Dr. med. Thierry de Meuron, Chefarzt Ambulante Dienste der Privatklinik Wyss AG, zum Thema Handysucht.
Herr de Meuron, das mobile Telefon geniesst einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Warum?
Das Telefon hat einen Quantensprung in der Kommunikation bewirkt, als es mobil wurde. In der Anfangszeit wurde es als Statussymbol werbewirksam gepusht, mit Betonung der Wichtigkeit der Handybesitzer und entwickelte sich so zu einem Unterscheidungsmerkmal zwischen den Menschen. Einerseits deckt das Handy viele Bedürfnisse ab und andererseits ermöglicht es den Benutzern den Zugang zu Gruppen, welchen man sonst nicht hätte (zum Beispiel via Facebook, Instagram oder LinkedIn).
Ab wann spricht man beim Konsum von einer Handysucht?
Aktuell gibt es keine genaue Definition, wo die Handysucht beginnt und wo sie aufhört. Es gibt keinen einheitlichen Auslöser, welcher eine einheitliche Auswirkung auf den Menschen hat. Hierbei muss unterschieden werden, nach welchem Angebot auf dem Handy man süchtig ist. Zudem müssen die individuellen Folgen berücksichtigt werden, welche durch den Konsum ausgelöst werden. Um eine Handysucht zu diagnostizieren, lehnt man sich an die Konzepte stoffgebundener Süchte an, wie zum Beispiel der Alkohol- oder der illegalen Drogensucht. Hier gibt es klare Definitionen: wenn jemand die Kontrolle verliert und psychische oder physische Folgen entstehen, befindet man sich im Suchtbereich.
An welchen typischen Symptomen erkennt man eine beginnende Sucht?
Typische Symptome, welche einen Suchthinweis geben können, sind ein starker Wunsch der Nutzung, Schwierigkeiten, die Nutzung zu kontrollieren und Auftreten von Nervosität oder Gereiztheit, wenn das Handy nicht genutzt werden kann. Dazu kommt, dass sich die Betroffenen mit einer Handysucht vermehrt zurückziehen und dass diese das Handy über einen langen Zeitraum benutzen. Auch findet eine Verlagerung der Interessen statt und das Auftreten von psychischen und physischen Folgen wird ignoriert.
Wer gehört zur Risikogruppe?
Grundsätzlich kann keine Risikogruppe definiert werden, da sich die Nutzung durch alle Altersschichten und Geschlechter zieht. Es wird aber beobachtet, dass Betroffene mit psychischen Erkrankungen, wie beispielsweise Depressionen oder Angst-, Panik- und Persönlichkeitsstörungen, das Handy vermehrt als «Stabilisierungsanker» nutzen, zum Beispiel als Ersatz für echte Beziehungen und so in die Handysucht geraten.
Wie sollten Angehörige die Betroffenen mit dem Verdacht konfrontieren?
In den meisten Fällen ist die Sucht ein Kompensationsversuch für tieferliegende Probleme. Wichtig ist, dass beim Herangehen an den Betroffenen der nötige Respekt vorhanden ist. Das heisst, Verständnis zu zeigen und eine rücksichtsvolle und klare Kommunikation zu wählen. Eine weitere Option ist, dass man sich den Gebrauch des Handys durch den Betroffenen zeigen lässt – zum Beispiel bei Jugendlichen – und ihm damit signalisiert, dass man sich interessiert. Dadurch wird es einfacher, über die Probleme zu sprechen und man hat ein besseres Verständnis für das gegebene Suchtverhalten. Dem Betroffenen soll vermittelt werden, dass man sich Sorgen macht und die Person einem wichtig ist.
Welche Folgen kann der übermässige Konsum für die Betroffenen haben?
Die Folgen unterscheiden sich durch den Auslöser der Handysucht.
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