
Dr. med. Christoph Zeller, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Schiffarzt, gibt Einblick in die medizinische Betreuung an Bord. Im Interview erklärt er, wie die medizinische Versorgung organisiert ist, welche gesundheitlichen Probleme am häufigsten auftreten – und was Reisende im Ernstfall erwartet.
- Wie läuft die medizinische Betreuung auf einem Kreuzfahrtschiff ab?
- Welche medizinischen Möglichkeiten bietet ein Kreuzfahrtschiff?
- Was passiert im Todesfall an Bord?
- Welche gesundheitlichen Probleme treten am häufigsten auf Kreuzfahrten auf?
- Wie lässt sich Seekrankheit vermeiden?
- Wie schützt man sich vor Magen-Darm-Erkrankungen?
- Welche Impfungen sind für eine Kreuzfahrt nötig?
- Wie funktioniert die medizinische Hilfe im Notfall?
- Gibt es Dialyse- oder Sauerstoffversorgung an Bord?
- Wie kann man als Passagier zur Aufrechterhaltung der Gesundheit an Bord beitragen?
Herr Zeller, wie läuft die medizinische Betreuung auf einem Kreuzfahrtschiff ab?
Die medizinische Versorgung auf einem Kreuzfahrtschiff ist gut strukturiert und professionell organisiert. Je nach Grösse des Schiffs sind ein bis drei Ärztinnen oder Ärzte an Bord, unterstützt von mehreren hochqualifizierten Pflegekräften – darunter Intensiv-, Anästhesie- oder OP-Schwestern.
Man unterscheidet grundsätzlich zwei Patientengruppen: Passagiere und Crewmitglieder. Die Crew wird in der Regel wie von einem Hausarzt betreut – mit alltäglichen Beschwerden, kleineren Verletzungen oder chronischen Leiden. Die Passagiere wiederum sind häufig älter und bringen entsprechend typische Alterskrankheiten mit. Neben Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Asthmaanfällen kommt es immer wieder vor, dass Reisende ihre regulären Medikamente vergessen – besonders Blutverdünner wie Marcoumar.
Die medizinische Besetzung ist so organisiert, dass sich die Kompetenzen ergänzen: Einer der Schiffsärzte ist meist eher internistisch, der andere chirurgisch ausgerichtet. Im Notfall wird unabhängig vom Dienstplan gemeinsam entschieden, wer die bessere Expertise für den konkreten Fall mitbringt. Es gibt tägliche Sprechstunden: morgens und abends für die Crew, dazwischen für die Passagiere.
Welche medizinischen Möglichkeiten bietet ein Kreuzfahrtschiff?
Auf grösseren Kreuzfahrtschiffen ist die Ausstattung beachtlich: Es stehen Röntgen, EKG, ein kleines Labor und die Möglichkeit zur Gipsversorgung zur Verfügung. Auch kleinere chirurgische Eingriffe – etwa die Eröffnung eines Abszesses – sind möglich. Grössere Eingriffe unter Narkose können jedoch nicht durchgeführt werden.
Bei ernsteren Erkrankungen (z. B. Herzinfarkt) muss entschieden werden, wie schnell ein Landgang möglich ist. In dringenden Fällen kann das Schiff seinen Kurs ändern oder in Küstennähe gebracht werden, damit eine Helikopterbergung erfolgen kann. Das ist für die Betroffenen körperlich und emotional sehr belastend. Je nach geografischer Lage kann auch entschieden werden, ob es sinnvoller ist, die Behandlung erst im nächsten Hafen durchzuführen – etwa, weil die medizinische Versorgung dort besser ist als im aktuell nächstgelegenen Ziel.
Was passiert im Todesfall an Bord?
Leider kommt es durchaus vor, dass schwer kranke oder terminale Patienten ihre letzte Reise bewusst auf einem Kreuzfahrtschiff antreten. Verstirbt ein Passagier an Bord, verfügen grosse Schiffe in der Regel über gekühlte Lagerräume für solche Situationen. Eine vorherige Anmeldung von Vorerkrankungen erfolgt meist nicht, und es liegt in der Verantwortung der Reisenden, ihre Krankengeschichte oder Medikamente mitzunehmen.
