Nächtliches Wasserlassen (nächtlicher Harndrang, Nykturie, Nocturie)

Quelle: TCS MyMed

Nykturie bezeichnet das Phänomen, dass man nachts ein- oder mehrmals aufwacht, um Wasser zu lassen. Andere Bezeichnungen dafür sind «nächtliches Wasserlassen», «nächtlicher Harndrang» oder «Nocturie». Viele Betroffene verwenden unterschiedliche Begriffe, was in der ärztlichen Kommunikation berücksichtigt werden sollte.

Definition

Nykturie bedeutet, dass man während der Nacht mindestens einmal durch Harndrang aus dem Schlaf geweckt wird und zur Toilette muss. Entscheidend ist, dass der Harndrang der Grund für das Aufwachen ist – und nicht, dass man wach wird und dann «vorsorglich» zur Toilette geht. Die Häufigkeit von ein- bis zweimal pro Nacht wird häufig noch als normal betrachtet, alles darüber hinaus gilt meist als behandlungsbedürftig.

Nykturie ist abzugrenzen von: 

  • Enuresis nocturna: nächtliches Einnässen ohne Aufwachen (v.a. bei Kindern)
  • Pollakisurie: häufiger Harndrang tagsüber bei kleinen Urinmengen

Steckbrief: 

  • Leitsymptom: Wiederholtes nächtliches Erwachen wegen Harndrang
  • Typisch ab: Mehr als 1–2 Toilettengänge pro Nacht
  • Häufigkeit: Sehr verbreitet, besonders bei älteren Menschen. Studien zeigen, dass bei über 70-Jährigen mehr als 75 % betroffen sind.
  • Alarmzeichen: Plötzlicher Beginn, Schmerzen, Blut im Urin, Fieber, Atemnot oder starker Gewichtsverlust

Symptombild

Nykturie zeigt sich darin, dass der Schlaf durch den Drang zur Blasenentleerung immer wieder unterbrochen wird. Manche Betroffene stehen zwei-, andere mehrmals pro Nacht auf. Die ausgeschiedene Urinmenge kann dabei stark variieren – abhängig von der Ursache. In manchen Fällen wird nachts ungewöhnlich viel Urin ausgeschieden, in anderen nur kleine Mengen, die aber als stark störend empfunden werden.

Beginn und Verlauf: Die Beschwerden können sich schleichend entwickeln (z. B. bei Prostatavergrösserung oder Herzschwäche), aber auch plötzlich auftreten (z. B. bei Harnwegsinfekten oder Medikamentenumstellungen). Bei einigen Personen bleibt die Nykturie konstant, bei anderen schwankt sie – abhängig von Ernährung, Trinkverhalten, Medikamenten oder Infekten.

Folgen für die Lebensqualität: 

  • Gestörter Schlaf, Tagesmüdigkeit und Leistungseinbussen im Alltag
  • Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit, verminderte geistige Klarheit
  • Kopfschmerzen, depressive Verstimmungen oder sozialer Rückzug
  • Erhöhtes Sturzrisiko bei nächtlichen Toilettengängen (v. a. im Alter, bei Sehschwäche oder eingeschränkter Mobilität)

Ursachen – Welche Krankheiten können dahinterstecken?

Nykturie kann viele verschiedene Ursachen haben. Grundsätzlich liegt sie entweder an einer zu hohen Urinproduktion über 24 h (Polyurie), einer vermehrten nächtlichen Urinbildung (nächtliche Polyurie) oder an einer verminderten Blasenkapazität.

Typische Ursachen:

  • Urologische Gründe: z. B. vergrösserte Prostata (BPH), Harnwegsinfekte, überaktive Blase, Blasensenkung bei Frauen, Blasensteine oder Blasentumoren.
  • Herz-Kreislauf-Probleme: Besonders bei Herzschwäche wird nachts vermehrt Flüssigkeit aus dem Gewebe ausgeschwemmt.
  • Hormonelle Störungen: z. B. schlecht eingestellter Diabetes mellitus, selten Diabetes insipidus oder ADH-Mangel. Auch altersbedingte Hormonveränderungen können beteiligt sein.
  • Neurologische Erkrankungen: z. B. Parkinson, Multiple Sklerose, Schlaganfall, Bandscheibenvorfälle – allesamt können die Nervenversorgung der Blase beeinträchtigen.
  • Schlafstörungen / Schlafapnoe: führen durch hormonelle Reaktionen auf Sauerstoffmangel zu einer gesteigerten Urinausscheidung.
  • Medikamente: v. a. Diuretika (harntreibende Mittel), wenn sie spät eingenommen werden, aber auch Antidepressiva, Blutdrucksenker oder Lithium.  
  • Lebensstil: übermässiges Trinken am Abend, Alkohol- und Koffeinkonsum, chronischer Stress oder Schwangerschaft.

