Nahrungsergänzungsmittel: oft nutzlos
Um dem Winter zu trotzen und Erkältungen vorzubeugen, gibt es nichts Verlockenderes, als seine Immunität zu stärken. Nahrungsergänzungsmittel sind Ihre Verbündeten... zumindest versuchen sie, uns das glauben zu machen. Brauchen Sie sie wirklich? In diesem Dossier werfen wir einen kritischen Blick auf einen boomenden Sektor.
Für wen, wofür?
Nahrungsergänzungsmittel sind Mineralien, Vitamine und Produkte auf pflanzlicher Basis oder Substanzen wie Spirulina, Probiotika, die rezeptfrei in Apotheken, Drogerien, Supermärkten sowie im Internet verkauft werden.
Ein produktiver Markt im Aufschwung. Und das aus gutem Grund. Italien (49%), Deutschland (33%), gefolgt von Frankreich (25%) sind begeisterte Anhänger von Nahrungsergänzungsmitteln. Die Schweiz steht dem in nichts nach, denn aktuelle Zahlen (*BLV 2023) schätzen, dass 30% der Erwachsenen Nahrungsergänzungsmittel konsumieren, mehr Frauen, Deutschsprachige, Städterinnen und Städter und hauptsächlich Tabletten oder Kapseln mit Vitaminen und Mineralstoffen. Die angegebenen Motive sind, gesund zu bleiben, Mangelerscheinungen auszugleichen oder als Vorbeugung.
Doch auch auf die Gefahr hin, viele zu enttäuschen, sind die Schweizer Empfehlungen sehr klar. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung reicht aus, um alle wichtigen Nährstoffe zu liefern. Nahrungsergänzungsmittel sind daher nicht notwendig.
Eine Ausnahme ist Vitamin D. Diese Ergänzung kann in der Tat nützlich sein, vor allem in unseren Breitengraden, wo die Sonne im Winter nicht sehr häufig scheint. Ebenso hat der Körper in bestimmten Fällen oder in bestimmten Lebensphasen einen erhöhten Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen (Schwangerschaft, Wachstum, ältere Menschen usw.). Es ist jedoch besser, sich von einer Gesundheitsfachkraft beraten zu lassen, bevor man wahllos Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt.
*Solliard C, Benzi Schmid C, König SLB (2023) Besteht bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in der Schweiz ein Gesundheitsrisiko? Schweizer Ernährungsbulletin.
Risikogruppen für Mangelerscheinungen (weitere Infos hier)
• Schwangere (oder Frauen mit Schwangerschaftswunsch) oder stillende Mütter
• Säuglinge
• Kinder im Wachstum
• Seniorinnen und Senioren
• Sportlerinnen und Sportler auf hohem Niveau
• Vegetarierinnen und Vegetarier oder Veganerinnen und Veganer
• Alkoholikerinnen und Alkoholiker
• Bei Krankheiten oder der Einnahme von Medikamenten
Das Gesetz, die Wissenschaft und Marketing
Glücklicherweise ist der gesetzliche Rahmen in der Schweiz recht streng und orientiert sich stark an der europäischen Gesetzgebung. Nahrungsergänzungsmittel gelten als Lebensmittel, deren Zweck es ist, die normale Ernährung zu ergänzen. Es handelt sich also nicht um Medikamente und kein Produkt kann von sich behaupten, dazu beizutragen, eine Krankheit zu verhindern oder zu heilen.
Die Kennzeichnung darf nicht irreführend sein und muss eine Reihe von Pflichtangaben enthalten, z. B. die empfohlene Tagesmenge, den Hinweis, dass das Produkt ausserhalb der Reichweite von Kindern aufzubewahren ist, oder den Hinweis, dass Nahrungsergänzungsmittel kein Ersatz für eine ausgewogene Ernährung sind.
Dabei sind die auf den Verpackungen angebrachten Slogans zumindest vielsagend: Immuno, Energie, Boost, Mood, um nur einige zu nennen. Das Gesetz erlaubt nur eine bestimmte Liste von Behauptungen, aus der sich die Hersteller bedienen können. Ein konkretes Beispiel: «Zink trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei.» Fantasien sind ebenso wenig erlaubt wie Behauptungen über Pflanzen («botanicals»), anders als in europäischen Ländern. Und das ist zumindest willkommen: keine wissenschaftlichen Beweise für die Wirksamkeit, keine falschen Versprechungen!
Dennoch bleibt die Frage: Sind Sie mit Nahrungsergänzungsmitteln besser gegen Krankheiten gewappnet? Wahrscheinlich nicht. Es gibt keine wissenschaftlichen Argumente dafür, dass diese Produkte Ihr Immunsystem stärken. Im besten Fall unterstützen sie Ihre natürlichen Abwehrkräfte. Wenn Sie keinen Mangel haben, wird die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln Sie nicht besser vor Infektionen schützen. Seien Sie jedoch vorsichtig, denn ihr Konsum ist nicht harmlos und kann Risiken bergen.
