Dr. Benno Zeidler, Leitender Arzt Gynäkologie des See-Spitals, zum Thema Stürze in der Schwangerschaft.
Herr Zeidler, mit der kalten Jahreszeit steigt auch die Zahl der Sturzunfälle. Wie gefährlich kann ein Sturz für eine Schwangere sein?
Zunächst einmal sind alle Stürze für Menschen unangenehm. Verletzungen von fast allen Körperteilen sind dadurch möglich und unterschiedlich gefährlich, je nachdem wie, wo, wogegen und auf welchen Untergrund man stürzt. Wie schnell man sich bewegt und wie schwer man grundsätzlich ist. Besonders wichtig bei Stürzen ist die eigene Beweglichkeit und Reaktionsfähigkeit.
Wenn man weich abrollt oder sich stützt, passiert meistens nichts, aber kann man das immer?
Schwangere sind nie einfach Schwangere, daher gilt alles graduell mehr. Je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist, umso exponierter ist der Bauch und damit die Schwangerschaft unmittelbarer von einem etwaigen Sturz betroffen. Erfahrungsgemäss wird die Mutter schwerer, träger und entsprechend weniger beweglich.
Was passiert, wenn die Fruchtblase beschädigt wurde oder sich die Plazenta von der Gebärmutterwand löst?
Die Gebärmutter, welche von Fett, Muskeln und Haut umgeben ist, umschliesst die Fruchtblase und schützt sie so vor Verletzungen. Daher kommt es fast nie zu deren Verletzung, ausser bei extremen Traumata bei Autounfällen oder einem direkten Aufprall auf den Bauch, wodurch eine extreme Druckerhöhung auf den Bauch wirkt. Die Plazenta hingegen ist nur angelegt und mit ein paar Gefässen mit der Gebärmutter verbunden. Durch sehr starke Erschütterungen kann es – je später eine Schwangerschaft fortschreitet desto eher – auch einmal zu einem Lösen dieser Verbindungen kommen. Wenn das passiert, treten meist Blutungen auf. Hierbei handelt es sich um ein Alarmsignal, was nach einem Trauma sofort zu einer Untersuchung führen sollte.
Wie gefährlich ist eine Plazentaablösung für die Schwangere und das Ungeborene?
Wenn die Ablösung nur einen kleinen Teil der Plazenta betrifft, kann die verletzte Stelle wieder zusammenheilen und sich stabilisieren. Handelt es sich jedoch um einen sehr grossen Teil, besteht akute Lebensgefahr für das Kind und letztlich auch für die Mutter. Gottseidank ist das, insbesondere bei einem blossen Sturz, extrem selten.
Besteht sogar die Gefahr einer Fehlgeburt?
Eine solche Ablösung der Plazenta in einer frühen Schwangerschaftswoche käme zumeist einer Fehlgeburt gleich, allerdings ist das eher theoretisch. Kleine Stösse, zum Beispiel beim Sport oder auch im Haushalt, gehören zum normalen Leben dazu. Durch die Lage der Gebärmutter in der Körpermitte und der Fruchtblase als Schutz für das Ungeborene, herrschen optimale Voraussetzungen, um den äusseren Einwirkungen Stand zu halten. Hinzu kommt, dass man ja meistens nicht flach auf dem Bauch landet, sondern sich im Fall abrollt oder stützt, was den Aufprall massiv dämpft.
Kann sich das Ungeborene durch den plötzlichen Druck des Aufpralls Verletzungen zuziehen?
Nein, das Kind schwimmt geschützt in der Fruchtblase. Jede Beschleunigung oder Erschütterung geht als Ganzes auf das gesamte Fruchtwasser über. Das ist, wie wenn man in einem See schwimmt und jemand irgendwo mit dem Paddel aufs Wasser schlägt oder gar am anderen Seeufer ein Fels ins Wasser stürzt – man wird es kaum spüren. Ist man aber unter Wasser, so kann man es gut hören.
Wie sollten sich Schwangere verhalten, wenn es zu einem Sturz kommt?
Weich abfedern ist das Ziel: Also alles fallen lassen, was man trägt (ausser es ist ein Kind). Abstützen und lieber versuchen, voll und weich verteilt mit dem ganzen Körper auf den Boden abzurollen, als krampfhaft nur mit einem Ellenbogen alles abfangen zu wollen. Damit das klappt, ist es – generell, und nicht nur in der Schwangerschaft – sicher sinnvoll, die eigene Flexibilität etwas zu trainieren und dadurch keine Angst vor einem kleinen Stolper haben zu müssen.
Wann sollte man einen Arzt konsultieren?
Ist man einmal gestürzt, sollte man sich langsam aufrichten und bewusst fühlen, ob etwas weh tut. Fühlt sich der Bauch hart an oder kommt es gar zu Blutungen, sollte man sich umgehend in einer Klinik durchchecken lassen. Das gilt ausserdem immer dann, wenn man sich nicht wohlfühlt und sich echte Sorgen macht. In der Klinik kontrollieren wir die feste Verbindung der Plazenta mit dem Ultraschall und ermöglichen gerne eine Überwachung für eine gewisse Zeit, um kleinere Verletzungen nicht zu übersehen. In aller Regel können die meisten Schwangeren dann mit einem gesunden Kind im Bauch beruhigt wieder nach Hause gehen.
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