Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos, Chefarzt und Klinikdirektor Universitäres Notfallzentrum (Inselspital Bern), zum Thema Operationen im hohen Alter.
Herr Exadaktylos, darf ein 95-jähriger Patient noch unters Messer?
Die Antwort lautet: Warum nicht? Ich sage zu meinen Assistenzärzten immer, man muss die alten Menschen nicht dafür bestrafen, dass sie so alt geworden sind, sondern belohnen. Eine Operation im hohen Alter bedeutet nicht in jedem Fall Heilung, kann aber helfen, Schmerzen und Leiden zu lindern und eventuell die Lebensqualität für eine gewisse Zeit verbessern.
Es gibt also keine Altersgrenze für Operationen?
Die gibt es eigentlich nicht. Erlaubt ist, was ethisch in Ordnung ist und was vom Patienten und seinem Körper mitgetragen wird. Und auch die Familie sollte dahinterstehen. So kann ein 90-jähriger Mensch noch sehr fit sein und von einer Knie- oder Herzoperation profitieren. Ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung ist heutzutage, dank gesünderem Leben und sehr guter medizinsicher Versorgung, in der Regel biologisch jünger als die Zahl, die im Ausweis steht. Man ist so alt, wie man sich fühlt. Das alles muss man berücksichtigen, wenn eine Operation geplant wird.
Eine Operation mit 40 oder mit 95 Jahren, was ist der Unterschied?
Zuerst einmal ist die Belastung für einen jungen Körper geringer. Blutverlust, Narkose, Rehabilitation und vieles mehr werden leichter verkraftet als im hohen Alter. Da sind, egal wie fit man ist, die körperlichen Reserven schwächer. Weiterhin sind Wund- und Knochenheilung weniger effizient als bei Jungen. Zudem kommen oft chronische Erkrankungen dazu, welche sich negativ auswirken können. Deshalb wird gegebenenfalls auch die Operations- und Narkosetechnik dem Alter angepasst. Macht man bei Kindern ja auch so.
Was sollte man vor einem Eingriff im hohen Alter beachten?
Betagte Menschen neigen zur Multimorbidität. Wenn vorhanden, müssen diese Begleiterkrankungen bei der Durchführung und Planung der Operation besondere Berücksichtigung finden. Denn: Bestehende oder auch nicht erkannte Begleiterkrankungen können sowohl während eines Eingriffs als auch nach der Operation zu schweren Komplikationen führen. Aber wie ich schon gesagt habe, es soll die «Lebensabendqualität» verbessert werden. Wenn der Mensch danach mehr Schmerzen hat als vorher oder wenn das Leben dann viel komplizierter wird, dann ist es keine erfolgreiche Operation gewesen. So ist zum Beispiel eine Beinamputation für einen jungen Menschen eine Katastrophe, kann aber bei einem älteren Menschen mit Beingefässverschluss und nicht heilenden Wunden und Schmerzen eine echte Verbesserung der Lebensqualität sein.
Vor allem ältere Menschen leiden unter den Nachwirkungen einer Narkose. Was kann dagegen unternommen werden?
Der Narkosearzt wird immer eine dem Alter angepasste Narkosetechnik anwenden, um die Belastung für den Körper so gering wie möglich zu halten (Teil- oder Vollnarkose, oder Kombination möglich). Auch wird der Operateur bemüht sein, die Operationszeit zu begrenzen, aus gut verständlichem Grund.
Welche Operationen sind im hohen Alter besonders risikoreich?
Je älter der Mensch, desto höher das Risiko. Auch kleine Operationen haben ein gewisses Risiko. Jedoch sind Eingriffe am Herzen, dem Gehirn und den grossen Organen besonders risikobehaftet.
Risiko im Alter: Gibt es eine Altersgrenze für Operationen?
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