Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos, Chefarzt und Klinikdirektor Universitäres Notfallzentrum (Inselspital Bern), zum Thema Eisenmangel.
Herr Exadaktylos, ein Eisenmangel ist eine häufige Mangelerscheinung. Ist das eine Modeerkrankung?
Nein, eine Modeerkrankung sicher nicht, aber häufiger als früher wohl schon. Die Gründe sind vielfältig. In der Schweiz und Europa sind am ehesten Veränderungen in der Ernährung als Gründe anzuführen. In ärmeren Ländern ist vor allem die Mangelernährung ein Grund.
Welche Symptome ruft Eisenmangel hervor?
Bevor es zu ausgeprägten Symptomen kommt, sind am ehesten Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Konzentrationsschwäche Anzeichen von fehlendem Eisen. Wenn die roten Blutkörperchen betroffen sind und eine Eisenmangelblutarmut (Eisenmangel-Anämie) vorliegt, dann können die Symptome sehr viel ausgeprägter sein.
Wer ist besonders davon betroffen?
Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist die Monatsblutung ein nachvollziehbarer Grund für Eisenverlust. Noch ausgeprägter kann der Eisenmangel bei Schwangeren sein. Auch Senioren stellen eine «Risikogruppe» dar, da diese dazu tendieren, weniger zu essen oder die Ernährung aufgrund von Kauproblemen eher fleischarm zu gestalten und nicht genug auf alternative Eisenquellen in den Mahlzeiten achten. Personen, die regelmässig Säureblocker einnehmen um den Magen zu schonen, können auch einen Eisenmangel erleiden, denn ein genügend saures Magenmilieu ist Voraussetzung dafür, dass eisenhaltiges Essen richtig verdaut werden kann.
Kann Eisenmangel ein Notfall sein?
In der Regel ist es kein Notfall, denn es ist ja ein langsamer Prozess, an den sich der Körper sogar gewöhnen kann. Kommen aber aussergewöhnliche Umstände dazu, wie Blutverluste oder Infektionen, so kann ein chronischer Eisenmangel zu einem akuten Problem werden.
Wie hoch ist der Tagesbedarf an Eisen?
Ein gesunder Mann sollte täglich ca. 1 bis 2mg Eisen über den Magendarmtrakt aufnehmen, eine gesunde Frau wegen der Regelblutung etwa doppelt so viel. Damit dies aber möglich ist, muss unsere Nahrung ca. 5 bis 10 Mal so viel Eisen enthalten, da viel auf dem Weg durch Magen und Darm verloren geht, bzw. ungenutzt in der Schüssel landet, um es salopp zu sagen.
Was sind gute Eisenquellen?
Grundsätzlich haben wir zwei natürliche Eisenquellen: das «Häm-Eisen», welches vor allem in rotem Fleisch vorkommt, aber auch in Meeresfrüchten und Geflügel. Ein 150mg Steak enthält ca. 3mg Eisen. Leber, Niere und Herz vom Rind können bis zu 17mg pro 100 Gramm enthalten. Dies ist ein Power-Eisen und wird auch besser vom Körper aufgenommen als pflanzliches Eisen. Somit kommen grössere Mengen von Hülsenfrüchten (z.B. Linsen, Haferflocken, Quinoa), aber auch Spinat und Grünkohl als Eisenquellen in Frage und können ein adäquater Ersatz sein. Interessant zu wissen ist, dass die Eisenaufnahme in Kombination mit konzentriertem Vitamin C erhöht wird. Es gibt unzählige Quellen im Internet und Zeitschriften, welche eisenhaltige Nahrungsmittel und deren Kombinationen und Zubereitung auflisten. Also, alte Liebe rostet nicht und Eisen ist gesund.
Wann raten Sie zu Tabletten oder zu einer Eiseninfusion?
Bevor wir zu Tabletten oder sogar zu Infusionen greifen, sollte man mit seinem Arzt gesprochen haben. Der kann anhand einer Blutuntersuchung feststellen, was der Grund für einen Eisenmangel oder Eisenverlust ist. Wenn unsere Eisenspeicher (fast) leer sind, ist der Körper nicht mehr in der Lage, genug Eisen über Magen und Darm aufzunehmen, um die Speicher zu füllen. In dem Fall muss über Wochen oder Monate Eisen via Tabletten substituiert werden. Wenn diese nicht vertragen werden oder ein schneller Eisenersatz angezeigt ist, dann kommen Eiseninfusionen zum Einsatz.
Eisenmangel ist keine Modeerkrankung: Was der Chefarzt dazu sagt
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Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.