Wenn der Magen streikt: Ursachen und Lösungen für Magenschleimhautentzündungen

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Magenschleimhautentzündungen
Magenschleimhautentzündungen
Quelle: TCS MyMed
Dr. med. Dr. phil. Henrik Horvath

Im Interview mit Dr. med. Dr. phil. Henrik Horvath, Leitender Arzt der Gastroenterologie am Spital Emmental, werden die verschiedenen Formen der Gastritis beleuchtet – von akuten Auslösern wie Stress und Infektionen bis hin zu chronischen Entzündungen. Er erklärt, wie Patientinnen und Patienten die Erkrankung frühzeitig erkennen, behandeln und mit einem gesunden Lebensstil vorbeugen können.

Herr Horvath, was ist eine Magenschleimhautentzündung (Gastritis) und wie entsteht sie?
Eine Gastritis ist eine Entzündung der Magenschleimhaut. Sie entsteht, wenn der Schutzmantel der Magenwand beschädigt ist. Die Schleimhaut des Magens ist normalerweise eine robuste Barriere und schützt die Magenwand davor, von der aggressiven salzsäurehaltigen Magensäure selbst verdaut zu werden. Verschiedene Faktoren können jedoch die Schleimschicht schädigen. In diesem Fall funktioniert die Barriere nicht einwandfrei und die Säure kann bis zur darunter liegenden Magenwand vordringen und eine weitere Schädigung verursachen.

Welche Ursachen können zu einer akuten Gastritis führen?
Zu den häufigsten Ursachen einer akuten Gastritis gehören Infektionen, welche durch Bakterien, Viren oder andere Mikroorganismen sowie durch Lebensmittelvergiftungen entstehen. Die Einnahme von Medikamenten, vor allem von sogenannten nichtsteroidalen Schmerzmitteln wie Aspirin, Diclofenac, Ibuprofen, aber auch Zytostatika zur Behandlung von bösartigen Erkrankungen oder Bisphosphonate zur Therapie von Osteoporose, können zur akuten Gastritis führen. Übermässiger Alkoholkonsum und körperliche Belastungen wie Kreislaufschock, Verbrennungen, Schädel-Hirn-Trauma oder extreme physische Belastungen beim Sport sind weitere mögliche Auslöser von akuten Magenschleimhautentzündungen.

Welche Rolle spielt das Bakterium Helicobacter pylori bei der Entstehung von Gastritis?
Helicobacter-pylori-Organismen verursachen chronische Entzündungen der Schleimhaut im Magen und im Zwölffingerdarm. Sie können sich in der obersten Zellschicht der Magenschleimhaut einnisten und mithilfe eines speziellen Enzyms die Magensäure in seiner direkten Umgebung neutralisieren. So kann das Bakterium ohne Behandlung dauerhaft im Magen überleben, sich vermehren und den natürlichen Regulierungsprozess der Magensäureherstellung beeinflussen.

Welche Symptome sind typisch für eine Magenschleimhautentzündung?
Die Magenschleimhautentzündung kann verschiedene Symptome verursachen. Typisch sind Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Erbrechen, welche vor allem nach der Nahrungsaufnahme auftreten oder sich verstärken, jedoch können auch Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Blähungen und Aufstossen mit unangenehmem Geschmack im Mund vorkommen. Es ist wichtig zu bemerken, dass diese Beschwerden nicht spezifisch für Magenschleimhautentzündung sind, sie können auch bei anderen Erkrankungen des Verdauungstraktes wie Geschwüren, Refluxkrankheit oder auch Magenkrebs auftreten.  

Nicht jedes Unwohlsein in der Magengegend deutet gleich auf eine Gastritis hin. Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Arztbesuch?
Bei Beschwerden im Oberbauch, die häufig wiederkehren oder länger als drei bis vier Wochen anhalten, sollte man eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen. Ein sofortiger medizinischer Handlungsbedarf besteht, wenn die Patientin oder der Patient Blut erbricht und Blut im Stuhl in Form von Teerstuhl bemerkt. In diesen Fällen sollte man sich dringend ärztlich behandeln lassen.

Welche Unterschiede gibt es zwischen akuter und chronischer Gastritis?
Man spricht von akuter Gastritis, wenn die Beschwerden plötzlich auftreten und innert Tagen oder Wochen verschwinden. Im Gegensatz dazu verursacht eine chronische Gastritis bei den meisten Betroffenen lange Zeit leichte oder gar keine Symptome und verläuft schleichend. Somit bleibt die Erkrankung oft lange unentdeckt. Bei fortschreitender Erkrankung kommt es aber nach einiger Zeit zu den bereits erwähnten Beschwerden im Oberbauch.

