Demenz ist nicht heilbar, aber sie kann gut behandelt und verlangsamt werden

Bild
Dr. Markus Luethi vom medizinischen Team des TCS
Dr. Markus Luethi vom medizinischen Team des TCS
Quelle: TCS MyMed

Dr. Markus Luethi vom medizinischen Team des TCS spricht mit uns über die verschiedenen Formen von Demenz und erzählt uns, was man tun kann, um die Folgen der Krankheit abzumildern.

Dr. Luethi, «Demenz» ist ein recht schwammiger Begriff – Welche Erkrankungen werden darunter zusammengefasst?
Richtig, die Krankheit «Demenz» gibt es nicht. Mit dem Begriff werden verschiedene Symptome bezeichnet, die ganz unterschiedliche Ursachen haben können.

Lassen sich diese Symptome bestimmten Kategorien zuordnen?
Bei «Demenz» denken die meisten zuerst an fortgeschrittenes Alter und kognitive Einschränkungen, insbesondere Gedächtnisverlust. Die Erkrankten und ihr Umfeld gewöhnen sich nach und nach bis zu einem gewissen Grad an das, was sie für gewöhnlich als «Gedächtnislücken» bezeichnen. Daher wird den Angehörigen oft erst recht spät klar, dass die erkrankte Person an einer Nervenkrankheit leidet. Während wir unsere Grossmutter vielleicht als «schrullig» bezeichnen, zeigt sie in Wirklichkeit Demenzsymptome.

Welche Krankheitsbilder werden gewöhnlich unter dem Begriff «Demenz» zusammengefasst?
Die häufigsten Symptome sind Gedächtnisstörungen, Probleme, sich auszudrücken und Dinge zu erfassen und zu verstehen, Orientierungslosigkeit und Verlust des Zeitgefühls, Schwierigkeiten beim Erkennen von Personen und Dingen.

Tritt Demenz immer nur bei älteren Menschen auf?
Alzheimer, die häufigste Form der Demenz, betrifft tatsächlich fast immer ältere Menschen. Aber auch Jüngere können durchaus an Demenz erkranken.

Wie hoch ist der Anteil der Menschen mit Demenz in der Schweizer Bevölkerung?
Etwa fünf Prozent der über 65-Jährigen leiden an Demenz. Bei den über 85-Jährigen sind es etwa 40 bis 50 Prozent. Laut aktuellen Schätzungen gibt es fast 146 500 Demenzkranke in der Schweiz. Aus den Zahlen für das Jahr 2021 geht hervor, dass pro Jahr fast 31 375 Fälle dazukommen.

Wo liegen die Ursachen für Demenz?
Es gibt über 50 Krankheiten sowie Erreger von Infektionskrankheiten und toxische Erreger, die das Gehirn angreifen und dadurch eine Demenz auslösen können. Am häufigsten kommen die degenerative Demenz (beispielsweise Alzheimer, die für 50 bis 70 Prozent der Demenzerkrankungen verantwortlich ist) und die sekundäre Demenz vor, zu der auch die vaskuläre Demenz zählt. Auf diese Form der Demenz sind etwa 20 Prozent der Demenzerkrankungen zurückzuführen.

Betrifft Demenz Männer und Frauen gleichermassen?
Nicht ganz: 73 Prozent der Betroffenen sind Frauen.

Wie wird Demenz diagnostiziert?
Bei Verdacht auf Demenz ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle, der auch die bisherige Krankengeschichte des Patienten kennt. Der Arzt untersucht den Patienten körperlich, führt neurologische Untersuchungen durch und untersucht Blut und Urin. Um einen Überblick über die vorhandenen kognitiven Fähigkeiten zu erhalten, kann ein Demenztest durchgeführt werden. Bei komplizierten Fällen kann ein Neurologe die Diagnose bestätigen. Die Kosten für alle Untersuchungen, die zur Diagnose einer Demenz notwendig sind, werden vollständig von der Krankenkasse übernommen. Dies gilt auch für gründlichere Untersuchungen, die über die üblichen Standarduntersuchungen hinausgehen.

