Dr. Jean-Claude Ghaleb, Head of Medical Services des TCS, zum Thema Krankheit und Unfall im Ausland.
Herr Ghaleb, was sollte man beachten, wenn man im Ausland krank wird oder einen Unfall hat?
Man sollte von Anfang an, also bereits bei der Ankunft auf dem Zielflughafen, ganz systematisch die vor Ort geltenden Notrufnummern (Sanitätshilfe, Feuerwehr, Touristenpolizei usw.) parat haben, indem man sie entweder aufschreibt oder entsprechende Anzeigen und Plakate abfotografiert.
Wenn man sich in einer lebensbedrohenden Lage befindet, muss man unbedingt die Nummer des Rettungsdienstes wählen oder jemanden damit beauftragen. Meist ist man gut beraten, sich von Einheimischen (Nachbarn, Passanten, Apotheke, Hotelrezeption usw.) helfen zu lassen, die es als ihre Pflicht ansehen, Fremden in Not zu helfen. Auf diese Weise löst man nicht nur das Problem der Sprachbarriere, sondern erhält auch gleich Empfehlungen, wo gute Ärzte, Spitäler usw. zu finden sind.
Sobald man medizinische Hilfe erhalten hat, kann man seinen Assistance-Dienst anrufen, um ein Dossier eröffnen zu lassen und die in der Versicherungspolice zugesicherten Logistik-Leistungen (Kosten für medizinische Behandlungen und Umbuchungen) in Anspruch zu nehmen. Damit bei der Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen alles reibungslos verläuft, sollte man jederzeit erreichbar sein. Das kann bedeuten, dass man in ein Hotel mit Internetzugang und Telefonanschluss umziehen muss.
Nicht überall auf der Welt ist der medizinische Standard gleich hoch. Wie kann man sich vor schlechten oder fehlerhaften Behandlungen schützen?
Zunächst sollte man sich überlegen, wie wahrscheinlich es ist, dass man eine medizinische Betreuung auf höchstem Niveau braucht. Wenn man also eine bestimmte Krankheit hat und / oder ein gewisses Alter erreicht hat, sollte man möglichst nicht in medizinische Notstandsgebiete reisen. Man sollte Orte meiden, von denen aus das nächste Spital weit entfernt liegt oder sogar unerreichbar ist (dazu gehören übrigens Kreuzfahrtschiffe), wenn man zum Beispiel ein gesteigertes Risiko hat, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu bekommen. Denn bei Notfällen dieser Art müssen Hilfsmassnahmen innerhalb der ersten Stunden eingeleitet werden.
Um herauszufinden, wo man vor Ort die beste medizinische Betreuung erwarten kann, fragt man am besten unbeteiligte Einheimische und wägt deren Meinungen gegeneinander ab. In internationalen Grossstädten gibt es fast immer Privatspitäler mit internationaler Zertifizierung und einem medizinisch-technischen Standard, wie man ihn aus der Schweiz kennt. Trifft dies einmal nicht zu, kann man den Patienten ohne Bedenken in ein solches Spital verlegen, sofern dies medizinisch notwendig ist. Das ist häufig weniger riskant als eine voreilige Rückführung, selbst wenn die Rückführung im Ambulanzflugzeug erfolgt.
Bei Tropenkrankheiten sollte man bedenken, dass die Spitäler in der jeweiligen Region viel erfahrener in deren Behandlung sind als westliche oder Schweizer Spitäler. Man sollte sich also davor hüten, die Qualität der medizinischen Versorgung ausschliesslich nach Äusserlichkeiten und dem Komfortniveau zu beurteilen.
Was passiert, wenn man seine Rückreise nicht wie geplant antreten kann?
Dann muss man umplanen, also zum Beispiel ein anderes Abreisedatum und / oder eine andere Reisestrecke und / oder eine andere Reiseklasse wählen. Der TCS kümmert sich für Sie darum, wenn Sie einen ETI Schutzbrief haben und die Ursache des Schadensfalls durch die Versicherung gedeckt ist. Fälle, in denen beispielsweise jemand aus Nachlässigkeit sein Flugzeug verpasst hat, sind nicht gedeckt.
Eine Änderung der Rückreise kann darin bestehen, dass das Abreisedatum verschoben wird, weil eine ansteckende Krankheit besteht, etwa bei einem Kind mit Windpocken. Manchmal muss das Abreisedatum aber auch vorverlegt werden, weil man nach einem Unfall in seiner Mobilität so eingeschränkt ist, dass man an keinerlei Aktivitäten mehr teilnehmen kann.
Wann kommt eine Rückführung in Frage und welche Verkehrsmittel kann man dann nutzen?
