Dr. Felix Nohl, Facharzt FMH für Allgemeine Innere Medizin, Stv. Chefarzt und Ärztlicher Leiter der Notfallstationen im Spital Emmental in Burgdorf und Langnau, erklärt, wie auch Sie den Nationalfeiertag geniessen können.
Herr Nohl, Feuerwerk gehört seit Jahren zu einem gelungenen Nationalfeiertag dazu. Was sollte man beachten, damit niemand verletzt wird?
Jedes Jahr verletzen sich pro Jahr etwas mehr als 100 Menschen so schwer durch ein Feuerwerk am 1. August, dass sie ärztliche Hilfe benötigen – Unfälle mit Kindern und Jugendlichen nicht eingerechnet. Die Hauptursachen für diese Unfälle sind unachtsames und fahrlässiges Verhalten – es gilt also, einige allgemeine Vorsichtsmassnahmen einzuhalten, um das Feuerwerk gefahrlos geniessen zu können.
Welche Sicherheitsmassnahmen sind das?
Dazu gehören unter anderem, dass ein Sicherheitsabstand zu Menschen und Gebäuden eingehalten wird, dass Feuerwerkskörper beim Anzünden nicht in der Hand gehalten, sondern auf einem stabilen Untergrund platziert oder aus gut gesicherten Flaschen und Rohren abgefeuert werden. Wichtig ist auch, Feuerwerkskörper im Fachhandel zu kaufen, sich allenfalls über das sachgerechte Abfeuern instruieren zu lassen oder die Gebrauchsanweisung zu lesen und vor allem keine Eigenkreationen zu basteln. Feuerwerksartikel sollten zudem kühl und trocken gelagert werden, und sie gehören nicht in Kinderhände.
Die Zündschnur ist abgebrannt, aber die Rakete noch am Boden. Wie verhält man sich in einer solchen Situation richtig?
Bei solchen Blindgängern sollte man zehn Minuten warten und sich erst dann nähern. Denn allenfalls explodiert das Produkt kurze Zeit später doch noch, wenn man es in die Hand nimmt. Nicht abgebrannte Feuerwerkskörper werden am besten mit Wasser abgelöscht, bevor sie entsorgt werden. Denn bleiben sie liegen, bringt man allenfalls andere Menschen unnötig in Gefahr, vor allem spielende Kinder, die mit dem Fund experimentieren. Raketen, die nicht explodiert sind, dürfen nicht erneut angezündet werden.
Was kann passieren, wenn man sich dem Feuerwerkskörper nähert oder ihn in die Hand nimmt und er doch noch hochgeht, allenfalls sogar explodiert?
So eindrucksvoll Feuerwerkskörper sind, so gefährlich können sie sein. Bereits die Zündtemperatur einer Wunderkerze erreicht über 400 Grad Celsius. Manche Produkte entwickeln zudem eine grosse Sprengwirkung. Explodieren Böller zu früh oder werden Feuerwerkskörper zu lange in der Hand gehalten, kann es zu unterschiedlichen Verletzungen kommen, die sowohl durch die Hitze als auch durch die Druckkraft verursacht werden.
Welches sind die häufigsten Verletzungen durch Feuerwerk?
Die häufigsten durch Knallkörper hervorgerufenen Verletzungen betreffen die Hände; möglich sind einfache oder schwere Verbrennungen, Gewebeschäden, Verletzungen des Handgelenks, gebrochene oder abgerissene Finger oder gar ganze Hände. Durch die umherfliegenden Glassplitter kann es zudem zu Verletzungen im Augenbereich kommen, die im schlimmsten Fall zum Verlust des Augenlichtes führen können. Auch Gehörschädigungen gehören zu den häufigen Verletzungen durch Feuerwerk.
Umso lauter, umso besser. Wie gefährlich sind laute Knaller für unsere Ohren?
Neben Verbrennungen gehören zeitweilige Hörverluste zu den meisten durch Knaller hervorgerufenen Verletzungen. Im Fall von Knallkörpern kann der Lärmpegel kurzfristig bei über 150 Dezibel liegen – das ist etwa ebenso viel wie ein Luftgewehrschuss in der Nähe des Ohrs. Fürs Gehör kann dieser Geräuschpegel schädlich sein, vor allem wenn der auf der Verpackung angegebene minimale Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird oder wenn jemand Feuerwerkskörper in die Nähe von anderen Menschen wirft. Die Folgen dieses sogenannten Knalltraumas können Hörverlust, ein dumpfes Gefühl auf dem Ohr oder ein vorübergehendes oder bleibendes Ohrgeräusch (Tinnitus) sein. Bestehen diese Symptome während längerer Zeit, ist ein Arztbesuch ratsam, damit man keinen bleibenden Gehörverlust davonträgt.
Kann es zu weiteren Schäden im Ohr kommen?
Einige wenige der Betroffenen haben nicht nur einen durch ein Knalltrauma verursachten Innenohrschaden, sondern zusätzlich auch noch Risse im Trommelfell bzw. Verletzungen im Bereich der Gehörknöchelchen. Dies kann unter Umständen zu einer lebenslangen Behinderung führen. Ohrstöpsel während des Feuerwerks schützen die Ohren.
Wie schädlich ist die Feinstaubbelastung beim Feuerwerk für unsere Lunge?
Die 1700 Tonnen Feuerwerkskörper, die jährlich in der Schweiz abgebrannt werden, verursachen zwar rund 300 Tonnen Feinstaub, also zwei Prozent des gemessenen Feinstaubs. Für gesunde Personen ist der Feinstaub des Feuerwerks aber nicht problematisch. Anders sieht das bei Menschen mit chronischen Atemwegs- oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus: Bei ihnen kann es unmittelbar nach einem Feuerwerk zu (zusätzlichen) Beeinträchtigungen der Lungenfunktion oder zu akuten Beschwerden kommen. Menschen mit solchen Erkrankungen sollten also die direkte Begegnung mit Feuerwerksrauch vermeiden und lieber aus der Ferne zuschauen.
Nicht selten trifft man am 1. August auf grosse Feuer, um die sich zahlreiche Menschen versammeln. Einmal nicht aufgepasst und das Kleinkind verbrennt sich an der brennenden Pracht. Wie versorgt man Brandwunden richtig?
Brandverletzungen sollten sofort während mindestens 15 Minuten unter fliessendem Kaltwasser (15 bis 20 Grad) gekühlt werden. Eiskaltes Wasser oder Eiswürfel sind ungünstig, da sie zu einem Kälteschaden der Haut führen können. Wenn die Haut nur gerötet ist und sich keine Blasen bildet, ist ein Verband nicht nötig, stattdessen kann die Verletzung an der Luft geheilt werden. Tiefe oder grössere Brandwunden sollte man nicht selbst behandeln, sondern mit einem sterilen Verbandvlies abdecken und einem Arzt oder einer Ärztin zeigen, dazu ist meistens eine Beurteilung auf einer Notfallstation sinnvoll. Bei grossen verbrannten Hautflächen muss der Rettungsdienst gerufen werden.
Können Sie weitere Tipps geben, damit der Feiertag zu einem fröhlichen Fest wird und nicht in der Notaufnahme endet?
Wenn sämtliche, oben genannte Hinweise und Verhaltensmassnahmen befolgt werden, steht einem unbekümmerten und frohen Fest nichts im Weg. Es ist im Umgang mit Feuerwerkskörper zudem wichtig, immer einen klaren Kopf zu behalten und sein Handeln jederzeit zu reflektieren. Sicher sollte der Alkohol nicht im Übermass fliessen und zu unüberlegten Handlungen Anlass geben.