Den plötzlichen Herztod voraussehen – ist das möglich?

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Quelle: TCS MyMed

Ein plötzlicher Herztod kann viele Ursachen haben. Die häufigste sind lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. Die Krankheit dahinter rechtzeitig zu erkennen, kann Leben retten. Der Kardiologe Firat Duru forscht am USZ zur Früherkennung und Diagnose gefährdeter Patientinnen und Patienten.

Der Herzstillstand kommt aus heiterem Himmel und ohne jedes Vorzeichen. Meistens trifft es junge, scheinbar gesunde Menschen, in der Mehrheit Männer, häufig beim Sport oder anderen körperlichen Anstrengungen. Im Glücksfall können Ersthelfer Reanimationsmassnahmen anwenden, bis Sanitäter und ein Notarzt eintreffen. Gelingt es, den Patienten zu retten, muss ihm meistens ein Defibrillator implantiert werden, der die nächste lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung erkennt und beendet.

In den meisten Fällen Herzmuskelerkrankungen
Auslöser für den plötzlichen Herztod bei jungen Erwachsenen sind in den meisten Fällen Herzmuskelerkrankungen, die zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche führen. Eine dieser Erkrankungen ist die arrhythmogene rechtsventrikuläre Cardiomyopathie (ARVC). Als «rechtsventrikulär» wird sie bezeichnet, weil vor allem die rechtsseitige Herzkammer davon betroffen ist.

Seit einiger Zeit weiss man, dass etwa der Hälfte aller Fälle der ARVC eine vererbte Genmutation zugrunde liegt. Diese Genmutation bewirkt meistens eine Veränderung im Desmosom, einer Eiweissstruktur, welche die Herzmuskulatur zusammenhält und stabilisiert. Die Veränderung der Strukturen führt dazu, dass diese unter Belastung reissen können. Dadurch verändern sich die Muskelstrukturen des Herzens – es gerät blitzartig ausser Takt und steht schliesslich still.

Die lebensrettende Diagnose ist auch für Spezialisten schwierig
Die von ARVC betroffenen Patienten haben deshalb ein hohes Risiko, einen plötzlichen Herztod zu erleiden. Die Diagnose und Behandlung dieser Krankheit ist aber auch für Spezialisten eine Herausforderung. Die Ursachen und Folgen von Herzinfarkten und anderen Herzmuskelerkrankungen sind gut untersucht und meistens gibt es bei diesen Erkrankungen Anzeichen, die dazu führen, dass Abklärungen vorgenommen werden. Die krankhaften Veränderungen im Herzen sind bei den häufigsten Herzerkrankungen in den Untersuchungen auch gut zu sehen. Die ARVC verursacht hingegen zu Beginn selten Symptome. Oft zeigt sich die Veranlagung dazu zum ersten Mal bei einem Herzstillstand. Vernarbungen und Fettablagerungen nach früheren, meistens unbemerkten Schäden im Desmosom sind auch von Spezialisten mit bildgebenden Verfahren nur schwierig zu erkennen.

Anstrengungen wie Sport können die Rhythmusstörungen auslösen
«Wir wissen bisher über ARVC, dass sie oft vererbt wird und Anstrengungen wie Sport die Rhythmusstörungen auslösen können. Auch erleiden mehr Männer als Frauen einen plötzlichen Herztod aufgrund von ARVC», fasst Firat Duru den derzeitigen Wissensstand zusammen. Prof. Dr. med. Firat Duru, Kardiologe am USZ, forscht seit Jahren zu ARVC und ist einer der Direktoren eines internationalen Forschungsprogramms dazu, das am USZ angesiedelt ist. «Die Diagnose ist aber kompliziert und aufwändig. Dabei werden EKG, Belastungstest, Langzeit-EKG, Herzultraschall, MRI sowie invasive elektrophysiologische Untersuchungen durchgeführt.

Anhand all dieser Untersuchungen kann in Kombination verschiedener Kriterien die Diagnose gestellt werden. Für eine definitive und sichere Diagnose müssten wir jedoch eine Herzbiopsie machen, also Herzgewebe entnehmen und auf winzige strukturelle Veränderungen untersuchen», erklärt Firat Duru. «So ein Eingriff ist jedoch nur in Ausnahmefällen angebracht.» Weil die Krankheit mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 50 Prozent vererbt wird, sollten auch die Verwandten eines Patienten abgeklärt werden, um gefährdete Personen erkennen und vorsorglich behandeln zu können.

Ein Bluttest soll zeigen, wer ARVC in sich trägt
Das Team um Firat Duru forscht deshalb nach Möglichkeiten, die Krankheit auf anderem Weg erkennen zu können. «Ideal wäre, wenn wir eindeutige Biomarker für die Krankheit fänden. Dann wäre es möglich, mit einem einfachen Bluttest die Krankheit sicher zu diagnostizieren oder auszuschliessen.» Für betroffene Patienten und ihre Verwandten würde dies in vielen Fällen einen lebensrettenden Fortschritt bedeuten.

Um möglichst viele Daten erkrankter Patienten für die Suche nach Biomarkern zu sammeln, etablierten Prof. Firat Duru und seine Kollegin Prof. Corinna Brunckhorst 2011 ein klinisches Programm und ein Forschungsprogramm, zu dem u.a. Forscherinnen und Forscher vom Johns Hopkins Hospital in Baltimore/USA sowie ARVC-Forschungsgruppen aus Kanada, den Niederlanden und China Daten beitragen. «Die internationale Zusammenarbeit ist unsere Stärke», sagt Firat Duru. «Dank ihr erreichen wir Datengrössen, die uns aussagekräftige Erkenntnisse ermöglichen.»

Weltweit einzigartige 3-D-Herzmodellierungen
Intensiv ist auch die Zusammenarbeit mit Ingenieuren verschiedener Disziplinen der ETH Zürich. So stellt Firat Duru zusammen mit Hydrodynamikern von der ETH anhand der Daten dreidimensionale, funktionelle Silikonmodelle von Herzen her, mit denen u.a. der Blutfluss im Herzen untersucht werden kann. «Anhand dieser weltweit einzigarten 3-D-Modellierungen erforschen wir die Herzflussdynamik, vor allem in der rechtsseitigen Herzkammer. Ein erhöhter Druck während körperlicher Belastung und die damit verbundenen veränderten Blutflussverhältnisse im Herzen können den Herzmuskel langfristig schädigen oder eine bestehende Herzmuskelkrankheit zusätzlich verschlimmern.»

Für die Forscher immer noch ein Rätsel ist auch die Verteilung der Krankheit auf die Geschlechter. Weitaus mehr Männer als Frauen erleiden einen plötzlichen Herztod. Zudem haben Männer, die einen Herzstillstand aufgrund von ARVC überstanden haben, eine schlechtere Prognose als Frauen. Bekannt ist, dass es einen Zusammenhang zwischen dem männlichen Hormon Testosteron und dem plötzlichen Herztod gibt und dass das weibliche Hormon Östrogen Frauen davor schützt. Aber welche Rolle genau diese Hormone beim plötzlichen Herztod spielen, wird in einer weiteren laufenden Forschungskollaboration zusammen mit der ETH und internationalen Forschungspartnern untersucht.



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