Rheumatoide Arthritis: Welche Personengruppe ist besonders betroffen?

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Rheumatoide Arthritis
Rheumatoide Arthritis
Quelle: Universitätsspital Zürich & TCS MyMed
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Rund ein Prozent der Schweizer Bevölkerung erkrankt an rheumatoider Arthritis. Dabei führen körpereigene Abwehrzellen zu Entzündungen der Gelenkhaut. Der Rheumatologe Raphael Micheroli vom Universitätsspital Zürich (USZ) erklärt, wie die Krankheit behandelt wird.

Raphael Micheroli, was ist rheumatoide Arthritis?
Rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung und betrifft hauptsächlich, und häufig symmetrisch, die Gelenke der Hände und Füsse. Körpereigene Abwehrzellen führen zu Entzündungen von Gelenkhaut, Schleimbeutel und Sehnenscheiden, da das Immunsystem diese Teile fälschlicherweise als fremd und problematisch betrachtet.

Wie kommt unser Abwehrsystem zu diesem Irrtum?
Die Ursache für die Erkrankung ist leider noch immer nicht geklärt. Das Immunsystem, ein äusserst komplexes Konstrukt, entwickelt über mehrere Schritte eine «Fehlprogrammierung ». Die körpereigenen Abwehrzellen lösen im Synovium, der Gelenkhaut, entzündliche Prozesse aus, um die «fremden» Stoffe zu beseitigen. Diese Entzündung führt unbehandelt zur Zerstörung von Knorpeln, Knochen, Sehnen und Bändern.

Und was kann dagegen unternommen werden?
Rheumatoide Arthritis ist leider nicht heilbar. Das Ziel der Behandlung ist, die Patienten medikamentös, aber auch mit anderen konservativen Massnahmen wie Physio- oder Ergotherapie so einzustellen, dass sie weder von der Krankheit Symptome erfahren, noch – und das ist für die Patienten fast noch wichtiger – Nebenwirkungen entstehen. Bei rechtzeitiger Diagnose können wir die Beschwerden mit einer individuell angepassten Therapie lindern und den Betroffenen ein möglichst normales Leben ermöglichen. Die rechtzeitige Diagnose ist dabei entscheidend.

Warum?
Eine frühe Diagnose und Therapie sind mit einem insgesamt besseren Verlauf verbunden.

Welche Personengruppe ist besonders betroffen?
Da spielen verschiedene Faktoren mit. Vor allem langjähriges Rauchen, Paradontitis und erbliche Einflüsse scheinen eine Rolle zu spielen. Auch das Alter hat einen Einfluss, denn der Beginn der Krankheit wird oft zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr festgestellt. Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer.

Gibt es dafür eine Erklärung?
Bei den meisten Autoimmunerkrankungen beobachten wir diese Geschlechtertendenz. Den Grund dafür kennen wir nicht genau, vermuten aber, dass eine Kombination aus hormonellen Faktoren ausschlaggebend ist. Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass Therapien und Medikamente bei Frauen anders wirken als bei Männern. Zu diesem Thema beteiligt sich das USZ an der schweizweiten Forschung.

Bleibt es bei der rheumatoiden Arthritis bei den Gelenkschmerzen?
Zum Glück haben Gelenkverformungen durch die Fortschritte in der Therapie deutlich abgenommen. Die Krankheit kann allerdings weitere Entzündungsherde an anderen Organen herbeiführen, etwa an der Lunge, am Herzbeutel oder an den Gefässen. Ganz allgemein haben Betroffene zudem ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Dagegen hilft die Änderung gewisser Lifestyle-Faktoren, wie gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und nicht zu rauchen. Wir achten auch speziell auf die Einstellung zusätzlicher kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Blutfettwerte, Blutzucker oder Blutdruck. Die Zusammenarbeit mit der Kardiologie ist bei Risikopatienten von zentraler Bedeutung.

Wie sieht eine individuell angepasste Therapie am USZ aus?
Grundpfeiler der Therapie bilden weiterhin Medikamente. Inzwischen gibt es enorm viele verschiedene Medikamente, wobei bisher nicht vorhergesagt werden kann, welches Medikament bei welchem Patienten am besten wirkt. Es gibt neue Ansätze, um die Medikamentenwirkung bereits vor Beginn der Therapie vorherzusagen. Sie liegen in der Analyse des entzündeten Gewebes, des Synoviums. Zu diesem Zweck führte das USZ als erstes Schweizer Spital standardisiert ultraschallgesteuerte synoviale Gelenkbiopsien ein. Dabei wird das Gewebe standardisiert ausgewertet. Diese Methode soll Ansatzpunkte für die Wirksamkeit der Medikation finden. Den Patienten soll damit die mühselige Suche nach dem für sie wirksamsten Medikament erspart bleiben.

Wie wird die Krankheit diagnostiziert?
Zuerst steht immer eine ausführliche Befragung nach den Symptomen an: Wann hat die Patientin Schmerzen? Leidet der Betroffene unter Morgensteifigkeit? Wie lange dauert sie? Gibt es sonstige Begleitsymptome oder Einschränkungen im Alltag? Bei der anschliessenden körperlichen Untersuchung werden alle Gelenke auf Druckschmerz oder Schwellungen überprüft und das Blut auf Entzündungswerte und Autoantikörper untersucht. Nicht selten sehen wir aufgrund der chronischen Entzündung bei rheumatoider Arthritis auch eine leichte Blutarmut.

Was sind die aktuellen Fragestellungen in der Forschung?
Noch immer ist sehr viel über die Krankheit unbekannt. Deshalb ist sie auch noch nicht heilbar. Prävention ist daher eine wichtige Massnahme. In der Schweiz wird zum Beispiel noch viel zu wenig auf die explizite Gefahr durch das Rauchen hingewiesen. Ein weiterer Schritt ist die gezielte, personalisierte Medizin. Mit der synovialen Gelenkbiopsie machen wir Fortschritte, damit Betroffene von Anfang an das passende Medikament erhalten.

Und was ist sonst noch wichtig?
Wichtig ist auch das Zusammenspiel von Grundlagenforschung und Klinik, um translationale Erkenntnisse zur Erkrankung zu gewinnen. Dieser Austausch findet bei uns laufend statt. Nur so werden wir in der Therapie Fortschritte machen und irgendwann eine kurative Lösung finden – auch wenn der Weg dorthin noch lange scheint.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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