Dr. Simon Jung ist Leiter des Neurologischen Notfall- und Konsildienstes der Neurologischen Universitätsklinik am Inselspital Bern.
Herr Dr. Jung, welche Kopfschmerzarten gibt es?
Praktisch jeder hat schon einmal von Migräne oder Spannungskopfschmerzen gehört. Neben diesen zwei häufigen Kopfschmerzarten sind aber noch mehr als 180 weitere Arten bekannt. Darunter sind auch eher selten vorkommende Kopfschmerzarten, wie beispielsweise Kopfschmerzen, die nur beim Essen von Eis oder sehr kalten Speisen auftreten.
Wie erkenne ich als Patient den Unterschied zwischen normalen Kopfschmerzen, einer Migräne oder einem Hirntumor?
Man unterscheidet sogenannte primäre Kopfschmerzen von sekundären Kopfschmerzen. Im Gegensatz zum primären Kopfschmerz findet sich beim sekundären eine spezifische organische Ursache des Schmerzes, wie zum Beispiel eine Hirnblutung oder ein Hirntumor. Die Unterscheidung kann auch für den Spezialisten zum Teil schwierig sein und oftmals erlangt man endgültige Sicherheit nur mit einer geeigneten Bildgebung, zum Beispiel einer MRT-Untersuchung des Kopfes.
Was unterscheidet eine Migräne vom Spannungskopfschmerz?
Migränekopfschmerzen sind meist etwas stärker, einseitig lokalisiert und eher von pulsierendem Charakter; Spannungskopfschmerzen hingegen typischerweise beidseits lokalisiert und von drückendem Charakter. Der typische Migränekopfschmerz verstärkt sich im Gegensatz zum Spannungskopfschmerz bei körperlicher Betätigung und deshalb liegen die Betroffenen am liebsten ab.
Inwiefern sind auch Kinder von Migräne betroffen?
Prinzipiell kann Migräne in jedem Lebensalter auftreten, entsprechend können auch Kinder betroffen sein. Im Gegensatz zum Erwachsenen ist der Migränekopfschmerz bei Kindern häufiger beidseitig lokalisiert, oftmals eher von drückendem Charakter und Kinder beklagen zudem nicht selten begleitende Bauchschmerzen.
Wann ist der Griff zum rezeptfreien Schmerzmittel, wann der Gang zum Arzt oder zur Notfallaufnahme angesagt?
Viele Menschen leiden in ihrem Leben irgendwann einmal an Kopfschmerzen. Meist sind diese harmlos und gehen von alleine wieder weg oder verschwinden nach Einnahme von frei verkäuflichen Schmerzmedikamenten. Zum Arzt sollte man, wenn die Schmerzen nicht gut auf Medikamente ansprechen oder häufig wiederkommen. Wenn aber der Kopfschmerz wie ein Donnerschlag ganz rasch aufgetreten ist, begleitend Fieber oder Nackensteifigkeit bestehen oder Zeichen von neurologischen Störungen wie z.B. Sehstörungen, Sprachstörungen, Gefühlsstörungen oder eine Muskelschwäche begleitend auftreten, sollte man sich unverzüglich auf dem Notfall weiter abklären lassen. Wenn zum Beispiel eine Hirnblutung frühzeitig erkannt wird, kann langfristigen Folgeerscheinungen vorgebeugt werden.
Wie geht man bei primären Kopfschmerzen vor, die keine Ursache haben?
Bei primären Kopfschmerzen wie Migräne oder Spannungskopfschmerzen reicht eine symptomatische Therapie mit Schmerzmedikamenten. Bei sehr häufigen Kopfschmerzen steht zudem für viele Kopfschmerzarten eine spezifische Therapie zur Prophylaxe zur Verfügung.
Was halten Sie von Therapieansätzen, bei denen Patienten dauerhaft mit Schmerzmitteln behandelt werden?
Eine Übereinnahme von Schmerzmedikamenten kann selbst zu einem Kopfschmerz führen, dem sogenannten Medikamenten-übergebrauchskopfschmerz. Bereits die Einnahme von Schmerzmedikamenten an mehr als 10 bis 15 Tagen im Monat gilt als Risiko für die Entwicklung eines solchen Kopfschmerzes. Entsprechend ist von einer regelmässigen Einnahme von Schmerzmedikamenten klar abzuraten.