Welche diagnostischen Methoden werden verwendet, um eine Gastritis zu bestätigen?
Eine Gastritis kann am besten mit einer Magenspieglung diagnostiziert werden. Vor der endoskopischen Untersuchung wird der Patient im Rahmen eines Abklärungsgesprächs mit der Ärztin zuerst über folgende Dinge befragt:

  • Art der Beschwerden
  • vorhandene Vorerkrankungen
  • Einnahme von Medikamenten
  • Essgewohnheiten 
  • Alkohol- und Nikotinkonsum

Mit einer körperlichen Untersuchung klärt die Ärztin bzw. der Arzt ab, ob schmerzhafte Stellen im Oberbauch als Hinweis für eine Gastritis bestehen. Als Ergänzung kann auch eine Ultraschalluntersuchung zum Ausschluss anderer Krankheiten im Oberbauch durchgeführt werden. Bei bestehendem Verdacht auf Gastritis wird die Magenspiegelung durchgeführt, wobei auch Gewebeproben für die histologische Untersuchung und somit zur besseren Charakterisierung der Entzündung entnommen werden können.

Wie wird eine Helicobacter-pylori-Infektion diagnostiziert?
Es stehen mehrere Methoden zum Nachweis von Helicobacter-pylori-Organismen zur Verfügung. Zu den nicht-invasiven Methoden zählen der Stuhltest und der 13C-Harnstoff-Atemtest. Des Weiteren können die Bakterien auch aus der endoskopisch gewonnenen Gewebeprobe aus dem Magen direkt nachgewiesen werden.

Und wie läuft die Behandlung ab?
Wurden Helicobacter-pylori-Organismen nachgewiesen, erfolgt die Eradikationstherapie mit einer Kombination aus einem hochdosierten Magenschoner und Antibiotika. Die Ärztin oder der Arzt entscheidet, welche Kombination für die einzelnen Patientinnen und Patienten die beste Wahl ist. Der Therapieerfolg soll nach der durchgeführten Eradikation der hartnäckigen Bakterien mittels Stuhltest oder mit dem Atemtest kontrolliert werden.

Welche medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Gastritis?
Im Mittelpunkt der medikamentösen Therapie von Gastritis steht die Wiederherstellung der normalen Barrierefunktion der Schleimhaut. Dazu werden rezeptpflichtige Magenschoner, sog. Protonpumpen-Hemmer wie Pantoprazol, Lansoprazol, Esomeprazol und Rabeprazol eingesetzt. Sie haben eine potente und langanhaltende Wirkung gegen die Säureproduktion des Magens und tragen somit zur Regeneration der Schleimhaut bei.

Was hilft bei leichten Symptomen?
Bei leichten Beschwerden können sog. Antazida zum Abklingen der Symptome verabreicht werden, welche auch rezeptfrei erhältlich sind. Sie blockieren die Säureproduktion nicht, können aber mit der Neutralisierung der Magensäure einen positiven Effekt auf die Heilung der Schleimhaut haben. Besteht eine Motilitätsstörung infolge der Entzündung, können Medikamente zur Anregung der natürlichen Magenbewegungen, sog. Prokinetika wie Metoclopramid und Domperidon, eingesetzt werden. Bei Bedarf können auch krampflösende, schmerzlindernde Medikamente sowie Mittel gegen Brechreiz verabreicht werden.

Was sollten die Betroffenen während der Behandlung zusätzlich beachten?
Zur effektiven Gastritisbehandlung ist es unentbehrlich, mögliche Auslöser zu vermeiden. Patientinnen und Patienten sollen auf den Konsum von magenreizenden Stoffen inkl. Alkohol, Nikotin und Kaffee verzichten und vor allem nichtsteroidale Antirheumatika baldmöglichst absetzen. Bei vielen Betroffenen reicht es in der Regel, ein paar Tage lang nüchtern zu bleiben und nur schonende Kost wie Tee und Zwieback zu verzehren. Wichtig ist es, anstelle weniger grosser Mahlzeiten eher mehrere kleine, leichte, gut gekaute Mahlzeiten zu sich zu nehmen.

Welche Rolle spielt Stress bei der Entstehung und Verschlimmerung?
Zu viel Stress, starke körperliche oder psychische Belastungen können zu verschiedenen Magenbeschwerden, unter anderen zu Magenschleimhautentzündung, führen. Neben dem sogenannten «organischen» Stress, welcher bei schwer Erkrankten mit Infektionen oder Tumorerkrankungen oder bei Unfallopfern, bei Intensivpatientinnen und -patienten nach grossen Operationen und Verbrennungen auftreten, kann sich auch der negative psychische Stress als Auslöser darstellen. Er entsteht durch Drucksituationen im Alltag, z.B. durch familiäre Konfliktsituationen, gesundheitliche oder finanzielle Sorgen, Termindruck oder ungünstige äussere Bedingungen. Langanhaltende Stresssituationen lösen diese Beschwerden häufiger und in einer schwierigeren Form aus oder verschlimmern die bereits vorhandenen Symptome.

