Herr Dr. Alfredo Schilling, leitender Anästhesist der Abteilung für Anästhesie im Spital von St Croix RSBJ, spricht mit uns über Herzerkrankungen und verschiedene Warnzeichen.
Herr Dr. Schilling, bitte erklären Sie uns, wie das Herz funktioniert.
Die Hauptfunktion des Herzens besteht darin, die Blutzirkulation im gesamten Organismus sicherzustellen. Das Herzminutenvolumen, also die Menge an Blut, die innerhalb einer Minute durch das Herz fliesst, liegt bei Erwachsenen bei um die 5 Liter. Wie jedes Organ verfügt auch das Herz über eigene Gefässe mit einem arteriellen und venösen Kreislauf und einer spezifischen Innervation. Zwei Koronararterien verzweigen sich und versorgen jeweils einen bestimmten Teil des Herzmuskels mit sauerstoffreichem Blut. Das Herz hat ein eigenes Nervensystem in der Scheidewand, die die rechte und linke Herzhälfte voneinander trennt, man nennt es das HIS-Bündel.
Welche Krankheiten drohen dem Herzen am häufigsten?
Die koronare Herzkrankheit ist eine häufige und schwere Erkrankung, die für einen Herzinfarkt, eine Herzinsuffizienz und den Tod verantwortlich sein kann. Ein mögliches Symptom stellt die Angina Pectoris (Brustenge) dar. Durch die Verengung der Herzarterien verringert sich die Blutversorgung, die für die Herzfunktion nötig ist.
Gibt es noch weitere?
Ja, auch andere Erkrankungen können sich auf die korrekte Herzfunktion auswirken, etwa als Rhythmusstörungen, Entzündungen oder auch eine Herzinsuffizienz (verminderte Herzmuskelkraft).
Was ist ein Herzinfarkt?
Beim Infarkt handelt es sich um eine teilweise Nekrose des Herzmuskels aufgrund einer andauernden Unterversorgung mit sauerstoffreichem Blut.
Welche Symptome zeigen sich bei einem Herzinfarkt?
Im Allgemeinen handelt es sich um sehr starke Schmerzen in der Brustkorbmitte (hinter dem Brustbein), die zu einem beängstigenden Druckgefühl, zu Beklemmungen führen, die sich entweder in Wellen entwickeln oder sofort sehr extrem sind.
Handelt es sich um kurzzeitige Schmerzen?
Nein, sie halten länger an (mindestens 20 Minuten) und können in Richtung Hals, Kiefer, Schultern, Arme und manchmal bis zu den Handgelenken ausstrahlen. Dabei kann es zu starker Müdigkeit, Schwitzen, Blässe, Atemnot, Herzflattern, Unwohlsein, einem Todesgefühl oder Verdauungsbeschwerden (Übelkeit und Erbrechen) kommen. Manchmal treten in den ersten Minuten Komplikationen mit Bewusstseinsverlust auf, die zu einem Herz- und Atemstillstand führen können: Der Tod tritt ein.
Kann man die Risiken für einen Herzinfarkt verringern?
Es gibt drei Risikofaktoren, die man nicht beeinflussen kann: Geschlecht, Alter und Vererbung (familiäre Vorgeschichte mit Infarkten oder vaskulären Problemen).
Also sind Männer und Frauen beim Herzinfarkt nicht «gleich»?
Die Zahl der von Angina Pectoris betroffenen Personen steigt mit höherem Alter, sodass Schätzungen zufolge etwa 13 Prozent der Männer zwischen 65 und 84 Jahren an Angina Pectoris leiden. Frauen sind im Durchschnitt zehn Jahre älter, wenn sie einen Herzinfarkt erleiden.
Wenn einige Faktoren nicht beeinflusst werden können, bedeutet das doch, dass wir andere kontrollieren können …
Neun weitere Risikofaktoren sind tatsächlich direkt von unserem Verhalten und Lebensstil abhängig. Sie können und müssen verbessert werden: Eine Ernährung, die reich an gesättigten Fettsäuren ist, Tabakkonsum, ein erhöhter Cholesterinspiegel, arterieller Bluthochdruck, Diabetes, Bewegungsarmut, abdominale Adipositas und psychosoziale Probleme (darunter Stress und Depressionen). Diese Faktoren treten häufig in Kombination auf und verstärken gegenseitig ihre Auswirkungen.
Erzählen Sie uns von weiteren Leiden, die das Herz bedrohen. Was hat es mit Herzklappenfehlern auf sich?
Der Blutstrom im Inneren des Herzens fliesst gleichmässig und lautlos in nur eine Richtung, da es Herzklappen gibt. Sie fungieren als Ventile, öffnen und schliessen sich abhängig vom Druck in den Kammern abwechselnd und verhindern so einen Blutrückfluss. Verschiedene Erkrankungen können ihre Funktion beeinträchtigen. Je nach Schwere kann ein Herzklappenfehler eine Behandlung erfordern, die von einer einfachen regelmässigen kardiologischen Überwachung bis zum korrigierenden Eingriff oder dem Ersatz reichen kann.
Was versteht man unter einer infektiösen Endokarditis?
Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die von einer Infektion der Herzinnenhaut, der inneren Hülle des Herzens, mit bakteriellen Mikro-Organismen verursacht wird. Durch den Einsatz von Antibiotika und Herzchirurgie (1/3 der Fälle) gibt es für dieses ehemals tödliche Leiden nunmehr eine exzellente Prognose – in 80 Prozent der Fälle wird eine Heilung erzielt.