Welche gesundheitlichen Probleme treten am häufigsten auf Kreuzfahrten auf?
Am häufigsten sind banale Beschwerden wie Erkältungen, grippale Infekte, Kopf- oder Halsschmerzen sowie kleinere Verletzungen durch Stürze – etwa beim Treppensteigen. Auch Magen-Darm-Erkrankungen können auftreten, sind aber selten. Wenn es zu einem Ausbruch kommt, ist das ein grosses Thema, obwohl Kreuzfahrtschiffe sehr hohe Hygienestandards haben.
Wie lässt sich Seekrankheit vermeiden?
Seekrankheit lässt sich schwer ganz vermeiden, aber gewisse Verhaltensweisen helfen: leichte Mahlzeiten, wenig Alkohol, frische Luft und der Blick auf den Horizont gerichtet. Wer im Dunkeln sitzt oder die Wand anstarrt, verschlimmert das Problem eher. Für Anfänger empfiehlt sich eine kurze Reise auf einem grossen Schiff mit ruhigem Fahrgebiet.
Wie schützt man sich vor Magen-Darm-Erkrankungen?
Die wichtigste Massnahme ist gute persönliche Hygiene – also regelmässiges Händewaschen und -desinfizieren. Viele Infektionen entstehen durch unachtsames Verhalten: etwa wenn jemand mit den Händen in ein Buffet greift, statt das vorgesehene Besteck zu verwenden. Solches Verhalten gefährdet nicht nur die eigene, sondern vor allem auch die Gesundheit anderer.
Welche Impfungen sind für eine Kreuzfahrt nötig?
Für das Schiff selbst sind keine speziellen Impfungen erforderlich. Welche Impfungen nötig sind, hängt vom Reiseziel ab. Diese Informationen sollten nicht über das Reisebüro, sondern über den Hausarzt eingeholt werden. Auch wer unter chronischen Erkrankungen leidet, sollte im Vorfeld mit dem Hausarzt klären, welche Medikamente notwendig sind und was im Notfall zu tun ist.
Wie funktioniert die medizinische Hilfe im Notfall?
Im Notfall ist medizinische Hilfe jederzeit verfügbar. Es gibt täglich geregelte Sprechstunden, bei Bedarf können Passagiere aber auch direkt ins Bordhospital kommen oder sich ärztlich im Zimmer besuchen lassen.
Wichtig: Die medizinische Versorgung an Bord ist kostenpflichtig und meist teurer als an Land. Die Kosten werden in der Regel direkt über die hinterlegte Kreditkarte abgerechnet. Eine Auslandskrankenversicherung oder spezielle Reiseversicherung wird daher dringend empfohlen.
Gibt es Dialyse- oder Sauerstoffversorgung an Bord?
In der Regel nein – Dialysepatienten können nur an speziellen Dialyse-Kreuzfahrten teilnehmen. Wer auf Sauerstoff angewiesen ist, muss dies im Vorfeld mit der Reederei und dem Ärzteteam organisieren. Solche Sonderwünsche sind nicht auf allen Schiffen möglich.
Wie kann man als Passagier zur Aufrechterhaltung der Gesundheit an Bord beitragen?
Neben der Einhaltung hygienischer Standards sollten Passagiere auf eine vorsichtige Fortbewegung achten – besonders auf Treppen, die häufige Unfallquellen darstellen. Zudem sollte man stets ausreichend Medikamente und – bei chronischen Erkrankungen – möglichst einen kurzen medizinischen Bericht oder Medikamentenplan mitführen.
Fazit
Eine Kreuzfahrt bietet trotz begrenzter Ressourcen an Bord eine überraschend umfassende medizinische Betreuung. Dennoch liegt es auch an den Passagieren, gut vorbereitet zu reisen, auf ihre Gesundheit zu achten – und bei Bedarf frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Dr. med. Christoph Zeller
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin
Geschäftsführer der Praxis am Bahnhof in Rüti ZH