Friedreich-Ataxie: Die Krankheit führt in der Regel zum Verlust der Autonomie



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Quelle: TCS MyMed


Die Friedreich-Ataxie ist eine fortschreitende neurologische Krankheit, die im Allgemeinen im Kindesalter oder im frühen Erwachsenenalter einsetzt. Sie wurde erstmals 1863 von dem deutschen Neurologen Nikolaus Friedreich beschrieben.

Unter «Ataxie» versteht man eine Koordinationsstörung der willkürlichen Bewegungen. Die Ataxie kann durch eine Schädigung des Kleinhirns oder der Nervenfasern, welche Informationen vom Rückenmark zur spinocerebellären Bahn weiterleiten, hervorgerufen werden.


Der Friedreich-Ataxie liegt eine Degeneration der spinocerebellären Bahnen und des Kleinhirns zu Grunde und die Krankheit führt zu Gleichgewichtsstörungen, Störungen der Tiefensensibilität sowie verschiedene andere Symptome. Die Krankheit beeinträchtigt jedoch in der Regel nicht die intellektuellen Fähigkeiten. Wie bei allen degenerativen Krankheiten kann der Verlauf je nach Person langsamer oder rascher sein.

Symptome
In der folgenden Aufzählung sind die bei Friedreich-Ataxie auftretenden Symptome zusammengefasst. Die Patienten und Patientinnen können sämtliche oder einen Teil dieser Symptome aufweisen.

Kleinhirnsyndrom (Läsion des Kleinhirns):

  • Gleichgewichtsstörungen
  • Unsicherer Gang
  • Sprechschwierigkeiten mit polternder und schleppender Stimme
  • Koordinationsstörungen
  • Feinmotorikstörungen


Pyramidenbahnläsion:

  • Schwäche und Ermüdbarkeit vor allem der Beine
  • Mitfaktor der Koordinations- und Feinmotorikstörungen
  • Selten Spastizität und Babinski-Zeichen


Schädigung der Hinterstrangbahnen des Rückenmarks:

  • Störungen der Tiefensensibilität (Vibrationssinn, Lagesinn)
  • Dies führt zu einer Verstärkung der Gleichgewichtsstörungen (besonders bei Dunkelheit)


Periphere Nervenschädigungen:

  • Ausfall der Muskeleigenreflexe
  • Beitrag an Sensibiliätsstörungen und Muskelschwäche


Skelettdeformitäten stellen eine Folgeerscheinung der neurologischen Schädigungen dar:

  • Hohlfüsse
  • Skoliose (Verkrümmung der Wirbelsäule)


Diabetes:

  • Bei 10% der Patienten mit Friedreich-Ataxie


Herzstörungen:

  • Bei 50 – 70% der Patienten mit Friedreich-Ataxie
  • Als erste Anzeichen einer hypertrophischen Kardiomyopathie zeigt die Herzuntersuchung (Echokardiografie) eine Verdickung der Herzwand
  • Später kann es auch zu einer Erweiterung der Herzhöhlen kommen
  • Die Herzerkrankung verläuft häufig ohne Symptome, kann aber auch sehr schwer sein und auf Grund von Herz-Rhythmusstörungen oder Herzschwäche zum Tode führen.


Krankheitsverlauf
Die Symptome beginnen meist im Pubertätsalter (13 bis 14 Jahre), können aber auch schon im Kindesalter (4 bis 6 Jahre) oder erst wesentlich später im Erwachsenenalter (20 bis 50 Jahre) auftreten. Bei den spät beginnenden Formen sind häufig die Muskeleigenreflexe erhalten und es fehlen Zeichen einer Systembeteiligung. Die ersten Anzeichen der Krankheit sind häufig Gang- und Gleichgewichtsstörungen sowie Koordinationsschwierigkeiten der Arme (langsame, unpräzise Gesten). Allmählich können weitere Symptome wie Sprechschwierigkeiten, Kältegefühl in den Füssen und starke Ermüdbarkeit dazukommen. Manche dieser Symptome lassen sich nur durch eine gründliche Untersuchung feststellen.

In der Regel sind die körperlichen Symptome der Friedreich-Ataxie unaufhaltsam voranschreitend. Es ist jedoch hervorzuheben, dass der Verlauf von einem Patienten zum Anderen und auch bei den Kindern ein und derselben Familie sehr unterschiedlich sein kann. Die Krankheit führt in der Regel zum Verlust der Autonomie und macht den Gebrauch eines Rollstuhles unumgänglich.

Vererbung
Die Friedreich-Ataxie ist eine Erbkrankheit, die ungefähr eine von 30 000 Personen trifft. Der menschliche Körper besteht aus lebenden Bausteinen, den Zellen. Jede Zelle besitzt einen Kern mit 23 Chromosomenpaaren. Jedes Chromosom setzt sich aus Genen zusammen, die für bestimmte Eiweissfunktionen und das Auftreten von Erbmerkmalen verantwortlich sind. Veränderungen, sogenannte Mutationen, in den Genen können Erbkrankheiten verursachen. Genetische Studien, die Ende der Achtzigerjahre in Angriff genommen wurden, führten im März 1996 zur Entdeckung des Gens, das die Friedreich-Ataxie verursacht.

