Wenn jede Minute zählt: Ein Helikopter-Einsatzleiter der Rega gewährt Einblicke in seinen Arbeitsalltag

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Michael Henzi, Rega
Michael Henzi, Rega
Quelle: Rega & TCS MyMed

Die Rega leistet rund um die Uhr schnelle und fachkundige Hilfe aus der Luft. Insbesondere bringt sie medizinische Hilfe zu Patientinnen und Patienten und hilft in schwerwiegenden Notsituationen. Die Einsatzzentrale ist das «Herz» der Rega. Hier nehmen Einsatzleiterinnen und -leiter rund um die Uhr Notrufe entgegen. Michael Henzi ist einer von ihnen. Er erklärt, was beim Absetzen eines Notrufs zu beachten ist und wie eine Alarmierung abläuft.

Herr Henzi, wann sollte man direkt die Rega über die Notfallnummer 1414 alarmieren und wann reicht es, den regulären Notruf (144) zu wählen?
Im Notfall soll niemand zögern, die Rega via die Rega-Alarmnummer 1414 oder über die Rega-App zu alarmieren. Eine Alarmierung bedeutet noch nicht, dass gleich ein Rettungshelikopter startet. Wir Einsatzleiterinnen und -leiter in der Rega-Einsatzzentrale können kritische Situationen beurteilen und abschätzen, ob ein Rettungshelikopter das richtige Mittel ist oder ob die Rega anderweitig helfen kann. Wir arbeiten auch eng mit anderen Einsatzzentralen zusammen und können Einsätze weiterleiten. Das bedeutet umgekehrt auch, dass – wenn über die Notrufnummer 144 alarmiert wird – ein Rega-Helikopter aufgeboten werden kann.

In welchen Situationen ist es besonders wichtig, dass die Rega schnell vor Ort ist, und wie unterscheiden sich diese von anderen medizinischen Notfällen?
Ein Rettungshelikopter ist beispielsweise bei einem Notfall in schwer zugänglichen Gebieten, wie in den Bergen oder in abgelegenen Regionen angezeigt. Aber auch bei schweren Verletzungen, zum Beispiel Rückenverletzungen oder Verbrennungen, oder bei akuten Erkrankungen, häufig Herz-Kreislauf-Problemen, zählt jede Minute. Da kann die Rega schnell medizinische Hilfe aus der Luft bringen.

Können Sie uns erläutern, wie der typische Ablauf einer Alarmierung der Rega über 1414 aussieht?
Das ist das Spannende an meinem Beruf: Keine Alarmierung gleicht der anderen. Trotzdem gibt es natürlich Informationen, die wir standardmässig brauchen, um einen Einsatz koordinieren zu können. Ich frage nach den Personalien der anrufenden Person, was genau passiert ist, wo der Unfallort ist und welche Verletzungen oder Symptome bei der Patientin oder dem Patienten vorliegen. Ich bleibe als Ansprechperson am Telefon und entscheide, sollte eine Luftrettung nötig sein, welche Helikopter-Crew von welcher Rega-Basis ich aufbiete, damit die Hilfe am schnellsten am Unfallort eintreffen kann. 

An meinem Arbeitsplatz habe ich jederzeit die Übersicht über die schweizweit verfügbaren Rettungshelikopter und die aktuelle Wetterlage.

Wenn es sich beispielsweise um einen Wanderunfall in den Glarner Alpen handelt und ich sehe, dass Rega 12, also die Crew der Basis Mollis, gerade einsatzbereit ist, biete ich sie zur Rettung auf. Wenn sich die Person in unwegsamem Gelände befindet und ich weiss, dass die Helikopter-Crew Hilfe beim Sichern der Patientin oder des Patienten braucht, kann ich zusätzlich einen Rettungsspezialisten Helikopter oder Bergretter der Alpinen Rettung Schweiz (ARS) aufbieten.

Welche Informationen sind für Sie und Ihr Team entscheidend, um einen schnellen und effizienten Helikoptereinsatz zu planen?
Grundsätzlich gilt: je mehr Informationen desto besser. Absolut entscheidend für einen schnellen und effizienten Helikoptereinsatz ist jedoch definitiv eine genaue Standortangabe. Wichtig ist auch, dass wir eine Einschätzung des gesundheitlichen Zustandes der Patientin oder des Patienten erhalten. Die benötigen wir unter anderem auch für die Wahl des Zielspitals. Bei Einsätzen in den Bergen hilft uns manchmal auch die Farbe der Kleidung der Personen an der Unfallstelle, damit wir der Crew sagen können, nach wem sie auf dem Wanderweg Ausschau halten sollen.

Checkliste für die Alarmierung

Wo ist der Unfallort?

  • Koordinatenangabe (z.B. GPS-Empfänger, Handy)
  • Kanton, Ortschaft, Flurname
  • Markante Punkte in der Umgebung (Berge, Gebäude, Strassen, Gewässer etc.)

Wer ist wie vor Ort erreichbar?

  • Name und Rückrufnummer

Was ist genau passiert?

  • Wie hat sich der Unfall ereignet?
  • Was haben Sie gesehen?

Wie viele Personen sind betroffen, wie verletzt?

  • Anzahl Beteiligte
  • Art der Verletzungen

Wie ist die Situation vor Ort?

  • Landung mit Helikopter möglich?
  • Gefahren durch Kabel, Seile, Antennen?

Wie ist das Wetter vor Ort?

  • Sicht? Niederschlag? Wind?