Sofern keine Mangelerscheinungen vorliegen, wird die Einnahme von einer grossen Menge an Nährstoffen Ihr Immunsystem nicht stärken. Im besten Fall trägt das Nahrungsergänzungsmittel zur normalen Funktion Ihrer Abwehrkräfte bei.
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Zur Veranschaulichung haben wir ein Dutzend Nahrungsergänzungsmittel in Apotheken, Drogerien und Supermärkten gekauft. Unser Auswahlkriterium: Produkte, die Vitalität, Spannkraft oder eine bessere Widerstandsfähigkeit versprechen. Kurz gesagt: Produkte, die Ihnen helfen, den Winter zu überstehen, eine vorübergehende Müdigkeit zu beseitigen oder einen Mangel an Spannkraft oder Vitaminen auszugleichen.
Überdosierung
Die Untersuchung des BLV weist auf ein geringes Risiko einer Überdosierung bei Erwachsenen hin, obwohl einige Fälle bei der Einnahme von Vitamin D und Magnesium aufgetreten sind. Glücklicherweise müssen Nahrungsergänzungsmittel gesetzlich eine Höchstmenge an Vitaminen und Mineralien einhalten. Für einige Vitamine der B-Gruppe gibt es z. B. keine Höchstwerte. Diese Werte basieren auf dem Konzept der maximal tolerierten Aufnahme, d. h. der täglichen Dosis eines Nährstoffs, die über ein Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen wird und als sicher gilt.
Das Kriterium ist der Schutz der Gesundheit. Diese Werte entsprechen daher nicht den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung. Ergebnis: Einige Nahrungsergänzungsmittel können mehr Nährstoffe liefern, als benötigt werden und trotzdem die gesetzlichen Bestimmungen einhalten.
Die in Nahrungsergänzungsmitteln zulässige Höchstmenge für Zink beträgt 5,3 mg. Es wird als Substanz eingestuft, bei der die Gefahr einer Überdosierung besteht. Ausserdem beträgt die tägliche Referenzmenge für einen Erwachsenen 10 mg.
Zu viel Zink über einen längeren Zeitraum kann zu einem Kupfermangel führen.
Burgerstein scheint dies zu ignorieren.
Pro Tag wird empfohlen, 15 μg (600IE) Vitamin D zu sich zunehmen. Abtei liefert täglich mehr als das Dreifache davon.
Wenn die gesetzlichen Höchstmengen eingehalten werden, sollte man sich bei Überschreitung bestimmter Tagesdosen von einer medizinischen Fachkraft beraten lassen, um das Risiko eines Missbrauchs zu vermeiden.
Kinder
Kommen wir nun zum nächsten wichtigen Punkt. Die auf der Packung angegebene Referenzzufuhr entspricht den Standardwerten für Erwachsene. Einige Teile der Bevölkerung haben jedoch andere Bedürfnisse, wie z. B. Schwangere oder Kinder. Die angegebenen Werte können daher Verwirrung stiften oder die Quelle von Über-/Unterdosierungen sein.
Auch wenn dieses Nahrungsergänzungsmittel keine Mängel bei der Kennzeichnung aufweist, stellt man fest, dass ein Gummibärchen pro Tag mehr als 100% der empfohlenen Zufuhr für ein fünfjähriges Kind liefert. Dies ist der Fall bei Vitamin C, Biotin, Folsäure und Selen. Der Referenz-NRV ist der eines Erwachsenen und nicht der eines Kindes. Es wäre besser gewesen, dies zu präzisieren!
Wenn das Risiko einer Überdosierung gering ist, sollten auch die übrige Grundnahrung sowie angereicherte Lebensmittel (z. B. Frühstücksflocken usw.) berücksichtigt werden, die ebenfalls Mineralien und Vitamine liefern. Seien Sie also vorsichtig bei Produkten, die wie Süssigkeiten aussehen! Beachten Sie unbedingt die Hinweise auf dem Etikett, überschreiten Sie nicht die empfohlene Dosis und lassen Sie sich am besten von einer Fachkraft beraten.
Nährstoffe als Alibi
Neben den «klassischen» Vitamin- und Mineralstoffpräparaten gibt es auch solche, denen Pflanzenextrakte oder andere Substanzen zugesetzt wurden. Mal weniger stark, mal stärker. Zu den bekanntesten gehören Echinacea, Probiotika, Spirulina und Kurkuma, aber auch andere exotischere oder wissenschaftlich klingende Substanzen werden in Rezepten verwendet. Die hervorgehobenen Behauptungen sind jedoch moderat und beziehen sich immer noch auf das Vorhandensein von Vitaminen oder Mineralien. Kein Wort über die Auswirkungen anderer Substanzen, das ist normal, das ist verboten. Seien Sie jedoch vorsichtig bei Ihren Einkäufen im Internet, denn die Versprechungen europäischer Produkte sind auf jeden Fall weniger zaghaft.
