Das Immunsystem überschiesst, die Haut juckt

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Neurodermitis
Neurodermitis
Quelle: Universitätsspital Zürich

Autoimmunerkrankung oder nicht? Das ist bei Neurodermitis nicht ganz klar. Was die Krankheit mit dem Immunsystem zu tun hat und wie sie behandelt wird.

Die Hauterkrankung Neurodermitis, oder auch atopisches Ekzem genannt, kommt oft zusammen mit anderen allergischen Krankheiten wie Heuschnupfen, Hausstauballergie, Asthma oder Nahrungsmittelallergien vor. Hauptsymptome sind ein starker Juckreiz, Hauttrockenheit und rote, schuppende Ekzeme. Diese treten typischerweise chronisch, in Schüben, auf. Umweltfaktoren wie das Klima – trockene Luft, wenig UV-Strahlung – oder Luftverschmutzung können die Beschwerden verschlimmern.

Wie die Krankheit entsteht, ist bis heute nur teilweise geklärt. Verschiedene Faktoren werden als Ursache diskutiert. Allem voran besteht eine erbliche Komponente: Kinder, deren Eltern an Neurodermitis leiden, haben ein deutlich höheres Risiko, auch daran zu erkranken. «Neurodermitis gehört zum allergischen Formenkreis», erklärt die Dermatologin Claudia Lang, «die heftige Reaktion der Haut ist ein Zusammenspiel von Barrierefunktionsstörung, Überaktivierung von Immunzellen und Fehlbesiedelung der Hautbakterien». Bei vielen Neurodermitis-Patienten kann man spezifische Antikörper auf Malassezia (Hefeart, die zur normalen Hautflora der Menschen gehört) in höherer Konzentration nachweisen.

Dieser kann mit körpereigenen Zellbestandteilen kreuzreagieren und somit eine Immunreaktion auslösen. Ob die atopische Dermatitis als Autoimmunkrankheit anzusehen ist, darüber ist sich die Fachwelt noch nicht einig. Fachpersonen gehen aber immer mehr davon aus, weil es sich prinzipiell um eine Überreaktion des Immunsystems handelt, wie es auch bei den klassischen Autoimmunerkrankungen – wie z.B. Lupus – der Fall ist.

Basistherapie auf der Haut
Bei allergieanfälligen Menschen neigen die Immunzellen dazu, völlig harmlose Substanzen aus der Umwelt (Pollen, Tierhaare, Nahrungsmittel) fälschlicherweise als Gegner zu identifizieren und mittels Entzündungsprozessen abzuwehren. Dabei entsteht eine zielgerichtete Immunantwort mit einer Vermehrung spezieller Immunzellen, die in Schleimhäuten und auf der Haut zu finden sind. Diese Mechanismen führen bei Neurodermitis-Betroffenen zusammen mit genetischen Faktoren zu einer Störung des Schutzfilms, über welche Mikroorganismen leicht eindringen können und die Reaktion wiederum verstärken.

Die Basistherapie bei Neurodermitis klingt simpel: «Die Haut benötigt Feuchtigkeit. Der Körper soll deshalb mindestens einmal pro Tag eingecremt werden. Dazu kann man eine ganz normale Bodylotion benutzen», erläutert Claudia Lang. «Die Creme muss pH-neutral sein», ergänzt Karin Grando. Die Fachexpertin Pflege leitet die Neurodermitis-Pflegesprechstunde am USZ. «Weil die Krankheit durch das Immunsystem ausgelöst wird, auf welches auch andere Faktoren wie Stress wirken können, kann es leider immer wieder zu einem Schub kommen, auch wenn man die Basispflege perfekt ausführt. Deshalb beraten wir Betroffene in der Pflegesprechstunde ausführlich und sehr individuell.»

Kann man das Immunsystem nicht so umprogrammieren, dass es nicht mehr so heftig reagiert und die Entzündungen ausbleiben? «Leider ist das bis jetzt nicht komplett möglich, die neusten Therapieansätze gehen aber in diese Richtung», sagt Claudia Lang. «Wenn jemand einen heftigen, akuten Schub hat, können wir kurzfristig systemische Steroide (Kortisontabletten) verschreiben». Kortison wirkt allgemein immunsuppressiv. Dadurch kommt es zu einer schnellen Linderung. Längerfristig können dieselben immun-unterdrückenden Medikamente verschrieben werden, wie sie bei Organtransplantierten zum Einsatz kommen. Einfach in einer tieferen Dosierung.

Gezielt gegen das Immunsystem
Gezielt auf das Immunsystem wirken sogenannte Biologika. «Biologika sind Antikörper, die am Entzündungsprozess beteiligte Botenstoffe oder Rezeptoren inaktivieren», erklärt Claudia Lang. In der Schweiz ist seit dem 1. März 2020 ein Biologikum für Neurodermitis-Patienten zugelassen. «Es handelt sich um einen Interleukin-Inhibitor», so Claudia Lang. Interleukine vermitteln die Kommunikation zwischen den spezifischen, bei Neurodermitis involvierten Zellen. «Das Biologikum hemmt die Interleukine und reduziert somit die Immunantwort».

Weil es sehr gezielt wirkt, haben Patientinnen und Patienten, die so behandelt werden, kein grösseres Risiko, vermehrt Infekte einzufangen. Allerdings erhalten nur wenige Betroffene diese Therapie. Claudia Lang erklärt, weshalb: «Neurodermitis an sich ist häufig, eine schwere Ausprägung aber nicht. Biologika werden nur an schwer betroffene Patienten verschrieben». Diese müssen als Ersttherapie eine ungezielte immunsupprimierende Therapie gemacht haben.

Erst wenn diese nichts nützt, wird das Biologikum auch von der Krankenkasse übernommen. «Der Juckreiz spricht sehr gut auf diese Therapie an», so Claudia Lang. «Die Patienten müssen sich aber bewusst sein, dass die Grundpflege der Haut dieselbe bleibt». Neurodermitis ist heute noch nicht heilbar. Zielgerichtete Therapien wie Biologika geben aber Hoffnung. «Vielleicht verstehen wir das Immunsystem eines Tages so gut, dass wir Neurodermitis heilen können», hofft die Dermatologin Claudia Lang. 

Quelle und Zusammenarbeit: Universitätsspital Zürich www.usz.ch. Helga Kessler, Wissenschaftsjournalistin, für das USZ.

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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