Begleitsymptome / Komplikationen

Die Nykturie selbst ist oft nur ein Symptom. Je nach Ursache können weitere Beschwerden auftreten, die wichtige Hinweise liefern:

  • Brennen beim Wasserlassen + häufiger Harndrang: spricht für einen Harnwegsinfekt.
  • Abgeschwächter Harnstrahl + Nachträufeln (Männer): kann auf Prostatavergrösserung hinweisen.
  • Beinödeme + Atemnot: möglicher Hinweis auf Herzschwäche.
  • Starker Durst + viel Urin tagsüber und nachts: typisch bei Diabetes mellitus oder insipidus.
  • Taubheitsgefühle, Gangunsicherheit oder Muskelschwäche: kann auf neurologische Erkrankungen hindeuten.

Direkte Folgen der Nykturie: Durch den gestörten Schlaf leiden viele unter Tagesmüdigkeit, Reizbarkeit und Konzentrationsproblemen. Ältere Menschen sind besonders gefährdet zu stürzen – z. B. beim nächtlichen Gang zur Toilette. Auch Depressionen, sozialer Rückzug und Angst vor dem Einschlafen können sich entwickeln. In schweren Fällen kann Nykturie sogar die Selbstständigkeit einschränken.

Selbsthilfe & Erste-Hilfe-Massnahmen

Trinkverhalten anpassen:

  • Nicht zu viel am Abend trinken – besonders keine harntreibenden Getränke wie Alkohol, Kaffee, Schwarz- oder Grüntee.
  • Trinken über den Tag verteilen, abends reduzieren, aber nicht vollständig weglassen (Achtung: Dehydration!).

Bewegung & Ernährung:  

  • Salzarm essen und Übergewicht vermeiden, da beides Wassereinlagerungen fördert.
  • Regelmässige Bewegung (z. B. Spaziergänge) unterstützt die Durchblutung und hilft, Flüssigkeit tagsüber auszuscheiden.

Blasentraining:

  • Nicht «vorsorglich» auf die Toilette gehen – das trainiert die Blase auf kleine Mengen.
  • Ein Miktionstagebuch (Trink-/Toilettenprotokoll) kann helfen, Muster zu erkennen und den Arztbesuch gezielter vorzubereiten.

Beckenbodentraining:

  • Stärkt die Kontrolle über die Blase – hilfreich bei Männern und Frauen, insbesondere nach Schwangerschaft, Operationen oder bei Inkontinenz.

Beine hochlagern (bei Wassereinlagerungen):

  • Tagsüber regelmässig die Beine hochlegen (z. B. auf dem Sofa), damit überschüssige Flüssigkeit nicht erst nachts ausgeschwemmt wird.

Stress reduzieren:

  • Entspannungstechniken wie Meditation, Atemübungen, progressive Muskelentspannung oder Yoga helfen, die Blasenmuskulatur zu beruhigen.

Achtung bei Notfällen:

  • Bei starkem Harndrang ohne Entleerung (Harnverhalt), plötzlicher Atemnot, hohem Fieber oder Blut im Urin: Sofort ärztliche Hilfe aufsuchen!
     