Wie wichtig ist die genaue Standortangabe bei einer Alarmierung und welche Methoden empfehlen Sie, um den Standort präzise durchzugeben?
Die genaue Standortangabe ist bei einer Alarmierung essenziell. Die Rega kann via Alarmnummer 1414 oder mit der Notfall-App der Rega alarmiert werden. Bei der Alarmierung mit der Rega-App werden zusätzlich zu den Koordinaten auch weitere Informationen, wie der Akkustand des Smartphones oder die Sprache des Geräts übermittelt. Bei der App ist dafür eine minimale Verbindung mit einem Mobilfunknetz notwendig. Wenn man kein Smartphone oder die Rega-App nicht installiert hat, helfen uns auch genaue Adressen oder Beschreibungen von visuell markanten Punkten in der Umgebung.

Was sind die häufigsten Missverständnisse oder Fehler bei der Alarmierung der Rega, die Sie in Ihrer Erfahrung beobachten?
Menschen in Not sind häufig nervös und verwirrt. Darunter leidet manchmal die Genauigkeit der Angaben. So sagt mir beispielsweise jemand am Telefon, der Himmel an der Unfallstelle sei wolkenfrei. Beim Anflug merkt die Crew jedoch, dass sich der Unfallort in einer Nebelwolke befindet. Das kann dann wertvolle Zeit kosten.

Wie schnell können Sie im Durchschnitt auf einen Notruf reagieren, und welche Faktoren beeinflussen diese Zeit? 
Das lässt sich nicht pauschal sagen, jede Alarmierung und jeder Einsatz sind anders. Nach Eingang des Notrufes entscheide ich anhand der erhaltenen Informationen, welchen Helikopter mit welcher Crew ich aufbieten kann und ob noch die Hilfe von Bergrettern benötigt wird. Im Schnitt dauert dieser Prozess vom Alarmeingang bis zum Aufbieten der Crew eineinhalb bis zwei Minuten. Wenn ich den Standort der Person bereits im Einsatzleitsystem sehe und es um eine laufende Reanimation geht, werde ich die Crew unmittelbar aufbieten und dann mit der Erfassung von zusätzlichen Informationen weitermachen.

Landeplatz für den Rettungshelikopter:

  • Grösse: 25 × 25 m, hindernisfrei (keine Kabel, Leitungen etc.)
  • Ungefähr 100 m Distanz zur Unfallstelle
  • Lose Gegenstände wegräumen (Kleider, Rucksäcke, Sonnenschirme etc.)
  • Beim Anflug Standort nicht verlassen und in die Knie gehen
  • Augenkontakt mit dem Piloten halten
  • Annäherung an den Helikopter erst bei stillstehendem Rotor

Welche Massnahmen sollten Ersthelfer vor Ort treffen, um die Ankunft der Rega zu erleichtern oder zu beschleunigen?
Bei der Landung verursacht der Helikopter starken Wind, darum sollten lose Gegenstände, wie Jacken und Rucksäcke, gesichert werden. Er wird so nahe wie möglich und so weit weg wie nötig von der Unfallstelle landen. Meistens setzt der Pilot nicht direkt zur Landung an, sondern dreht noch eine Runde, um mögliche Gefahren aus der Luft zu beurteilen und den optimalen Landeplatz zu suchen.

Gibt es spezielle Situationen oder Regionen, in denen eine Alarmierung und der Einsatz der Rega besonders schwierig ist, und wie gehen Sie damit um?
Notrufe aus dem nahen Ausland sind anspruchsvoll. Denn die Rega-Helikopter brauchen eine Einflugbewilligung der lokalen Behörden, um über die Landesgrenzen fliegen zu dürfen. Deshalb lohnt es sich bei einem medizinischen Notfall im ausländischen Grenzgebiet, direkt die europäische Notrufnummer 112 zu alarmieren. Sollte ein Rega-Helikopter in der Nähe sein, wird er dann bei uns direkt von der zuständigen Leitstelle aufgeboten. Wenn wir aus dem Grenzgebiet bei einem medizinischen Notfall angerufen werden, helfen wir natürlich trotzdem weiter: Wir können beispielsweise an die korrekte Leitstelle vermitteln oder, wenn mit der Rega-App ein Notruf abgesetzt werden kann, die Koordinaten des Unfallortes weitergeben.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen der Rega und den anderen Rettungsdiensten, z.B. Ambulanz oder Feuerwehr, in der Praxis aus?
Die Zusammenarbeit ist sehr eng. Rund die Hälfte der Alarmierungen erhalten wir direkt von den kantonalen Sanitätsnotrufzentralen 144, die bei uns einen Rettungshelikopter anfordern. Je nach Einsatzart benötigen unsere Helikopter-Crews Unterstützung von weiteren Einsatzpartnern mit Spezialwissen und Spezialausrüstung, beispielsweise – wie erwähnt – von den Rettungsspezialisten Helikopter (RSH) des SAC. Wir Einsatzleiterinnen und -leiter koordinieren die Einsätze und stellen sicher, dass alles so effizient wie möglich abläuft: Wir geben zum Beispiel auch wichtige Informationen und die Ankunftszeit des Helikopters an unsere Partner weiter. Im besiedelten Gebiet übernehmen Polizei und/oder Feuerwehr oft die Sicherung des Einsatzortes und das Einweisen unserer Helikopter-Crew, beispielsweise auf einer Strasse, die gesperrt werden muss. Unsere Crews trainieren regelmässig mit Einsatzpartnern, sodass im Notfall jeder Handgriff sitzt. 

Merkblatt: Alarmierung Rettungshelikopter

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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