Viele Menschen haben mindestens einmal in ihrem Leben einen Nothilfekurs besucht – sei es in der Schule, als Vorbereitung fürs Autofahren oder bei der Arbeit. Dennoch wissen viele nicht, was in einer Notfallsituation zu tun ist. Herr Beat Brunner von Samariter Schweiz klärt auf.
Herr Brunner, heute ist der Welt-Erste-Hilfe-Tag 2022. Was ist das Ziel dieses Tages?
Der Tag der Ersten Hilfe wurde im Jahr 2000 von der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Halbmondgesellschaften ins Leben gerufen. Der Tag soll daran erinnern, dass Erste Hilfe Leben rettet. Der Feiertag findet jeweils am zweiten Samstag im September statt. Er ist ein Aktionstag rund um die lebensrettenden und gesundheitserhaltenden Sofortmassnahmen. Organisationen wie Samariter Schweiz beteiligen sich an diesem Tag mit Aktionen zur Öffentlichkeitsarbeit, die dazu motivieren sollen, einen Erste-Hilfe-Kurs zu absolvieren.
Wie wichtig ist die Hilfe in den ersten Minuten, bis die Rettungskräfte eintreffen?
Im Notfall kann die Erste Hilfe Leben retten. Bei einem Herzkreislaufstillstand beispielsweise darf nicht abgewartet werden, bis der Rettungsdienst eintrifft, denn die Überlebenschance eines Patienten sinkt von Minute zu Minute. Das frühzeitige Erkennen und Alarmieren in einer Notfallsituation verhindert ausserdem weitere Schädigungen der Betroffenen. Es ist wichtig, die betroffene Person bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu betreuen und zu überwachen.
Wieso sind viele Menschen in Notsituationen, trotz Kurs, überfordert?
Wenn der obligatorische Nothelferkurs schon eine Weile zurückliegt, vergessen viele Menschen die Grundlagen der Ersten Hilfe. Eine Notfallsituation ist für die meisten Menschen eine Ausnahmesituation. Nervosität und Unsicherheit können einen Menschen in solch einer Situation lähmen – ein Notfall kann respekteinflössend sein. Eine solche Herausforderung zu meistern, braucht Mut und Selbstvertrauen. Darum denken Sie immer daran: Nur Nichtstun ist falsch.
Wäre es sinnvoll, seine Erste-Hilfe-Kenntnisse regelmässig aufzufrischen? Wenn ja, in welchen Abständen?
Es wäre zweifelsfrei eine gute Idee, seine Kenntnisse regelmässig aufzufrischen. Auch wenn man dieses Wissen vielleicht nie braucht, ist es immer gut, für den Notfall vorbereitet zu sein. Wir empfehlen, den Nothilfekurs alle zwei Jahre zu wiederholen. Zum einen, um in Vergessenheit geratenes Wissen aufzufrischen, und zum anderen, weil sich die Notfallmedizin ständig weiterentwickelt.
Wie verhält man sich im Ernstfall richtig?
Sinnvoll Erste Hilfe zu leisten, heisst, besonnen und umsichtig das jeweils Richtige zu tun. Als Erstes sollten Sie sich einen Überblick verschaffen. Was ist geschehen? Handelt es sich um einen Autounfall oder eine akute Erkrankung? Wie viele Personen sind beteiligt? Bevor Sie nun etwas unternehmen, nehmen Sie sich die Zeit zu überlegen. Welche Gefahr besteht für die Betroffenen? Wenn Sie helfen, ist es wichtig, dass Sie sich nicht selbst in Gefahr bringen. Nun sichern Sie zum Schutz aller Beteiligten den Ereignisort. Schalten Sie Geräte und Maschinen aus. Sichern Sie den Verkehr. Erst wenn Sie allfällige Risiken minimiert und mögliche Gefahren entschärft haben, sollten Sie sich der Person nähern.