Wie sieht es mit Rhythmusstörungen aus? Ein zu hoher Puls ...
Ein gesundes Herz schlägt zwischen 60 und 80 Mal pro Minute, und das regelmässig. Wenn es mit über 100 Schlägen pro Minute schlägt, spricht man von einer Tachykardie.
Davon gibt es unterschiedliche Typen ...
Bei Vorhof-Tachykardien beobachtet man extrem schnelle aber regelmässige und gleichmässige Kontraktionen. In den Vorhöfen liegen sie bei einer Grössenordnung von zwei- bis dreihundert pro Minute, werden aber nur zu einem Drittel oder der Hälfte an die Herzkammern weitergegeben. Eine ventrikuläre Tachykardie ist häufig, aber nicht ausschliesslich, mit dem Vorliegen einer Fibrose verbunden, die oft als Folge eines Infarktes auftritt, wenn dieser eine Narbe im Herzmuskel hinterlassen hat.
Und wenn das Herz zu langsam schlägt ...
Mit Ausnahme des «Sportlerherzens», bei dem dieses Phänomen natürlich ist, spricht man von einer Bradykardie, wenn weniger als 50 Schläge pro Minute gemessen werden. Das kann die ausreichende Durchblutung des Gehirns verhindern und zu Müdigkeit, Atemnot, Schwindelgefühlen und, in manchen Fällen, plötzlichem Bewusstseinsverlust führen.
Wenn das Herz unregelmässig schlägt …
Bei einem unregelmässigen Herzschlag spricht man von Arrhythmien. Die häufigste Form der Arrhythmie ist das Vorhofflimmern, das sich durch einen unregelmässigen Rhythmus auszeichnet, der manchmal zu schnell ist und von mehreren simultanen Kreisläufen oder Bereichen mit einer anormalen elektrischen Erregung verursacht wird.
Was gibt es noch?
Daneben gibt es die Extrasystolen, das sind zusätzliche Herzschläge, die sich beim Zusammenziehen des Herzens (der Systole) zwischen die normalen Schläge schieben.
Und das berüchtigte «Herzflattern»?
Der Begriff «Herzflattern» bezieht sich auf von Patienten benannte Symptome, wenn diese ihre Wahrnehmung eines ungewöhnlichen Herzrhythmus beschreiben: zu schnell, unregelmässig, vereinzelt oder in sekunden-, minuten- oder stundenlangen Anfällen.
Welche möglichen Therapien gibt es für Herzrhythmusstörungen?
Die Ursache von Herzrhythmusstörungen liegt in einer elektrischen Funktionsstörung einer der Herzkammern oder ihrer Übergänge. Man kann sie mit Medikamenten, einem elektrischen Schock von aussen, der Verödung des verantwortlichen Bereichs im Vorhof oder der Implantierung eines bestimmten Gerätes behandeln: ein Defibrillator oder Herzschrittmacher (Pacemaker).
Was versteht man unter einer Herzinsuffizienz?
Wenn die Pumpkraft des Herzens kein ausreichendes Herzminutenvolumen mehr sicherstellen kann, das den Bedarf des Organismus deckt, spricht man von einer Herzinsuffizienz.
Welche Symptome gibt es?
Das wichtigste spürbare Symptom einer Herzinsuffizienz ist die Atemnot. Zunächst einfache Atembeschwerden, dann richtige Atemnot bei Anstrengung, die sich verschlimmern und sogar im Ruhezustand auftreten kann. Ein Hinweis auf eine deutliche Verschlimmerung ist es, wenn man im Liegen mehr nach Atem ringt als im Sitzen. Bei diesem Warnzeichen liegt ein Notfall vor, der untersucht werden muss.
Was ist mit Müdigkeit?
Bei Müdigkeit handelt es sich um das zweite Symptom der Herzinsuffizienz, wenn sie sogar nach geringer Anstrengung auftritt. Verursacht wird sie durch die mangelnde Durchblutung der Muskeln, die nicht ausreichend mit Energie versorgt werden (Zucker und Sauerstoff).
Gibt es noch weitere?
Die Schwellung bestimmter Körperteile (Leber, Halsvenen, Beine) in Form von Ödemen ist das dritte Alarmzeichen. Schliesslich stellt eine deutliche und schnelle Gewichtszunahme von etwa einem Kilogramm pro Tag ein besonders alarmierendes Zeichen dar, das auf einen Schub der Herzinsuffizienz hinweist.
Worin liegen die Ursachen einer Herzinsuffizienz?
Sie ist das Ergebnis von Herzschäden, bei denen man zwischen Kardiomyopathien (etwa nach einem unbehandelten Bluthochdruck oder einem Infarkt), Lungenerkrankungen, welche die Herzfunktion beeinträchtigen können, und schliesslich Erkrankungen der Herzklappen unterscheidet.
Wie reagiert man richtig auf ein Herzversagen?
Rufen Sie die 144 an, wenn es sich um Bauchschmerzen mit oder ohne Ausstrahlen in den Kiefer, den Hals, die oberen Gliedmassen, mit plötzlicher oder allmählicher Atemnot, Unwohlsein, Bewusstseinsverlust, Schwäche oder anderen Symptomen handelt.
Wir haben diese Frage weiter oben bereits angeschnitten, doch wie kann man Herzproblemen vorbeugen?
Indem man eine gute Lebenshygiene praktiziert: Verzicht auf Tabak, ausgewogene Ernährung, falls nötig Gewichtsabnahme und regelmässige Bewegung, um die Ausdauer zu verbessern.