Prof. Dr. med. Stephan Vorburger, Leiter Chirurgische Kliniken am Spital Emmental, zum Thema Akutes Abdomen.
Was versteht man unter dem Begriff Akutes Abdomen?
Medizinisch korrekt bedeutet «Akutes Abdomen» ein schnell aufgetretenes Problem im Bauchraum, das eine Notfalloperation innert weniger Stunden erfordert. «Akutes Abdomen» ist also keine genaue Diagnose, sondern bezeichnet die Dringlichkeit der Behandlung. Im Alltag wird der Begriff oft für alle akuten Erkrankungen mit Schmerzen im Bauchbereich gebraucht.
Durch welche Schmerzen macht sich ein Akutes Abdomen bemerkbar?
Beim «echten» Akuten Abdomen ist der Bauch bretthart. Der Grund dafür ist, dass die Entzündung des Bauchfelles zu einem reflexartigen Anspannen der Bauchmuskulatur führt. Die Betroffenen bemerken dann eine hohe Empfindlichkeit auf Erschütterungen. Rüttelt man den Bauch oder klopft darauf, werden die Schmerzen deutlich stärker. Unsere Organe im Bauch sind im Gegensatz zur Haut nicht mit Schmerzrezeptoren ausgerüstet. Deshalb führt eine Verletzung oder Erkrankung dieser Organe nur zu einem dumpfen und schlecht lokalisierbaren Schmerz. Erst die Reizung des Bauchfells, als Reaktion auf die Erkrankung des Organs, löst die stärkeren Schmerzen aus, die man genauer anzeigen kann.
Für welche Erkrankung ist dieser Schmerzverlauf typisch?
Ein gutes Beispiel ist die Blinddarmentzündung. Die ersten Schmerzen sind dumpf und oft diffus über dem Bauch. Erst mit der fortschreitenden Entzündung wird das Bauchfell mit einbezogen. Erst dann können die Patienten genau sagen, dass es im Unterbauch rechts «weh tut» und der Druck auf diese Stelle schmerzhaft ist.
Wodurch wird ein Akutes Abdomen, respektive akute Bauchschmerzen, ausgelöst?
Die Gründe für ein Akutes Abdomen sind sehr unterschiedlich. Häufigste Gründe sind Perforationen, das heisst Löcher im Magen oder Darm bei Entzündungen oder Verletzungen, Blutungen, Durchblutungs-Störungen oder ein Darmverschluss. Dahinter stehen beispielsweise Blind- und Dickdarm-, Magen-, Gallenblasen-, Bauchspeicheldrüsen- oder Blasenentzündungen. Aber auch Nierensteine, Prostata-Probleme, eingeklemmte Brüche, Herzprobleme oder eine «einfache» Magendarm-Grippe können heftige Bauchschmerzen auslösen. Zusätzlich können Blut, Gallensaft oder Urin in der Bauchhöhle zu einer schmerzhaften Bauchfellentzündung führen. Besonders ausgeprägt ist die Reaktion bei Austritt von Stuhl oder anderen mit Bakterien beladenen Flüssigkeiten in die Bauchhöhle. Deshalb kann auch ein geplatzter Blinddarm oder ein Magengeschwür, welches «durchbricht» zu Symptomen des Akuten Abdomens führen.
Welche Untersuchungen werden zur Diagnostizierung durchgeführt?
Neben der genauen Erfassung des Krankheitsverlaufs (zum Beispiel Dauer der Schmerzen, plötzlicher Beginn und Auftreten von Krämpfen), kann die Untersuchung des Bauchs die Diagnose bereits stark eingrenzen. Eine Blutuntersuchung zeigt meist das Ausmass der Entzündung an. Besonders bei schlanken und jüngeren Betroffenen wird zusätzlich gerne der Ultraschall eingesetzt. Bei schweren Entzündungen oder einem «echten» Akuten Abdomen hilft oft die Computertomographie weiter. Diese zusätzlichen Untersuchungen helfen auch dem Chirurgen, die allfällige Operation besser zu planen.
Wie wird die betroffene Person behandelt?
Da das Diagnose-Spektrum von eingeklemmtem Bruch über Entzündungen, geplatzte Bauchschlagader oder Eierstock-Drehung bis zum Herzinfarkt alles beinhaltet, muss die Behandlung individuell erfolgen. Beim «echten» Akuten Abdomen steht jedoch nach wie vor die dringliche Operation, als lebensrettende Massnahme, zuoberst in der Massnahmen-Liste.
Kann ein Akutes Abdomen lebensgefährlich werden?
Grundsätzlich gilt, je fitter eine Person vor der Erkrankung ist und je zügiger man handelt, desto eher wird die Krankheit auch überlebt. Da bei einem Akuten Abdomen immer der ganze Körper von der Entzündung betroffen ist, kann aber der Krankheitsverlauf trotz erfolgreicher Operation, bei der die Ursache behoben wurde, ungünstig sein.
Wann sollte man einen Arzt konsultieren?
Unbedingt bei heftigen, nicht krampfartigen Bauchschmerzen, die sich innert Stunden verstärken. Der Hausarzt kann vielleicht schon am Telefon beurteilen, ob eine Notfallstation aufgesucht werden muss. Bei tagelangen Bauchschmerzen, die sich allmählich verstärken, oder bei denen zusätzlich allgemeine Symptome wie Fieber oder Schwäche auftreten, ist es sicher ebenfalls sinnvoll, einen Arzt zu kontaktieren. Ebenso sollten ältere Menschen eher frühzeitig diesen Kontakt suchen. Plötzliche sehr starke Schmerzen können natürlich auch durch Krämpfe bei Harn-, Gallensteinen oder Verstopfung auftreten, ohne dass dabei eine lebensgefährliche Erkrankung vorliegt. Gerade bei den häufig vorkommenden Bauchschmerzen sind die möglichen Ursachen sehr verschieden. Sie fordern deshalb die ganze Erfahrung der behandelnden Ärzte, um das Ausmass und die Dringlichkeit der weiteren Diagnostik und Therapie festzulegen.
Für Anregungen und Inputs, können Sie uns gerne per Mail kontaktieren: med@tcs.ch