Bei der Patientenbeurteilung schätzen Sie den Zustand der betroffenen Person ein:
- Ist die betroffene Person bei Bewusstsein?
Wenn sie ansprechbar ist, prüfen Sie, was der Person fehlt. Blutet die Person oder klagt sie über Schmerzen? Sie können jederzeit den Notruf 144 wählen.
- Ist die betroffene Person bewusstlos und atmet?
Wenn sie weder auf ein Ansprechen noch auf ein Rütteln an der Schulter reagiert und sich nicht bewegt, ist die betroffene Person nicht mehr bei Bewusstsein. Wenn Sie sicher sind, dass die Person atmet, bringen Sie die Person in eine stabile Seitenlage und wählen Sie den Notruf 144. Prüfen Sie die Atmung, bis die Rettungskräfte eingetroffen sind. Bleiben Sie während dieser Zeit unbedingt bei der betroffenen Person. Sollte die Atmung plötzlich aussetzen, drehen Sie die Person auf den Rücken und beginnen Sie mit der Wiederbelebung, wie unten beschrieben. - Ist die betroffene Person bewusstlos und atmet nicht?
Rufen Sie unverzüglich den Notruf 144 und beginnen Sie anschliessend mit der Wiederbelebung. Drücken Sie 30 Mal jeweils 5–6 cm tief mit einer Frequenz von 100 bis 120 Mal pro Minute fest und schnell in die Brustkorbmitte, gefolgt von zwei Beatmungsstössen. Achten Sie auf sichtbare Brustkorbbewegungen! Falls ein Defibrillator (AED) vorhanden ist, schalten Sie das Gerät ein und befolgen Sie die Anweisungen.
In einer Notfallsituation können Sie jederzeit die Notrufnummer 144 wählen. Geben Sie Ihren Namen und nach Möglichkeit Ihren exakten Standort an. Beschreiben Sie, was geschehen ist. Das Fachpersonal wird Ihnen die richtigen Fragen stellen und Ihnen Anweisungen geben, wie weiter zu verfahren ist.
Samariter Schweiz bietet verschiedene Kurse an. Was sind das für Kurse und für wen sind sie geeignet?
Wir bieten Kurse für alle Erste-Hilfe-Interessierte an, denn Erste Hilfe kann jeder lernen. Dazu benötigen Sie keine Vorkenntnisse. Der Nothelferkurs für Führerscheinerwerbende deckt die wichtigsten Sofortmassnahmen ab. In den Reanimationskursen erlernen Sie die grundlegenden Massnahmen der Wiederbelebung. Speziell für Eltern und/oder Betreuungspersonen von Kleinkindern bietet sich der Kurs «Notfälle bei Kleinkindern» an. Für diejenigen, welche den Ersthelfer-Kurs Stufe 1 IVR absolviert haben, bieten wir weiterführende Kurse in Erster Hilfe an. Kurse können sowohl von Einzelpersonen als auch von Firmen oder Schulklassen gebucht werden.
Standardkurse | Samariter
Samariter Schweiz und seine Samaritervereine schulen nicht nur Menschen in Erster Hilfe, sondern bieten auch weitere Dienstleistungen an. Was sind das für Dienstleistungen?
Allgemein fördert Samariter Schweiz den Einsatz von Freiwilligen im Rettungs-, Gesundheits- und Sozialwesen. In den Samaritervereinen und Jugendgruppen sind rund 17 000 Samariter und beinahe 3000 Jugendliche in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagiert. Sie stehen im Einsatz im Sanitätsdienst bei Veranstaltungen, unterstützen Blutspendeaktionen, engagieren sich in der freiwilligen sozialen Hilfe und arbeiten mit lokalen Rettungsdiensten zusammen. Aktuell unterstützen Samariter die Behörden mit Einsätzen in den Bundesasylzentren, in welchen Flüchtlinge betreut werden.
Quelle und Zusammenarbeit mit Samariter Schweiz (www.samariter.ch).