Diese Art von Nahrungsergänzungsmitteln nehmen in den Regalen stark zu. Diese Beispiele haben eine konforme Beschriftung. Auch wenn mehrere Studien darauf hindeuten, dass bestimmte Probiotika positive Veränderungen in der Bakterienzusammensetzung der Darmflora bewirken, sind die wissenschaftlichen Beweise, was ihren Einfluss auf unsere Abwehrkräfte betrifft, immer noch begrenzt. Durch die Zugabe von u. a. Zink oder Vitamin D kann dennoch auf das Immunsystem verwiesen werden. Auch Echinacea ist als vorbeugende Massnahme nicht wirksam. Ausserdem wird bei einer Erkrankung des Immunsystems oder bei einer Kreuzallergie vom Verzehr abgeraten. Astaxanthin und Kurkuma haben antioxidative Eigenschaften, aber keine zugelassenen Angaben zu ihren Vorteilen.
Vorsicht bleibt geboten
Trotz ihrer «natürlichen» Aura sind nicht alle Pflanzenextrakte, die Nahrungsergänzungsmitteln zugesetzt werden, harmlos und erfordern Vorsichtsmassnahmen bei der Anwendung. Grüner Tee wird z. B. bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren, Herzproblemen oder Schilddrüsenüberfunktion nicht empfohlen. Kurkuma wird bei Störungen der Gallenfunktion oder bei Lebererkrankungen nicht empfohlen. Curcumin (der Wirkstoff in Kurkuma) steht nämlich unter besonderer Beobachtung der europäischen Gesundheitsbehörden, seit nach dem Verzehr von Kurkuma-Ergänzungsmitteln Fälle von Hepatitis aufgetreten sind. Diese Fälle waren übrigens vom italienischen Nutrivigilanzsystem gemeldet worden, einem System, das Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sammelt und analysiert und es ermöglicht, gegebenenfalls zu reagieren. Mehrere europäische Länder haben ein solches Verbraucherschutzsystem eingeführt. Wann wird es in der Schweiz soweit sein?
Auch wenn bestimmte Warnhinweise im Zusammenhang mit der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln gesetzlich vorgesehen sind (Magnesium und das Risiko einer abführenden Wirkung, Vitamin K und die Einnahme von Antikoagulanzien), sei daran erinnert, dass es sich nicht um Medikamente handelt und eine Dosierung mit Kontraindikationen nicht zwingend vorgeschrieben ist.
Was Sie tun sollten
- Ernähren Sie sich abwechslungsreich und ausgewogen. Bevorzugen Sie frische Produkte, darunter Gemüse. Wenn Sie keine gesundheitlichen Probleme haben, sollte Ihre Ernährung immer Ihren Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen decken.
- Konsultieren Sie immer Ihre Ärztin oder Ihren Arzt, bevor Sie Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Bei der Verwendung dieser Nahrungsergänzungsmittel müssen die Besonderheiten jeder Person berücksichtigt werden: Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Zustand, Einnahme von Medikamenten usw. Eine schwangere Frau, die z. B. zu viel Vitamin A zu sich nimmt, setzt den Fötus Missbildungen aus.
- Sehen Sie sich die Gebrauchsanweisung oder die Verpackung Ihres Produkts sorgfältig an. Halten Sie sich an die angegebene Dosierung. Eine unangemessene oder missbräuchliche Verwendung dieser Nahrungsergänzungsmittel kann zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Eine übermässige Ansammlung von Vitamin D im Körper kann beispielsweise zu einer Überdosis führen, die sich durch Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schmerzen und Müdigkeit bemerkbar macht. Sie kann bei Kindern zu einem Wachstumsstopp führen.
- Achten Sie auf mögliche Allergien, Nebenwirkungen und schädliche Kombinationen mit anderen Nahrungsergänzungsmitteln, Medikamenten oder Lebensmitteln.
- Kaufen Sie die Produkte lieber in einer Apotheke oder in einem Supermarkt, da diese dort besser kontrolliert werden. Im Internet besteht ein höheres Risiko, zweifelhafte Produkte zu erwerben.
Wie Sie gesehen haben, sollte die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln weder banalisiert noch verteufelt werden, da es Situationen gibt, in denen eine Nahrungsergänzung erforderlich ist. Denken Sie daran, dass es um Ihre Gesundheit geht und dass Ihr bester Verbündeter nach wie vor eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ist. Wenn Sie eine Kur mit Nahrungsergänzungsmitteln beginnen möchten, lassen Sie sich am besten von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt beraten.
Ihr Immunsystem schützt Sie vor Bakterien, Viren und Parasiten. Es entfernt abgestorbene Zellen aus Ihrem Körper und aktiviert Ihre Abwehrkraft gegen Angreifer, mit denen Ihr Körper in der Vergangenheit bereits zu kämpfen hatte. Es ist ein komplexes System mit vielen Verbindungen, von dem wir noch nicht alle Details kennen. Eine gesunde Ernährung ist der beste Weg, um genügend Mineralien und Vitamine aufzunehmen, um es zu unterstützen. Wenn Sie trotzdem auf die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln bestehen, besprechen Sie dies am besten mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Vor allem sollten Sie die Dosis nicht von sich aus erhöhen. Sie könnten Ihrer Gesundheit schaden, ohne es zu merken.»