Die kalte Jahreszeit bringt nicht nur Schnee und Kälte, sondern auch die alljährliche Grippesaison. Während sich viele Menschen fragen, ob die diesjährige Saison besonders herausfordernd wird, gibt PD Dr. med. Thomas Brack, Chefarzt der Medizinischen Klinik und Departementsleiter Medizin und Psychiatrie am Kantonsspital Glarus, einen umfassenden Ausblick auf die aktuelle Situation.
Herr Brack, die Grippesaison 2024/2025 steht bevor. Sehen Sie in diesem Jahr spezielle Herausforderungen oder neue Entwicklungen, die uns von vorherigen Saisons unterscheiden?
Die vergangenen Jahre waren durch die Maskenpflicht und andere Hygienemassnahmen geprägt, was das Risiko einer Grippeinfektion deutlich reduziert hat. Diese Massnahmen sind nun aufgehoben, was zu einer erhöhten Exposition gegenüber Grippeviren führt. Allerdings rechnen wir in diesem Jahr nicht mit drastischen Veränderungen im Vergleich zur letzten Saison. Eine interessante Beobachtung ist der vermehrte Anstieg von Infektionen mit Mykoplasmen, also bakteriellen Erregern, die grippeähnliche Symptome verursachen können, aber keine Grippeviren sind. Ein solcher Anstieg zeigt, dass unser Immunsystem nach langer Zeit geringerer Erregerbelastung nun stärker gefordert ist. Da die eigentliche Grippesaison erfahrungsgemäss erst ab Mitte Dezember startet, befinden wir uns derzeit noch in einer frühen Phase mit wenigen gemeldeten Fällen.
Welche Risikogruppen sind in der Grippesaison besonders gefährdet und wie können sich diese Menschen am besten schützen?
Zu den besonders gefährdeten Risikogruppen zählen:
- Personen über 65 Jahre
- Mütter, welche in den letzten vier Wochen geboren haben, und Schwangere, deren Geburtstermin in der Grippesaison sein wird
- Frühgeborene (vor der 33. Schwangerschaftswoche oder unter 1500 Gramm). Diese bleiben in der Regel während der ersten zwei Lebensjahre anfälliger für Infektionen.
- Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Herz-, Lungen-, Nieren- oder Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes) sowie Personen mit Adipositas oder neurologischen Erkrankungen wie Parkinson
- Krebskranke in Chemotherapie und HIV-positive Personen
Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen im Allgemeinen zählen ebenfalls zur Risikogruppe. Hier ist es besonders wichtig, dass Angehörige bei Erkältungssymptomen Maske tragen oder auf Besuche verzichten, um die Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen.
Eine oft übersehene Gruppe sind zudem Geflügelhalter, etwa von Hühnern oder Enten, da neue Grippeviren häufig zuerst bei Tieren auftreten und durch Mutationen auf den Menschen übergehen können. Für all diese Gruppen gilt die Grippeimpfung als der beste Schutz.
Welche präventiven Massnahmen, abgesehen von der Impfung, sollten Menschen im Alltag ergreifen, um eine Grippe zu vermeiden?
In unserem Krankenhaus ist das Tragen einer Maske bei Erkältungssymptomen eine gängige Praxis. Diese Massnahme lässt sich auf die gesamte Bevölkerung übertragen, besonders wenn man regelmässig mit Risikopatientinnen und -patienten in Kontakt steht. In solchen Fällen ist es sinnvoll, eine Maske zu tragen, um die Ausbreitung von Viren zu verhindern.
Wie kann man das Immunsystem speziell vor und während der Grippesaison unterstützen? Gibt es bestimmte Vitamine oder Nährstoffe, die Sie empfehlen?
In der Schweiz sind wir ernährungstechnisch gut aufgestellt und normalerweise ausreichend mit Vitaminen und Nährstoffen versorgt. Daher ist es nicht notwendig, täglich beispielsweise hohe Dosen an Vitamin C zu sich zu nehmen. Viel wichtiger ist eine ausgewogene und gesunde Ernährung und regelmässige körperliche Betätigung über das gesamte Jahr hinweg, um das Immunsystem zu stärken.