Das Gen befindet sich auf dem Chromosom 9 und enthält die Information für die Herstellung von Frataxin, einem Eiweiss, das aus 216 sogenannten Aminosäuren besteht und für die Funktion der Mitochondrien wichtig ist, wo das Frataxin auch angesiedelt ist. Die Mitochondrien sind eine in allen Zellen vorkommende mikroskopische Struktur. Sie sind der Sitz der Zellatmung, also für die Bildung von Energie aus Sauerstoff.

Die Friedreich-Ataxie ist eine nicht dominante, sogenannte rezessive Erbkrankheit. Das bedeutet, dass es nur dann zur Erkrankung kommt, wenn beide Chromosomen desselben Paares ein mutiertes Gen aufweisen. Die Übertragung erfolgt autosomal, das heisst, dass sich das verantwortliche Gen auf einem Chromosom befindet, das nicht an der Geschlechtsbestimmung beteiligt ist. Die Krankheit trifft somit unterschiedslos Frauen und Männer.

Therapeutische Massnahmen
Trotz der nachhaltigen Bemühungen im Bereich der medizinischen Forschung besteht für Betroffene mit Friedreich-Ataxie gegenwärtig keine Heilungsmöglichkeit. Für Patienten mit Herzkrankheit besteht die Möglichkeit, mit einem Medikament den Verlauf der Herzkrankheit günstig zu beeinflussen. Das heisst jedoch nicht, dass auf die Behandlung der anderen Krankheitssymptome verzichtet werden kann – ganz im Gegenteil: Symptomgerichtete therapeutische Massnahmen sind unerlässlich für die an Ataxie leidenden Personen, insbesondere um ihnen eine befriedigende Lebensqualität zu erhalten.

Aus diesem Grund kommt der Behandlung der verschiedenen Symptome eine grosse Bedeutung zu. Wichtig sind vor allem:

  • Eine regelmässige Betreuung mit Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie
  • Laufender Kontakt mit einem Facharzt oder einer Fachärztin für Rehabilitationsorthopädie, damit die Entwicklung der Skoliose oder anderer Erscheinungen im Gefolge der Ataxie überwacht werden kann
  • Periodische Besuche bei der Neurologin oder beim behandelnden Arzt
  • Regelmässige Kontrollen beim Kardiologen oder bei der Kardiologin
  • Regelmässige Bestimmung des Blutzuckers


Physiotherapie
Mit Hilfe der Physiotherapie soll die Funktionsfähigkeit so weit wie nur möglich erhalten werden. Die Behandlung umfasst eine (aktive und/oder passive) Mobilisierung der Gliedmassen sowie eine spezielle Heilgymnastik für die Wirbelsäule und zur Bekämpfung der orthopädischen Störungen. Sie konzentriert sich auf folgende wichtige Punkte:

  • Mobilisierung der unteren Extremitäten
  • Mobilisierung und Stärkung des Rumpfes
  • Physiotherapie der oberen Extremitäten
     

Die Motivation der Betroffenen zur körperlichen Betätigung (Schwimmen und andere Sportarten) ist ein zusätzliches Plus und eine wichtige Ergänzung der Behandlung. Schwimmen ist besonders geeignet, weil die Patienten und Patientinnen dabei ihre Gleichgewichtsprobleme vergessen können.

Ergotherapie
Die Ergotherapie ist eine Behandlungsmethode zur Umschulung und Rehabilitation. Sie soll den AtaxiepatientInnen helfen, die Aktivitäten des täglichen Lebens selbständig auszuführen.

Logopädie
Unter Logopädie versteht man das Schulen der Artikulation sowie der mündlichen und schriftlichen Ausdrucksweise. Bei Personen, die an der Friedreich-Ataxie leiden, treten verschiedene Störungen im Bereich der Kommunikation auf. Diese Dysfunktionen, die mehr oder weniger ausgeprägt sein können, betreffen:

  • Den Wortfluss
  • Den Energieaufwand
  • Die Lautstärke der Stimme
  • Die Spontaneität der Wortwahl
  • Die Präzision der Artikulation
  • Den Kontakt mit SprechpartnerInnen
  • Die Beherrschung nervöser Spannungen
  • Die Schrift
     

Alle diese funktionellen Störungen sind von einer Person zur anderen sehr unterschiedlich. Sie werden erheblich verstärkt durch:

  • Erregbarkeit
  • Ungeduld
  • Gereiztheit
  • Müdigkeit
     

Die Logopädiespezialisten haben somit die Aufgabe, den Ataxiepatienten bei der Ausschöpfung aller ihrer Möglichkeiten zu helfen, um ihnen eine möglichst mühelose Kommunikation ohne übermässige Ermüdung zu erleichtern. Dies kann mit verschiedenen Mitteln und Wegen erreicht werden:
 

  • Lösungen zur Beherrschung dieser inneren Spannungen (Erregbarkeit, Ungeduld, Gereiztheit und Ermüdbarkeit)
  • Kontrolle der Lautstärke der Stimme, des Wortflusses und der Artikulation mit Hilfe einer speziellen Technik
  • Alternative Kommunikationsmittel, wenn Sprechen nicht mehr möglich ist
  • Medikamente

Quelle und Zusammenarbeit mit der Schweizerische Muskelgesellschaft (www.muskelgesellschaft.ch).

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