Notfall-/Alarmzeichen

Nykturie ist in den meisten Fällen harmlos, kann jedoch auch ein Hinweis auf schwerwiegendere Erkrankungen sein. Es gibt bestimmte Warnzeichen, bei deren Auftreten du sofort medizinische Hilfe in Anspruch nehmen solltest:

  • Plötzlicher, starker Harndrang ohne Wasserlassen können (Hinweis auf akuten Harnverhalt, medizinischer Notfall)
  • Blut im Urin (möglicher Hinweis auf Blasentumoren, Infekte oder Verletzungen)
  • Fieber, Schüttelfrost, Rückenschmerzen (verdächtig auf Nierenbeckenentzündung oder komplizierten Harnwegsinfekt)
  • Nächtliche Atemnot, besonders im Liegen (möglicher Hinweis auf Herzschwäche oder Lungenstauung)
  • Starkes nächtliches Schwitzen in Kombination mit Gewichtsverlust (sollte hinsichtlich Tumorerkrankungen oder Infektionen abgeklärt werden)
  • Schmerzen im Unterbauch oder Rücken (können auf Harnabflussstörungen, Steine oder entzündliche Prozesse hinweisen)

Diese Symptome sind ernst zu nehmen, insbesondere bei älteren oder vorerkrankten Personen. In solchen Fällen empfiehlt sich ein sofortiger Besuch in der Notaufnahme oder beim ärztlichen Bereitschaftsdienst.

Wann zum Arzt und welcher Arzt ist zuständig?

Wann sollte man zum Arzt?

Nicht jeder nächtliche Toilettengang ist krankhaft – doch bestimmte Anzeichen sollten dich zu einem Arztbesuch motivieren:

  • Wenn du regelmässig mehr als zwei Mal pro Nacht urinieren musst und dich das im Alltag belastet
  • Wenn die Beschwerden neu auftreten oder sich verschlimmern
  • Wenn du zusätzliche Beschwerden hast: Schmerzen, Brennen, Inkontinenz, starke Müdigkeit, Schwellungen
  • Wenn Selbsthilfemassnahmen keine Besserung bringen
  • Wenn du unsicher bist, ob es sich um eine altersbedingte Veränderung oder eine behandelbare Störung handelt

Wer ist zuständig?

Je nach vermuteter Ursache sind unterschiedliche Fachärzte involviert:

  • Hausarzt / Allgemeinmediziner: erster Ansprechpartner, führt Basisdiagnostik durch, koordiniert weitere Schritte
  • Urologe: bei Verdacht auf Prostatavergrösserung, Blasenfunktionsstörung, Harnwegsinfekte oder Steine
  • Gynäkologe: bei Frauen mit Verdacht auf Senkungsbeschwerden, hormonellen Veränderungen oder Inkontinenz
  • Kardiologe: bei nächtlicher Atemnot, Wassereinlagerungen, Verdacht auf Herzinsuffizienz
  • Endokrinologe / Diabetologe: bei Diabetes oder Hormonstörungen
  • Nephrologe: bei Nierenfunktionsstörungen
  • Neurologe: bei Hinweisen auf Parkinson, MS oder anderen neurologischen Erkrankungen
  • Schlafmediziner: bei Verdacht auf schlafbezogene Atmungsstörungen (z. B. Schlafapnoe)

Ein interdisziplinärer Ansatz ist oft sinnvoll, da die Ursachen vielfältig und miteinander verknüpft sein können.

Abklärung beim Arzt (Diagnostik)

Die ärztliche Diagnostik beginnt mit einem ausführlichen Gespräch (Anamnese), in dem folgende Punkte geklärt werden:

  • Häufigkeit und Beginn der nächtlichen Toilettengänge
  • Trinkverhalten (Menge, Uhrzeit, Art der Getränke)
  • Begleitsymptome (z. B. Schmerzen, Schwellungen, Inkontinenz)
  • Vorerkrankungen, Medikamente, Lebensumstände
  • Auswirkungen auf Schlaf, Alltag und Lebensqualität
  • Miktionstagebuch: Sehr hilfreich ist es, über drei bis fünf Tage ein Protokoll zu führen: Wann wurde wie viel getrunken? Wie oft und wie viel wurde uriniert – tagsüber und nachts?
  • Untersuchungen (je nach Verdacht):
    • Urinanalyse: auf Entzündungszeichen, Blut, Eiweiss, Glukose, Bakterien
    • Blutuntersuchung: z. B. Nierenwerte, Blutzucker, Elektrolyte, Entzündungsparameter
    • Ultraschall: Beurteilung von Blase, Nieren, ggf. Prostata
    • Restharnmessung: zeigt, ob die Blase sich vollständig entleert
    • Hormonanalysen: z. B. ADH-Spiegel, bei Verdacht auf endokrine Ursachen
    • Blasenspiegelung: in besonderen Fällen zur Abklärung struktureller Ursachen
    • Schlafdiagnostik: z. B. bei Verdacht auf Schlafapnoe

Diese umfassende Abklärung hilft, die passende Therapie zu wählen.

