Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos, Chefarzt und Klinikdirektor Universitäres Notfallzentrum (Inselspital Bern), zum Thema Sommerhitze.
Herr Exadaktylos, in diesen Tagen ist es heiss. Ab wann wird es für die Gesundheit gefährlich?
Der Körper muss eine möglichst gleichbleibende Temperatur von ca. 37 °C halten. Dazu bedient er sich verschiedener Wärmeregulationsmechanismen, wozu auch das Schwitzen gehört. Wir haben zirka 2 Millionen Schweissdrüsen, welche Schweiss absondern, sobald unsere Körpertemperatur steigt. Dieser verdunstet auf der Haut und kühlt den Körper. Wir verlieren in der Regel zwischen einem oder mehreren Litern Schweiss. Damit unsere Körperklimaanlage funktioniert, sollte es jedoch ein Feuchtigkeitsgefälle zur Luft hin geben. Kommt aber neben der Hitze eine hohe Luftfeuchtigkeit hinzu, was wir in der Schweiz häufig erleben, kann diese Temperaturregulierung gestört werden.
Was passiert dann?
Der Körper versucht dann noch mehr zu schwitzen, wir verlieren (zu) schnell viel Wasser und wenn man dann nicht schnell genug «nachfüllt», kann es unangenehm werden. Insgesamt ist deshalb trockene Hitze besser zu ertragen als feuchte Hitze. Gefährlich wird es, wenn unsere «Körperklimaanlage» versagt oder austrocknet und unser Körper «fiebrig» wird. Vor allem kleine Kinder, Senioren und geschwächte Personen sind hier gefährdet.
Wer ist denn besonders von der Hitze bedroht? Sind das nur alte Menschen oder Babys?
Es sind in der Tat vor allem alte Menschen und Kleinkinder, aber auch Personen, die vom Beruf her starker Hitze und Sonne ausgesetzt sind und die Situation unterschätzen, (Hobby-)Sportler, welche sich nicht ausreichend oder falsch hydrieren, oder auch Menschen, welche an chronischen Krankheiten leiden oder frisch operierte Personen. Meine Faustregel für gesunde Personen: Aussentemperatur > Körpertemperatur (ca. 37 °C) = ALARM = Kühlung suchen und möglichst wenig unternehmen. Die Südeuropäer machen gerade auch aus diesem Grund während der Mittaghitze des Sommers eine Siesta und das öffentliche Leben kommt zum Stillstand.
Was ist der Unterscheid zwischen einem Hitzeschlag und einem Sonnenstich?
Bei einem Hitzeschlag kann der Körper die zugeführte Wärme nicht schnell genug abgeben, dadurch kommt es bei einem «inneren Hitzestau» im Extremfall zu einer Eindickung des Blutes, Kopfschmerzen und Übelkeit, schnellem Puls, niedrigem Blutdruck eventuell mit Schock. Insgesamt können viele Körperfunktionen beeinträchtigt werden – Kopf, Herz-Kreislauf, Atmung, Leber, Niere bis hin zum Multiorganversagen. Bei einem Sonnenstich hingegen strahlt die Sonne mit ihrer UV-Strahlung auf den Kopf und den Nacken, wodurch es zu einer direkten Reizung der Hirnhäute kommt, mit Übelkeit und Schwindel, Kopf- und Nackenschmerzen und zu Krampfanfällen. Häufig wird unterschätzt, dass die Strahlung diverse Stoffe durchdringen kann, bzw. durch die Umgebung reflektiert wird, sodass man auch vermeintlich «geschützt» einen Sonnenstich bekommen kann. Nur als UV-dicht gekennzeichnete Kleidung kann da schützen.
Sollten während der Sommerhitze beispielsweise Fussballspiele oder Tennisturniere abgesagt werden?
Das sollte man dem Verantwortungsbewusstsein von Teilnehmern, Eltern und Veranstaltern überlassen. Es spielen hier zu viele persönliche und äussere Umstände eine Rolle, als dass ich eine Empfehlung aussprechen möchte. Wichtig ist: Jeder sollte seine Grenzen kennen.
Wie schützt man sich vor der Hitze?
Schatten nutzen oder anstrengende Tätigkeiten auf die kühleren Zeiten des Tages verlegen. Zudem sollte man auf genügend Flüssigkeitsaufnahme achten und leichte Mahlzeiten essen. Alles, was den Körper zusätzlich anheizt, wie Alkohol oder fettreiche Speisen, sollte vermieden werden. Ausserdem empfehle ich das Tragen von temperaturgerechter Kleidung, Schuhwerk, Kopfschutz sowie Sonnenbrille.
Was gilt es zu beachten, wenn man trotz aller Vorsichtsmassnahmen Probleme mit dem Kreislauf bekommt?
Sofort die Belastung oder «Sonnenexposition» stoppen, in eine kühle oder schattige Umgebung gehen und Flüssigkeit zu sich nehmen. Kühlung durch kühle, feuchte Lappen hilft, hingegen sollten fiebersenkende Mittel nicht eingenommen werden – in der Regel helfen sie auch nicht. Bei Kreislaufschwäche oder Bewusstseinsminderungen sollte man die Ambulanz rufen.
Immer wieder wird behauptet, schwarze oder dunkle Kleider würden den Hitzeeffekt noch verstärken – Wahrheit oder Ammenmärchen?
Wichtig ist, dass die Kleidung nicht zu eng anliegt, dass ein dauerhafter Luftaustausch möglich ist. Dann ist der Unterschied zwischen heller und dunkler Kleidung kaum spürbar. Aber enge, schwarze Kleidung heizt sich dagegen schnell auf. Dunkle Kleidung hat neben der Temperatur noch den positiven Effekt, dass sie einen höheren Lichtschutzfaktor hat.
Hitzetage: «Jeder sollte seine Grenzen kennen»
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