Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos, Chefarzt und Klinikdirektor Universitäres Notfallzentrum (Inselspital Bern), zum Thema Blasenentzündung.
Herr Exadaktylos, wie äussert sich eine Blasenentzündung?
Eine Blasenentzündung (Zystitis) entsteht, wenn Bakterien (z.B. E. coli) durch die Harnröhre in die Blase gelangen und die Schleimhaut durchdringen. Auf einen solchen Angriff der Darmkeime reagiert der Körper unter anderem durch eine verstärkte Urinproduktion oder Fieber. Blasenentzündungen sind äusserst schmerzhaft und können auch für die Nieren gefährlich werden, wenn die Entzündung entlang der Harnleiter in die Nieren aufsteigt. Man spricht dann von einer aufsteigenden Blasenentzündung.
Warum sind vor allem Frauen betroffen und wann spricht man von einer immer wiederkehrenden, einer sogenannten rezidivierenden Blasenentzündung?
Für einmal kommt es auf die Länge an, und zwar die der Harnröhre. Die männliche Anatomie schützt die Blase besser vor Keimen. Dies ist aber nur ein Grund. Fakt ist, Frauen sind weit häufiger betroffen als Männer, und von rezidivierenden Harnwegsinfektionen spricht man im Allgemeinen, wenn mindestens 2 Infektionen innerhalb von 6 Monaten oder 3 Infektionen innerhalb eines Jahres auftreten. Das betrifft immerhin ca. 5 % aller Frauen in der Schweiz.
Viele Frauen leiden an immer wiederkehrenden Entzündungen. Was bedeutet das für die Frau?
Dies ist natürlich von Patientin zu Patientin unterschiedlich, aber die meisten Frauen haben starke Schmerzen und leiden sehr stark unter den Entzündungen und dem Harndrang. Deshalb sollte man auf keinen Fall versuchen, dies als Bagatelle abzutun.
Ab wann soll der Arzt aufgesucht werden?
Wann immer die Frau das Gefühl hat ärztlichen Rat zu benötigen, oder wenn hohes Fieber dazukommt, die Nieren anfangen zu schmerzen, oder wenn sich die Infektionen häufen.
Was führt zu diesen häufigen Rezidiven?
Wie gesagt, es gibt sehr viele verschiedene Gründe, warum Blasenentzündungen gehäuft auftreten. Sowohl der Hausarzt, Frauenarzt als auch ein Urologe kann hier bei der Abklärung helfen. Wichtig ist, keine falsche Scham zu zeigen, denn im schlimmsten Fall können nicht behandelte Infektionen zu bleibenden Schäden am Urogenitaltrakt führen.
Ist es wahr, dass eine Blasenentzündung durch Sex verursacht werden kann?
Das ist richtig und deshalb sollten bei aktiven, sich nicht schützenden Paaren, immer auch beide Partner untersucht werden, um einen sogenannten «Ping-Pong-Effekt» bei der Erregerübertragung zu vermeiden. Wie gesagt, auch Männer können Harnwegsinfektionen haben, aber mit weniger stark ausgeprägten Symptomen.
Können auch Männer erkranken?
Ja, im fortgeschrittenen Alter, wenn es zur Vergrösserung der Prostata kommt und sich der Harnabfluss verändert, treten Blasenentzündungen auch gehäuft bei Männern auf. Männer sollten bei solchen Infektionen unbedingt einen Arzt aufsuchen.
Was gibt es für Behandlungsmöglichkeiten bei einer akuten oder chronischen Blasenentzündung?
Nicht immer müssen Antibiotika zum Einsatz kommen. Es gibt sehr viele andere Mittel, welche der Blase helfen sich zu regenerieren. Trinken erhöht den Harnfluss und damit die Spülung der Blaseninnenwand. Blasentees haben teilweise auch natürliche antibakterielle Eigenschaften. Bärentraubenblätterextrakt verhindert z.B. das Anhaften von Bakterien im Harntrakt und wirkt durch den Hauptwirkstoff Arbutin desinfizierend. Ihr freundlicher Drogist oder Apotheker weiss da aber mehr Rat als ein Notfallmediziner.
Welche sind die besten vorbeugenden Massnahmen gegen immer wiederkehrende Blasenentzündungen?
Die beste Massnahme ist zu verstehen, warum diese vorkommen. Massnahmen reichen von viel Trinken, über Veränderung von Hygienemassnahmen, oder der Einnahme von Harnwegsimmunsystem stärkenden Präparaten, bis zur prophylaktischen Antibiotikatherapie nach der «schönsten Sache der Welt». Nicht verzagen, Arzt oder Apotheker fragen.
Ist es wahr, dass Cranberrysaft hilft bei einer Blasenentzündung?
Ja, das stimmt. In Cranberrys ist das Tannin Proanthocyanidin enthalten, welches das Anhaften von E. coli an der Blasenwandschleimhaut verhindert. Es sollte jedoch in einer genug hohen Dosis eingenommen werden, sonst ist es «bloss» eine Spülung mit Cranberriewasser. Auch hier kann ein Apotheker oder Drogist gut Auskunft geben.