aktiv bleiben kann, ohne die Gelenke zu überlasten.
Herr Westphalen, warum ist Bewegung so wichtig für die Gelenkgesundheit?
Der Mensch ist wie eine Maschine: Nur wer sich bewegt, bleibt geschmeidig. Gelenke brauchen Bewegung. Bewegung fördert die Durchblutung und versorgt den Gelenkknorpel besser mit Nährstoffen. Bewegung stärkt Muskeln und Bänder und diese entlasten die Gelenke. Ausserdem hilft Bewegung, Übergewicht zu reduzieren, was die Belastung der Hüft- und vor allem Kniegelenke verringert.
Welche Sportarten sind besonders gelenkschonend und empfehlenswert?
Das Paradebeispiel für eine gelenkschonende Sportart ist Schwimmen – wegen der relativ geringen und gleichmässigen Belastung vieler Gelenke. Menschen, die nicht (mehr) gut schwimmen können, können Aquafitness betreiben. Aber auch beim Radfahren, Nordic Walking, Skilanglaufen oder Bergaufwandern kann man sich fest anstrengen, ohne die Gelenke stark zu belasten. Wer nicht mehr gut aus dem Haus kommt oder möchte, der kann sich auch daheim fit halten – etwa mit einem Crosstrainer oder Ergometer. Und natürlich sind auch Yoga, Pilates, gewisse Gymnastikarten sowie funktionelles Training ebenfalls Sportarten, die sogar gezielt bei Gelenkbeschwerden zur Therapie empfohlen werden.
Wie kann regelmässige Bewegung helfen, Mobilitätsprobleme zu verhindern?
Wie gesagt hilft Bewegung die Gelenke zu durchbluten und in Schwung zu halten. Neben den Gelenkstrukturen werden dadurch auch deren Funktion gefördert. Bewegung verhindert Gelenksteifheit und Bewegungseinschränkungen, sie erhält die Beweglichkeit von Sehnen, Bändern und Muskulatur. Komplexere Bewegungen fördern auch die allgemeine Koordination, sodass vor allem im Alter zusätzlich dem Gleichgewichtsverlust und Stürzen vorgebeugt wird.
Welche Sportarten sollten Menschen mit Gelenkbeschwerden eher vermeiden?
Das kann man nicht so generell sagen. Menschen mit Gelenkbeschwerden merken schnell, welche Sportarten (noch) gehen und welche nicht. Wenn beim Sport ein Gelenk schmerzt, heisst es übrigens nicht, dass man sofort aufhören muss. Auf jeden Fall sollte aber die Dosis, das heisst die Intensität der Belastung, reduziert werden. Wenn der Schmerz auch nach der Belastung anhält, dann war die Intensität zu hoch. Generell kann man sagen, dass Kontaktsportarten auf hartem Untergrund, beispielsweise Handballsport, ziemlich gelenkbelastend sind.
Warum ist moderates Krafttraining wichtig für die Unterstützung der Gelenke?
Muskeln stabilisieren und entlasten die Gelenke, wodurch Fehlbelastungen verhindert werden. Langfristig wird so das Risiko von Arthrose reduziert. Wichtig beim Krafttraining ist das richtige Ausführen der Kraftübung mit dem korrekten Gewicht (zum Beispiel dem Eigengewicht) und ein Trainieren der Agonisten und der Antagonisten.
Welche Rolle spielen Dehnung und Mobilisation für die Gelenkgesundheit?
Dehnen vor oder nach einer körperlichen Betätigung wird in sportmedizinischen Kreisen kontrovers diskutiert. Es soll aber die Bänder und Sehnen geschmeidig halten und den Bewegungsradius der Gelenke erhöhen. Dadurch geht man im Allgemeinen von einer Reduktion des Verletzungsrisikos und einer Entlastung entsprechender Gelenke aus.
Wie kann man trotz Gelenkschmerzen sportlich aktiv bleiben?
Wie schon erwähnt, wählt man eine gelenkschonende Aktivität oder Sportart, die man noch machen kann, und dosiert so, dass keine oder nur minimale Schmerzen auftreten. Vor dem Training können ein gutes Aufwärmen und in gewissem Masse auch Hilfsmittel (wie Wanderstöcke) zu einer Reduktion der Gelenkbelastung führen. Wenn man aber sehr starke Beschwerden oder Probleme hat, dann ist die Hilfe einer Physiotherapeutin oder eines Physiotherapeuten, die oder der das Training und allfällige Unterstützungsmassnahmen individuell anpasst, eine wichtige Hilfe.
Gibt es spezielle Trainingsprogramme für Menschen mit Bewegungseinschränkungen?
Es gibt stationäre oder ambulante Rehabilitationsprogramme oder die Physiotherapie als Domizilbehandlung oder klassisch im Therapieraum. Im weiteren Sinne kann man aber auch Gymnastik für Senioren oder Aquafitness als Trainingsprogramme für Menschen mit gewissen Einschränkungen dazuzählen.
Welche Fehler sollten Anfängerinnen und Anfänger vermeiden, wenn sie gelenkschonend trainieren möchten?
Der grösste Fehler ist wie so oft im Sport, dass man zu schnell zu viel möchte. Das führt zu einer Überbelastung der Körperstrukturen und der Gelenke. Aber auch eine falsche Technik oder fehlendes Aufwärmen kann zu Beschwerden führen. Langfristig kann sehr einseitiges Training (beispielsweise nur Fahrradfahren ohne Ausgleich) zu Problemen führen.
Welche neuen Trends oder Technologien gibt es im Bereich gelenkschonender Bewegung?
Wenn man heutige Sportschuhe und Turnhallenböden oder auch orthopädische Materialien und Techniken mit denen von vor 50 Jahren vergleicht, dann sind wir natürlich schon einiges weiter. Dennoch ist mit der zunehmend älter werdenden Bevölkerung das Problem der Arthrose eher grösser geworden. Es gibt viele Trends zur Unterstützung der Gelenke, sei es mit Geräten, Apps, personifiziertem Training oder neuen Sportarten. Orthesen oder technische Hilfsmittel sind nur bedingt eine Lösung, da die Gelenke durch die Entlastung entsprechend weniger Training erhalten. Daher bleibt der Kern von allem Neuen die Bewegung selber, man muss sie nur regelmässig machen.

Dr. med. Alexander Westphalen
Leitender Arzt Innere Medizin
Leiter Kardiologie
Leiter Sportmedizin