Angesichts der ständig wachsenden Patientenzahl auf den Notfallstationen optimieren Spitäler die Organisation. Ein Spital im Kanton Waadt erneuert seine Notfallstation, um die Betreuung der Patienten zu beschleunigen.
Im Spital ist die Notfallstation ein besonderer Ort, an dem sich Menschen, denen Missgeschicke passiert sind, genauso einfinden wie Menschen, bei denen ein lebensbedrohlicher Notfall vorliegt. Hier werden die Patienten, ohne es unbedingt zu bemerken, eingeschätzt und nach Schwere eingestuft, damit man ihnen, falls nötig, Vorrang gewähren kann. Doch wer sich zur Notfallstation begibt, glaubt immer, Vorrang zu haben. Und versteht manchmal nicht unbedingt, dass er oder sie lange auf die Behandlung warten muss, während andere Patienten, die später gekommen sind, vorgezogen werden.
Herr Dr. Mikael de Rham, Generaldirektor des Ensemble Hospitalier de la Côte im Kanton Waadt, kennt diese Problematik: «Wir müssen uns ständig anpassen, um die Bedürfnisse der Patienten bestmöglich zu erfüllen. Denn die Frage der Notfallstation drängt. Unsere Gesellschaft hat sich verändert, alles muss schnell gehen, und das gilt auch für die Pflege. Auf den Notfallstationen äussert sich dies in steigenden Patientenzahlen. Eine mögliche Gegenmassnahme ist die Trennung der Bereiche: lebensbedrohliche Notfälle einerseits und nicht lebensbedrohliche Notfälle auf der anderen Seite. Im Spital von Morges stellten die Grösse der Räumlichkeiten sowie die begrenzten Empfangsmöglichkeiten, wie etwa der Parkplatz, ein Problem dar. Da war es unmöglich, die Notfallstation in zwei Bereiche einzuteilen.»
Deshalb kam man auf eine innovative Idee: «gehende» Notfälle werden nun an einen anderen Ort in der Stadtmitte geleitet und so von den «liegenden» Notfällen getrennt, die, genau wie früher, direkt im Spital ankommen. «Heutzutage können Patienten mit verstauchtem Knöchel einfach nicht mehr stundenlang auf der Notfallstation warten. Das wird nicht mehr akzeptiert. Deshalb mussten wir unbedingt eine effektive und zufriedenstellende Lösung finden.»
Diese Lösung ist ein neues, ein nagelneues Zentrum, das nur einen Steinwurf vom Bahnhof Morges entfernt liegt: die «Permanence des Halles», eine Bereitschaftsstation mit sechs Untersuchungskabinen, einem Radiologie-Zimmer, zwei für orthopädische Fälle reservierten Plätzen, einem Analyselabor und selbstverständlich einer direkten Verbindung zur Notfallstation und dem gesamten medizinischen Angebot des Spitals von Morges, das nur wenige hundert Meter entfernt liegt. Falls nötig, werden schwere Fälle dorthin überwiesen. Ausserdem gehört das Centre, und somit auch das Spital von Morges, zu den kantonalen Gesundheitseinrichtungen, sodass man mit den anderen Zentren des Kantons kooperieren und etwa einen besonders schweren Fall direkt an das CHUV in Lausanne überweisen kann.
An der Spitze der Abteilung steht Dr. Yves Dubey, Facharzt für Sportmedizin und erfahrener Notarzt. Er leitet ein Team aus sieben Fachärzten, von denen ständig zwei und zu Stosszeiten drei vor Ort sind, um möglichst effektiv zu arbeiten. «Je nach Notfallart, Einschätzung der Sanitäter oder der Wartezeit im Spital können hier sogar schwere Notfälle behandelt und mit der Rettung hergebracht werden. Wir sind auf alle Notfälle und jede mögliche Diagnose vorbereitet. Einzige Ausnahmen sind Fälle, in denen spezielle Geräte benötigt werden, wie etwa ein CT, oder in denen ein Operationssaal benötigt wird. Genauso kommt es noch vor, dass Patienten, die noch gar nicht wissen, dass es unsere Bereitschaftsstation gibt (Anm. d. Red.: sie ist Mitte August 2021 eröffnet worden), zunächst direkt ins Spital fahren und dort, wenn sie es wünschen, für eine schnellere Behandlung hierher verwiesen werden. Aber nach und nach spricht sich herum, dass es uns gibt, und die Zahl der Fälle steigt ständig (von durchschnittlich etwa 50 Fällen pro Woche im August ist die Zahl der Fälle in der Permanence des Halles bis Ende September auf etwa 220 Fälle pro Woche angestiegen).»
«Der Vorteil bei uns ist, dass die Patienten, wenn sie hier ankommen, durch die besonderen Abläufe schnell behandelt werden. Idealerweise können die Patienten, nachdem sie am Empfang von den Pflegerinnen nach der Schweizer Triage-Skala richtig eingeordnet wurden – selbstverständlich einschliesslich einer eigenen, getrennten Triage für Covid-Patienten – direkt in eine Behandlungskabine gehen, ohne das Wartezimmer zu betreten. Und in den meisten Fällen gelingt dies auch. Das reicht vom Feinschmecker, dem beim Verzehr eines Barschfilets eine Gräte im Hals stecken geblieben ist, bis zu einem Herrn im Alter von 87 Jahren, der sich «nicht so gut» gefühlt hat und selbst zu uns gekommen ist, obwohl er alle Symptome eines Schlaganfalls gezeigt hat. Und in einem solchen Fall ist der grosse Vorteil, dass wir im Stadtzentrum liegen: Man erreicht uns sehr schnell.»
Doch die Permanence des Halles geht noch weiter: Bereits vor ihrer Einrichtung hatte das EHC unter den Allgemeinmedizinern der Region eine Umfrage durchgeführt, um deren Interesse an einer solchen ergänzenden Einheit in der näheren Umgebung zu erfragen. Die grosse Mehrheit sah diese nicht als mögliche Konkurrenz an, sondern sprach sich dafür aus und war von der Idee begeistert, ein ultramodernes Diagnosezentrum zur Verfügung zu haben, das sogar dringende Fälle betreuen kann. Und die Zusammenarbeit gestaltet sich positiv. Daraus ist sogar eine neue Idee entstanden: Ab dem kommenden Jahr möchte man den Bereitschaftsärzten ein bereits existierendes Untersuchungszimmer zur Verfügung stellen, in dem die Allgemeinmedizinerin oder der Allgemeinmediziner den Bereitschaftsdienst ableisten und die gesamte Infrastruktur nutzen kann, ohne dass die Patienten in der Region kilometerweit fahren müssen, um sich zu einer Arztpraxis zu begeben, die irgendwo im gesamten Bezirk verstreut liegt.