Worauf sollte man achten? Wie reagiert man am besten, wenn die Vermutung im Raum steht, dass ein schwerwiegendes Problem besteht? Muss man gleich zum Arzt, wenn man mal seinen Schlüssel vergessen oder verlegt hat?
Wenn man selbst auf einmal feststellt, dass man etwa immer häufig etwas vergisst, bekannte Personen öfter nicht mehr erkennt oder sich schlechter oder gar nicht mehr orientieren kann, kann man zunächst mit einer Vertrauensperson darüber sprechen. Oder direkt zum Hausarzt gehen. Aber meistens ist es nicht die Person selbst, sondern es sind die Angehörigen, die das Verhalten des Betroffenen immer weniger nachvollziehen können und sich fragen, ob diesem seltsamen Verhalten nicht vielleicht eine Demenz zugrunde liegt. Die Angehörigen sollten das Thema sehr taktvoll ansprechen, da die betroffene Person vielleicht selbst schon gemerkt hat, dass ihr bestimmte Dinge immer schwerer fallen, und versucht, diese Tatsache zu verdrängen oder zu überspielen. Es gibt auch eine Demenzhotline (058 058 80 00), bei der in deutscher und französischer Sprache Auskünfte erteilt werden, insbesondere zum Thema Alzheimer.

Gibt es bestimmte Faktoren, die das Demenzrisiko erhöhen? Kann die Krankheit vererbt werden?
Bis auf sehr wenige Ausnahmen ist Alzheimer eigentlich keine Erbkrankheit. Nur in einem bis zwei Prozent der Fälle wird die Krankheit innerhalb der Familie weitergegeben. Es gibt allerdings schon gewisse Risikofaktoren für die Krankheit: Demenz betrifft Frauen anderthalb Mal häufiger als Männer. Auch mit dem Lebensalter steigt das Risiko, die Krankheit zu bekommen.

Lässt sich das Demenzrisiko durch eine Ernährungsumstellung oder die Änderung des Lebensstils senken?
Die Krankheit ist bereits lange vor dem Auftreten der ersten Symptome vorhanden. Die Erkrankung entwickelt sich sehr lange unbemerkt und greift in viele der Prozesse ein, die im Gehirn ablaufen. Dabei wird die Hirnstruktur geschädigt. Erst wenn dies alles schon geschehen ist, treten die Symptome auf, die unter dem Begriff «Demenz» zusammengefasst werden. Aufgrund der sehr langen Entstehungsdauer der Krankheit ist eine effektive Prävention nur in sehr engen Grenzen möglich. Ausserdem konnte bisher nicht wissenschaftlich belegt werden, dass ein bestimmtes Nahrungs- oder Nahrungsergänzungsmittel oder eine bestimmte Ernährungsweise zuverlässig vor Alzheimer oder anderen Formen der Demenz schützen. Und ob sich Demenz durch Aktivitäten, die das Gehirn stimulieren, oder regelmässigen Sport tatsächlich verhindern lässt, konnte wissenschaftlich auch noch nicht nachgewiesen werden.

Kann Demenz mit Medikamenten behandelt werden?
Bis heute können die meisten Formen der Demenz, wie beispielsweise Alzheimer, nicht geheilt werden. Durch eine Behandlung können allerdings die Symptome abgemildert und/oder verzögert werden.

Demenz ist also nicht heilbar?
Nein. Allerdings kann die Hirngesundheit dadurch gefördert werden, dass man gewisse Risikofaktoren vermeidet, die für eine Schädigung der Blutgefässe im Gehirn, aber auch anderswo, verantwortlich sind. Dazu zählen Rauchen, Bluthochdruck, ein erhöhter Cholesterinspiegel und Übergewicht.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

Weitere Artikel zum Thema Krankheiten