Prüfungsangst: Vom Lampenfieber zur Angst

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Quelle: TCS MyMed

Frau lic. phil. Dorothee Schmid, Fachpsychologin für Psychotherapie FSP und Leiterin Kompetenzbereich Angst- und Zwangsstörungen der Privatklinik Wyss AG, zum Thema Prüfungsangst.

Frau Schmid, wann sprechen wir von einer Prüfungsangst?
«Als Prüfungsangst wird das vor, während und nach Prüfungssituationen auftretende exzessive Ausmass an Angst und Besorgnis bezüglich eigener ungenügender Prüfungsleistungen und der assoziierten negativen Bewertung der eigenen Person bezeichnet.» (Brown et al., 2010)

Gibt es verschiedene Vorbedingungen für diese Angstform?
Ja, es gibt verschiedene Vorbedingungen, welche zur Entstehung dieser Angst führen:

  • Ungünstige Kontrollüberzeugungen: Wenn die Person der Überzeugung ist, das Ganze nicht im Griff zu haben.
  • Tiefe Selbstwirksamkeitserwartung: Das heisst, dass der/die Betroffene das Gefühl hat, selbst nichts bewirken zu können.
  • Leistungsmotivation im Sinne von Vermeidung: Hiervon spricht man, wenn die Person denkt, dass sie keine Schwächen zeigen darf.
  • Ungünstige Gedanken zum Thema Prüfung: Die betroffene Person macht sich ungünstige Gedanken rund um die Prüfung sowie den Inhalt oder die eigene Leistung.
  • Ungünstige Verhaltensweisen: Zum Beispiel ungenügende Prüfungsvorbereitung.


Gibt es auch Faktoren, welche direkt vor einer Prüfung die Angst verstärken?
Nebst den Vorbedingungen spielen auch diverse Faktoren unmittelbar vor der Prüfungssituation eine immense Rolle bei einer Prüfungsangst:

  • Schlechte Vorbereitung: Wenn sich jemand ungenügend vorbereitet hat, kann das nachvollziehbare und sogar berechtigte Angst auslösen.
  • Perfektionismus: Wenn eine Person sehr hohe Erwartungen an sich selbst hat, kann dies zu einem Problem in der Prüfungssituation führen.
  • Blockierende Gedanken: Betroffene machen sich viele ungünstige Gedanken zur bevorstehenden Prüfung (und darüber hinaus) und lösen so eine Blockade aus.
  • Druck von aussen: Hier spielen die Erwartungen, welche beispielsweise die Angehörigen an die betroffene Person haben, eine wichtige Rolle.
  • Versagensängste: Die Angst zu versagen kann für den Prüfungsteilnehmer zu einem grossen Hindernis werden.
  • Schreckensszenarien: Die Betroffenen stellen sich die schlimmsten Szenarien für die Prüfung vor, wie schlimm die Prüfung sein wird und dass sie sicherlich nichts wissen werden.
  • Blackout: Durch alle diese Faktoren kann es während der Prüfungssituation im schlimmsten Fall zu einem Blackout kommen.


Welche Menschen neigen besonders zu Prüfungsangst?
Oftmals sind Menschen mit einer ungünstigen Lerngeschichte gefährdet für die Entwicklung einer Prüfungsangst. Das sind Menschen, welche in ihrem Leben bereits mit Misserfolgen zu kämpfen hatten oder vermehrt negativ bewertet wurden. Dazu kommen personenbezogene Faktoren wie beispielsweise Ängstlichkeit, fehlende Motivation, Überforderung oder die Tendenz zum Aufschieben. Wichtig sind auch biologische Faktoren (genetische Veranlagung), zum Beispiel die Neigung, schnell in Angst zu geraten.

Was kann man selbst gegen Prüfungsangst tun?
An erster Stelle steht eine gute und seriöse Vorbereitung. Hinzu kommt, dass man versuchen sollte, beispielsweise den Perfektionismus, die Leistungsorientierung und den Druck von aussen nicht so stark zu gewichten. Des Weiteren spielt auch die emotionsfokussierte Stressbewältigung eine wichtige Rolle. Betroffene versuchen nicht, die gegebene Situation zu bewältigen, sondern lediglich die unangenehmen Gefühle, welche durch die Prüfungssituation ausgelöst werden, zu vermeiden. Dieser ungünstige Umgang mit Stress sollte durch ein lösungsorientiertes Vorgehen ersetzt werden. Um eine nachhaltige Verbesserung zu erzielen, ist es in den meisten Fällen sinnvoll, eine Therapie zu beginnen, um die Probleme zu bearbeiten.

Oft hört man von Blackouts bei Prüfungen. Ist das ein Teil der Prüfungsangst?
Wenn alle Komponenten, wie zum Beispiel die Schreckensszenarien, der Leistungsdruck und die Versagensängste zusammenkommen, kann das Endresultat ein Blackout sein. Leidet eine Person unter einer echten Prüfungsangst, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Blackout (komplett oder teilweise) auftritt, sehr hoch.

Wie reagiert man als Angehöriger richtig auf die Angst des Betroffenen?
Als Angehöriger sollte man versuchen, die unmittelbaren Bedingungen wie den Perfektionismus, den Leistungsdruck oder die schlechte Vorbereitung zu beeinflussen. Das kann beispielsweise durch die Unterstützung in der Vorbereitungszeit, Entlastung vom Perfektionismus oder das Zusprechen von Mut passieren. Sollten die Ängste immer wieder auftreten, ist es wichtig, dass die Angehörigen zu einer Therapie raten und für die Betroffenen eine Stütze in dieser Zeit sind.

Ab wann sollte man sich therapeutische Hilfe holen?
Wenn Lampenfieber, was jede Person kennt vor einer Prüfung, zu Angst wird und sich die Angstsituationen wiederholen, sollte man sich professionelle therapeutische Hilfe holen.

Welche Behandlungsmethoden gibt es?
Aktuell gibt es keine Behandlungsmethode, welche speziell für die Prüfungsangst entwickelt wurde. Um die korrekten therapeutischen Massnahmen ergreifen zu können, wird auf bekannte und geeignete Therapieformen zurückgegriffen und es werden die entsprechenden Elemente zur Bearbeitung der Vorbedingungen eingesetzt. Ein wichtiger Punkt zum Erreichen einer Verbesserung ist der Faktor Zeit. Dauerhafte Ergebnisse können nicht von heute auf morgen erzielt werden.

Es gibt diverse Hausmittelchen, wie beispielsweise Baldrian, Lavendel oder Kamille, welche gegen die Angst helfen sollen. Wie hilfreich sind diese wirklich?
Diese Hausmittel können zwar eventuell die Symptome der Anspannung reduzieren, jedoch nicht die zugrunde liegenden Bedingungen beeinflussen. Somit helfen diese Mittel vielleicht für einen kurzen Moment, den Stress ein wenig zu reduzieren, sind aber langfristig keine Lösung für die Prüfungsangst.

Literaturhinweis: Herzer, F.J.H., Dissertation 2016

Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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