Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos, Chefarzt und Klinikdirektor Universitäres Notfallzentrum (Inselspital Bern), zum Thema Blitzschlag.
Herr Exadaktylos, was passiert im menschlichen Körper bei einem Blitzschlag?
Grundsätzlich kommt es darauf an, ob es sich um einen direkten Blitzschlag (eher tödlich und schwere Folgeschäden) oder um indirekte Blitzunfälle (eher überlebbar und mittlere Folgeschäden) handelt. Das Gefährliche bei einem Blitzschlag ist, dass der Strom nach seinem Eintritt an einer beliebigen Körperstelle entlang der grossen Gefässe (Schlagadern) durch den Körper fliesst, um dann an einer anderen Stelle wieder auszutreten. Der menschliche Körper, welcher fast nur aus Wasser besteht, ist dabei ein hervorragender Leiter. Neben dem eigentlichen Ein- und Austritt des Stroms, welcher mit lokalen Verletzungen und Verbrennungen einhergeht, können auch innere «Verkochungen» entlang der Strombahn auftreten.
Das klingt sehr gefährlich.
Da man gelegentlich nur einen relativ kleinen Ein- und Austritt sieht, wird das Ausmass teils unterschätzt, was fatale Folgen haben kann.
Welche Folgen?
Neben der Wärmeenergie kommt es durch die elektrische Ladung zu Herzrhythmusstörungen, welche zum sofortigen Herzstillstand führen können. Zudem können ungewollte Muskelkontraktionen auftreten, die so stark sind, dass Knochen brechen oder Gelenke auskugeln. Das Gehirn, in dem normalerweise geringe aber hochkomplexe Ströme fliessen, kann durch eine derart hohe Strommenge verletzt werden, so dass von einer vorübergehenden Bewusstseinsminderung bis zum Koma alles möglich ist. Weiter gibt es auch weniger schlimme Verletzungen der Augen und Ohren, welche durch den Knall und den Lichtblitz hervorgerufen werden.
Was sind häufige Verletzungen durch Blitzschläge?
Blitzschläge verursachen Herzrhythmusstörungen und Verletzungen des Nervensystems. Dies sind neben den oben beschrieben thermischen Verletzungen die «schlimmsten» Verletzungen.
Gibt es bleibende Folgeschäden?
Wer einen Blitzunfall überlebt, ist damit noch nicht über den Berg. Je nach Energie kann es Stunden bis Tage später zum Absterben von Gewebe entlang der Strombahn im Körper kommen. Dieses tote Gewebe kann zu «Abstossungsrektionen» im Körper und zu schweren Belastungen führen, wie zum Beispiel Nierenversagen. Herzrhythmusstörungen können auch verzögert auftreten und das Ausmass der Nervenschäden zeigt sich meist erst im Verlauf.
Was kann man machen, wenn jemand vom Blitz getroffen wurde?
Sich selber nicht in Gefahr bringen, denn ein Blitz kommt selten allein! Wenn die Umgebung sicher ist, sollte man sofort mit Erste-Hilfe-Massnahmen beginnen. Bei einem Herzstillstand zählt jede Sekunde. Aber aufpassen, dass man sich selber nicht in Gefahr bringt. Und dann unbedingt sofort die Ambulanz oder REGA rufen, auch wenn der Patient wieder bei Bewusstsein ist. Zudem sollte man im Zweifelsfall immer zur Kontrolle auf eine Notfallstation gehen, wenn man sich nicht sicher ist. Wie eine kleine Bombe entwickeln Blitze, die in der Nähe einschlagen, eine thermische und mechanische Energie, dass man sich manchmal nicht sicher ist, ob man «getroffen» wurde oder nicht.
Richtiges Verhalten vermindert erheblich das Risiko, von einem Blitz verletzt zu werden. So schützen Sie sich richtig bei Blitz und Donner:
- Gebäude, möglichst mit Blitzableiter, schützen sehr gut.
- In einem Fahrzeug wird der Blitz über die Metallkarosserie abgeleitet. Metallteile dürfen nicht berührt werden. Sicherheit bieten nicht nur Autos, sondern auch Flugzeuge, Züge oder Seilbahngondeln.
- Keinen Schutz auf Hügeln oder unter alleinstehenden Bäumen oder Masten suchen, auch nicht unter einem aufgespannten Regenschirm, denn der Blitz sucht sich den höchsten Punkt.
- Runter vom Golf- oder Fussballplatz, denn feuchte Rasenflächen transportieren einen Blitz ungehindert weiter.
- Hände weg von Gegenständen aus Metall: Metallhaltige Gegenstände wie Regenschirme, Wanderstöcke, Golfschläger, Geld und Schlüssel ziehen den Blitz an. Deshalb mindestens drei Meter weit entfernt legen.
- Metallzäune können ohne ausreichende Erdung den Strom über hundert Meter weiter leiten.
- Scheunen und andere Unterschlupfmöglichkeiten aus Holz sind keine Option und in offenen Unterständen aus Metall – etwa Bushäuschen – sollte man in der Mitte der offenen Seite warten, möglichst weit weg von den Wänden.
- Weg von Gewässern: Wer in einem Badesee schwimmt oder in einem Freibad planscht, sollte dieses umgehend verlassen, da Wasser eine hohe Leitfähigkeit besitzt.
Mythos oder Wahrheit?
Schlägt der Blitz durchs offene Fenster ein?
Einen Blitz, der durch das geöffnete Fenster in die Wohnung einschlägt, verweist Blitz-Experte Thomas Raphael laut Focus klar ins Reich der Mythen. Befindet man sich in einem Raum mit viel Metall, etwa am Dach oder den Fensterrahmen, könne es allerdings durchaus gefährlich sein, während eines Gewitters am Fenster zu stehen. Wer sich dann gegen einen metallenen Heizkörper lehnt, riskiert einen Schlag.
Stimmt es, dass das Handy den Blitz anzieht?
Das ist ein Mythos. Die Strahlung ist dafür viel zu schwach.