Vorbeugen ist besser als Heilen – Stresssituation sollen möglichst von vornherein vermieden werden. Mit ganz einfachen Lebensstiländerungen wie regelmässigen und ausreichenden Mahlzeiten ohne Hetze, einer optimalen Einteilung der Arbeitsbelastung, ausreichendem Schlaf und rechtzeitigem Aufstehen lässt sich der Alltagsstress deutlich reduzieren.

Kann man der Entstehung vorbeugen?
Der Entstehung von Magenschleimhautentzündungen kann am besten mit einer gesunden Ernährungs- und Lebensweise vorgebeugt werden. Man soll sich genug Zeit fürs Essen und Trinken nehmen, um die Nahrung gut kauen zu können. Vier bis fünf kleine Mahlzeiten anstatt wenige, grosse Mahlzeiten sollten bevorzugt werden. Fettreiche, stark gewürzte und ballaststoffreiche Mahlzeiten sollten vermieden werden – Kaffee, Alkohol, Tabak und Zitrusfrüchte nur in Massen geniessen.

Wie sieht Ihre Empfehlung bei der Medikamenteneinnahme aus?
Magenreizende Medikamente sollen nur für möglichst kurze Zeit genommen werden, und nur dann, wenn sie unbedingt notwendig sind. Ein Wechsel auf ein schonenderes Mittel ist nach Rücksprache mit der behandelnden Fachperson sinnvoll. Wenn ein Wechsel auf ein Alternativmedikament nicht möglich ist, sollen sie nur unter ärztlicher Beobachtung über einen längeren Zeitraum eingenommen werden.

Und was raten Sie für den Umgang mit Stress im Alltag?
Psychisch belastende Situationen und Alltagsstress lassen sich nicht immer völlig vermeiden. Man soll für sich trotzdem Möglichkeiten zur Entspannung, z.B. mit einer eingeschobenen Ruhepause oder regelmässiger körperlicher Bewegung, finden. Des Weiteren können gezielte Entspannungsverfahren und Stressmanagement-Programme für einen positiven Umgang mit der Hektik des Alltags erlernt werden.

Welche Auswirkungen hat Alkohol- und Nikotinkonsum auf die Magenschleimhaut?
Sowohl übermässiger Alkohol- als auch Nikotinkonsum reizen die Magenschleimhaut und regen die Säureproduktion im Magen an. Die vermehrte Säureproduktion greift die Magenschleimhaut an und führt zur Entzündung.  

Welche Rolle spielen Nahrungsergänzungsmittel und Probiotika bei der Behandlung von Gastritis?
Es steht eine breite Auswahl von unterstützenden Mitteln zusätzlich zu den medikamentösen Massnahmen zur Verfügung. Eine Reihe pflanzlicher Mittel kann in Form von frei verkäuflichen Tees oder Tropfen mit schleimhautberuhigender Wirkung, etwa Extrakte auf Basis von Kamillenblüten, Melisse, Artischocken, Ingwer oder Galgantwurzel, eingesetzt werden.

Mögliche Komplikationen bei einer unbehandelten Gastritis
Eine unbehandelte akute Gastritis kann zu ausgeprägten Schleimhautschädigungen mit oberflächlichen Schleimhautdefekten wie Erosionen und auch zu Magengeschwüren führen. Diese Läsionen können auch Blutungen mit Absetzen von schwarzem Stuhl (Teerstuhl) oder zum Erbrechen von angedautem Blut verursachen. Bei starken oder langanhaltenden Blutungen kommt es zu Müdigkeit und Schwäche des Körpers, welche eine umgehende ärztliche Versorgung braucht.

Chronische Entzündungen der Magenschleimhaut führen seltener zu Geschwüren. Bei einem langjährigen Verlauf besteht jedoch das Risiko, dass es zu Veränderungen in der Schleimhaut wie Atrophie (Schwund von Drüsengewebe im Magen, wodurch die Bildung der Magensäure stark eingeschränkt ist) und intestinale Metaplasie (Umwandlung einer Zellart des Gastrointestinaltrakts in eine andere) kommt. Diese Veränderungen sind mit erhöhtem Krebsrisiko im Magen verbunden.

Neben dem drei- bis sechsfach erhöhten Magenkrebsrisiko ist eine Form der chronischen Gastritis (Typ A) mit einer besonderen Form der Blutarmut (der sog. perniziösen Anämie) durch die fehlende Absorption von Vitamin B12 verbunden. Wegen der Zerstörung normaler Schleimhautzellen können auch Verdauungsprobleme auftreten, da die Magensäure und wichtige Enzyme zur Nahrungsverarbeitung fehlen.

Die langsame Rückbildung der Schleimhaut kann auch bei der chronischen Entzündung erfolgen, welche von Helicobacter pylori ausgelöst wurden (bei Typ B-Gastritis). Auch dieser Typ von chronischer Gastritis kann lange Zeit unbemerkbar bleiben, längerfristig treten aber Eisenmangel und Blutarmut auf. Das Magenkrebsrisiko ist auch bei dieser Form von Gastritis erhöht.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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