Grippe und Erkältung werden oft verwechselt. Woran erkennen Betroffene, ob sie tatsächlich an einer Grippe erkrankt sind und nicht «nur» erkältet sind?
Es ist für Laien oft schwer, zwischen einer Grippe und einer Erkältung zu unterscheiden, da beide Erkrankungen ein breites Spektrum an Symptomen aufweisen können. Eine klassische Grippe ist jedoch häufig durch hohes Fieber und Schüttelfrost gekennzeichnet. Doch es gibt auch mildere Verläufe, die eher an eine Erkältung erinnern. Letztendlich hängt der Verlauf stark von der individuellen Reaktion des Immunsystems und dem jeweiligen Virus ab.
Die Grippe hat einen nun doch erwischt: Was sind die wichtigsten Dinge, die man zu Hause tun sollte, um die Symptome zu lindern und sich zu erholen?
Wichtig ist sicherlich, dass man sich genügend Ruhe gönnt und durchaus mal einige Zeit im Bett verbringt. Besonders die ersten Tage können sehr unangenehm und ermüdend sein. Achten sollten Betroffene auch darauf, dass sie genügend Flüssigkeit zu sich nehmen, da man durch das Fieber viel Flüssigkeit direkt wieder verliert.
Medikamente zur Symptomlinderung können bereits ab dem ersten Krankheitstag eingesetzt werden. So können beispielsweise abschwellende Nasensprays verwendet werden, wenn die Atmung behindert wird und der Schlaf darunter leidet.
Wann sollte man sich bei einer Grippe zu Hause auskurieren und wann ist es ratsam, eine Ärztin bzw. einen Arzt oder ein Krankenhaus aufzusuchen?
Bei hohem Fieber, das über zwei Tage anhält, bei Atemnot oder extremer Schwäche ist es ratsam, ärztlichen Rat einzuholen. In solchen Fällen kann eine weitere medizinische Abklärung notwendig sein.
Wie gefährlich ist die Grippe für Kinder? Welche präventiven Massnahmen und Behandlungen empfehlen Sie für Eltern in dieser Grippesaison?
Kinder aus den bereits erwähnten Risikogruppen sind besonders anfällig für Grippekomplikationen. Für gesunde Kinder ist die Grippe jedoch in der Regel nicht gefährlicher als für Erwachsene. Eltern sollten regelmässig Fieber messen und die Werte notieren. Sollte das Fieber über mehrere Tage hinweg hoch bleiben, ist ein Arztbesuch angebracht. Die Symptome können mit fiebersenkenden Medikamenten, Nasensprays und Schleimlösern behandelt werden. Dabei ist es wichtig, auf die richtige Dosierung zu achten. Bei Unsicherheiten sollten Eltern ärztlichen Rat einholen.
Sollten Menschen während einer Grippe oder Erkältung Sport treiben oder ist es besser, vollständig auf körperliche Aktivität zu verzichten?
Kranke Personen sollten zwingend auf Sport verzichten. Sie tun sich und dem Körper nichts Gutes und bringen sich im schlimmsten Fall echt in Gefahr. Eine Grippe kann man nicht «wegtrainieren». Es gibt immer wieder Fälle, in denen der Grippevirus auch den Herzmuskel befällt – das spüren die Betroffenen nicht – und wenn man dann noch Sport treibt, kann das fatale Folgen haben.
Zusatzinformation zu den Impfstoffen:
Neu in dieser Saison ist ein Hochdosis-Impfstoff, der insbesondere für Menschen über 75 Jahre empfohlen wird. Da die Immunantwort auf Impfstoffe im Alter schwächer ausfallen kann, bietet der Hochdosis-Impfstoff eine höhere Wirksamkeit. Aber auch hier kann nicht von einem 100-prozentigen Schutz ausgegangen werden, jedoch kann dadurch mit einem milderen Verlauf der Grippe gerechnet werden.