Eine Rückführung kann man in Anspruch nehmen, wenn die ersten Tage einer medizinischen Behandlung im Reiseland ein grösseres gesundheitliches Risiko bergen als eine Rückführung. Anders gesagt, wenn aufgrund der unzureichenden medizinisch-technischen Ausstattung vor Ort eine Verschlechterung des Gesundheitszustands abzusehen ist. Jede Rückführung birgt ein nicht unerhebliches gesundheitliches Risiko für einen bereits geschwächten Menschen. Dies sollte man bei der Entscheidung bedenken. Meistens sind die medizinischen Leistungen vor Ort genau die gleichen, die der Patient auch in der Schweiz erhalten würde. In diesem Fall ist eine voreilige Rückführung vor allem eine verpasste Chance. Solche medizinischen Überlegungen sind manchmal für Angehörige, insbesondere, wenn sie nicht mit auf die Reise gegangen sind, nur schwer zu verstehen, sodass sie zu dem Schluss kommen, dass die Rückkehr in die Heimat die einzige Rettung für den Patienten sei. Das ist aber die komplett falsche Denkweise.
Auf welche Weise erfolgt die medizinische Versorgung des Patienten während der Rückführung?
Das ist von der Situation abhängig: Der Patient kann in einem Krankentransportwagen oder per Linienflug zurückkehren. Er kann allein, in Begleitung eines Angehörigen oder in Begleitung einer oder zweier medizinischer Fachkräfte (Pfleger beziehungsweise Pflegerin und / oder Arzt beziehungsweise Ärztin) reisen. Manchmal ist eine Beförderung in einem Intensivtransportwagen oder Ambulanzflugzeug notwendig. Jedes Transportmittel weist eine bestimmte technische Ausstattung auf, die für solche Fälle vorgesehen ist und bei plötzlich auftretenden Komplikationen während des Transports zum Einsatz kommt.
Wie hoch sind die Kosten für so eine Rückführung und wer trägt diese Kosten?
Lässt man die organisatorischen Kosten (Notrufzentrale usw.) aussen vor, kann eine Rückführung Null bis 200 000 Franken kosten. Alles hängt davon ab, welches Transportmittel benutzt wird. Es kann sein, dass nur das Datum auf dem Rückreiseticket geändert werden muss, was manchmal kostenlos möglich ist. Es kann aber auch sein, dass ein Transkontinentalflug im Ambulanzflugzeug mit vorherigem und anschliessendem Intensivtransport per Hubschrauber oder Krankenwagen erforderlich ist. Besitzt der Patient einen Versicherungsvertrag (für Unfälle), eine Zusatzkrankenversicherung oder hat er einen Assistance-Vertrag wie zum Beispiel den ETI Schutzbrief unterzeichnet, werden alle Kosten übernommen. Falls dem nicht so ist, kann eine Assistance-Gesellschaft trotzdem den Rücktransport organisieren. Allerdings werden diese Kosten dann dem Patienten in Rechnung gestellt, wobei häufig eine Vorauszahlung verlangt wird.
Worauf muss man achten, wenn man eine Reiseversicherung abschliesst?
Der gesunde Menschenverstand schreibt zwei Dinge vor: Erstens sollte man die allgemeinen Versicherungsbedingungen durchlesen. Allerdings unterscheiden die sich kaum von einer Versicherung zur anderen und ein Vergleich gestaltet sich manchmal schwierig. Zweitens darf man von einer Versicherung nicht erwarten, dass sie Risiken abdeckt, die sehr wahrscheinlich oder sogar ganz gewiss eintreten. Denn dann würde diese Versicherungsgesellschaft nicht sehr lange überleben. Wer sich vorsätzlich in Gefahr begibt, durch waghalsige Unternehmungen oder Reisebedingungen, die mit dem eigenen Gesundheitszustand nicht vereinbar sind, geht das Risiko ein, dass er die Folgen seiner Handlungen selbst tragen muss.
Man sollte vor allem darauf achten, welche Geisteshaltung beim Versicherer vorherrscht und wie kulant er im Hinblick auf die Anwendung der Bedingungen und Ausschlüsse ist. Diesbezüglich ist der TCS mit seinem ETI Schutzbrief gut aufgestellt, denn als Club ist der TCS für seine Mitglieder da, während eine Versicherungsgesellschaft in erster Linie ihre Aktionäre bedienen muss. Der TCS ist stets darum bemüht, seinen Mitgliedern in Notsituationen zur Seite zu stehen, selbst wenn die strikte Anwendung des Vertrags eine Verpflichtung zur Assistance-Leistung ausschliesst.
Für Anregungen und Inputs, können Sie uns gerne per Mail kontaktieren: med@tcs.ch