Ärztliche Behandlung / Therapieoptionen

Die Therapie der Nykturie richtet sich nach der jeweiligen Ursache. Oft ist eine Kombination aus Lebensstilveränderungen, medikamentöser Therapie und ggf. physikalischer oder operativer Behandlung notwendig.

Allgemeine Massnahmen

  • Trinkmenge anpassen (tagsüber ausreichend, abends reduziert)
  • Abends salz- und eiweissarm essen
  • Regelmässige körperliche Bewegung, insbesondere zur Entlastung des venösen Systems
  • Stressbewältigung, Schlafhygiene, ggf. psychologische Unterstützung

Medikamentöse Behandlung

  • Bei überaktiver Blase: Anticholinergika oder Mirabegron
  • Bei Prostatavergrösserung: Alphablocker, ggf. 5-Alpha-Reduktase-Hemmer
  • Bei nächtlicher Polyurie: Desmopressin – Vorsicht bei älteren Menschen (Risiko für Hyponatriämie!)
  • Bei Harnwegsinfekten: gezielte Antibiotikatherapie
  • Bei hormonellen Ursachen: z. B. lokale Östrogentherapie bei postmenopausalen Frauen

Weitere Verfahren

  • Botox-Injektionen: bei therapieresistenter überaktiver Blase
  • Blasenschrittmacher: bei neurologisch bedingter Entleerungsstörung
  • Operative Verfahren: bei strukturellen Problemen, z. B. Prostataoperation, Harnröhrenkorrektur

In vielen Fällen ist keine «Heilung» möglich, aber eine deutliche Verbesserung der Beschwerden.

Verlauf & Prognose

Die Prognose hängt stark von der zugrunde liegenden Ursache ab.

Günstige Verläufe:

  • Nykturie infolge harmloser Ursachen (z. B. zu spätes Trinken, leichte Blasenreizung) kann durch einfache Massnahmen deutlich verbessert oder beseitigt werden.

Chronische Verläufe:

  • Bei chronischen Erkrankungen (z. B. Prostatavergrösserung, Herzinsuffizienz, Diabetes) ist meist eine dauerhafte Therapie nötig.
  • Eine gut abgestimmte Behandlung kann die Symptome in der Regel erheblich lindern und die Lebensqualität deutlich steigern.

Komplikationen:

  • Dauerhafte Schlafstörungen
  • Erhöhte Sturzgefahr in der Nacht
  • Erschöpfung, depressive Verstimmung, soziale Isolation
  • Verlust an Selbstständigkeit im Alter

Regelmässige ärztliche Kontrolle und Anpassung der Therapie helfen, Rückfälle und Komplikationen zu vermeiden.

Vorbeugung / Prävention

Nykturie lässt sich nicht immer vollständig verhindern, aber das Risiko lässt sich deutlich verringern, wenn man einige Grundregeln beachtet:

Tagesstruktur:

  • Trinken vor allem bis zum späten Nachmittag, abends nur noch kleine Mengen
  • Auf Alkohol, Koffein und sehr salzige Speisen am Abend verzichten
  • Letzte Mahlzeit möglichst 3–4 Stunden vor dem Schlafengehen

Körperliche Massnahmen:

  • Tägliche Bewegung (z. B. Spaziergänge, Venengymnastik)
  • Beine tagsüber gelegentlich hochlagern, um Wassereinlagerungen zu reduzieren
  • Gewicht normalisieren, ggf. Diätberatung in Anspruch nehmen

Schlafhygiene:

  • Regelmässige Schlafenszeiten, ruhige Umgebung
  • Kein Bildschirmlicht oder grosse Flüssigkeitsmengen kurz vor dem Zubettgehen
  • Entspannungsrituale nutzen: Musik, Lesen, Entspannungstechniken

Medizinisch:

  • Bestehende Erkrankungen (Diabetes, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck) gut einstellen
  • Medikamente kritisch prüfen (v. a. Diuretika am Abend vermeiden)
  • Regelmässige Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen

Wer frühzeitig auf Veränderungen achtet und auf seinen Körper hört, kann viele Beschwerden durch vorbeugendes Verhalten vermeiden oder zumindest abmildern.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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