Schlafen Sie schlecht? So schädlich ist Schlafentzug

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Schlafentzug
Schlafentzug
Quelle: Universitätsspital Zürich

Haben Sie je länger als zwei Tage am Stück nicht geschlafen? Viele Menschen merken es schon nach einer einzigen kurzen Nacht: Schlafentzug wirkt sich auf das Gehirn und den ganzen Körper aus. Man ist nicht ausgeruht, kann sich schlecht konzentrieren und ist möglicherweise schnell reizbar.

«Ohne Schlaf kann man nicht überleben», bringt es Christian Baumann vom UniversitätsSpital Zürich (USZ) auf den Punkt. Der Neurologe erforscht seit knapp 20 Jahren den Schlaf und dessen Einfluss auf das menschliche Gehirn. «Dass Schlafen schon für die Entwicklung des Gehirns extrem wichtig ist, sehen wir nur schon daran, dass Babys so viel schlafen», erklärt er.

Doch was passiert genau im Schlaf? Tagsüber, wenn das Gehirn arbeitet, werden ganz viele neue Verbindungen zwischen Nervenzellen gebildet. «Diese Synapsen werden in der Nacht aufgeräumt», erklärt der Neurologe. Die starken, wichtigen Verbindungen bleiben bestehen, und irrelevante Verbindungen werden aufgelöst. In der Fachsprache heisst das synaptisches Downscaling. Während das Gehirn arbeitet, fallen dauernd Abfallprodukte an. Die Fachwelt geht davon aus, dass es eine Art Abflusssystem gibt, das glymphatische System. «Wir vermuten, dass das vor allem während des Tiefschlafs aktiv ist», erläutert Christian Baumann. So wird das Gehirn weiter aufgeräumt.

Im Schlaf wird das Hirn gefestigt
Zudem ist Schlafen wichtig fürs Lernen. «Die Abfolge der verschiedenen Schlafphasen führt dazu, dass das Gehirn konsolidiert, also gefestigt wird», weiss Christian Baumann. Deshalb kann man sich besser an das Gelernte erinnern, wenn man es sich am Vorabend einer Prüfung merkt. Noch besser ist der Effekt, wenn das Lernen mit einem olfaktorischen, akustischen oder sensorischen Reiz kombiniert wird – man also während des Lernens einen Duft einatmet, Musik hört oder berührt wird, und denselben Reiz während des Tiefschlafs wieder appliziert. Das Abrufen des Gelernten ist beispielsweise signifikant besser bei Personen, die während des Lernens und danach während des Tiefschlafs einen Rosenduft einatmeten, als bei Menschen, die keinem Duft ausgesetzt wurden.

Den Schlaf messen und beeinflussen
Was aber, wenn man nicht gut schläft? Es gibt unzählige Apps, mit denen der Schlaf gemessen werden kann und verbessert werden soll. Christian Baumann ist skeptisch: «Apps können vermutlich feststellen, wann jemand schläft. Ob der Schlaf gut ist oder in welcher Phase der Schlaf ist, können sie nicht zuverlässig feststellen.» Dazu müssen die Hirnströme gemessen werden. Genau das macht SleepLoop. Das Gerät, das wie ein Stirnband aussieht, misst die Hirnaktivität im Schlaf in Echtzeit. Während des Tiefschlafs wird im richtigen Moment der Hirnaktivität ein leiser Ton abgespielt. Diese gezielte Stimulation synchronisiert die Neuronen im Gehirn stärker, wodurch der Schlaf der Person tiefer wird. SleepLoop ist erst in Entwicklung. Das Konzept soll unter anderem bei Parkinson-Patienten eingesetzt werden. Die Hoffnung ist, dass die Krankheit durch den besseren Schlaf langsamer fortschreitet.

Meditation verändert das Gehirn
Nebst dem Schlaf soll auch regelmässige Meditation eine Auswirkung auf das Gehirn haben. Diese ursprünglich spirituelle Praxis wird immer stärker wissenschaftlich untersucht. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: «Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass durch intensives Meditieren die graue Substanz im Gehirn zunehmen kann», weiss Claudia Witt, Direktorin des Instituts für komplementäre und integrative Medizin. Die graue Substanz enthält die Zellkörper von Nervenzellen und steuert die Wahrnehmungsprozesse und die motorischen Leistungen. Weshalb die graue Substanz durch Meditation zunehmen kann, ist noch unklar.

Selbst die Morphologie, also die Struktur des Gehirns, soll sich durch Meditation verändern können. Eine Übersichtsarbeit von Forschenden aus Kanada und Deutschland aus dem Jahr 2014 ist zum Schluss gekommen, dass sich bei intensiv Meditierenden in acht Regionen des Gehirns Veränderungen zeigen. Dazu gehören Regionen, in denen Emotionen reguliert werden, eigene Erfahrungen wahrgenommen werden und die Körperwahrnehmung angesiedelt ist. Zudem gibt es Hinweise, dass die Neuroplastizität zunimmt – die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst zu regenerieren und erneut zu strukturieren. Aber vieles ist noch unklar: «Die Forschung zu Meditation steckt noch in den Kinderschuhen», sagt Claudia Witt.

Stress reduzieren mit Achtsamkeit
In den USA bieten über 250 Kliniken Einführungskurse in die Meditation für Patienten an. Auch am USZ wird Meditation eingesetzt: «An unserem Institut arbeiten wir stark mit der sogenannten Mind Body Medicine», erklärt Claudia Witt. Dort sind achtsamkeitsbasierte Verfahren integriert, weil sie sich in Studien als wirksam gezeigt haben. Achtsamkeit ist eine besondere Form der Aufmerksamkeit, bei der Menschen üben, ihre äusseren und inneren Erfahrungen im aktuellen Moment besser wahrzunehmen und zuzulassen. «Wir setzen die achtsamkeitsbasierte Meditation bei verschiedenen Erkrankungen wie zum Beispiel bei chronischen Schmerzen oder als unterstützende Massnahme bei Krebspatienten ein», sagt Claudia Witt. Dabei geht es hauptsächlich um die Verbesserung des Wohlbefindens, aber auch um eine Stressreduktion.

Schlafen Sie schlecht?
Allenfalls lohnt sich eine Abklärung in einer der drei Schlafsprechstunden am USZ. Neurologie, Pneumologie und Psychiatrie bieten je eine Sprechstunde dazu an und tauschen sich interdisziplinär aus.

Quelle und Zusammenarbeit: Universitätsspital Zürich www.usz.ch.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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