Der Gynäkologe Doktor Didier Schaad, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe der FMH in Lausanne, spricht mit uns über Präeklampsie, eine Komplikation, die die Zeit während und nach der Schwangerschaft ziemlich verkomplizieren kann.
Dr. Schaad, was ist eine Präeklampsie?
Darunter versteht man einen durch die Schwangerschaft ausgelösten dauerhaft erhöhten Blutdruck, der mit einer erhöhten Ausscheidung von Eiweiss über den Urin (Proteinurie) einhergeht.
Tritt dieses Problem sofort auf? Oder erst ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Schwangerschaft?
Die Krankheit tritt für gewöhnlich ab der 20. Schwangerschaftswoche und bis zu 72 Stunden nach der Entbindung auf.
Wodurch wird sie verursacht?
Die Ursachen und Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, sind komplex und noch nicht gut erforscht. Alle Systeme im Körper sind betroffen. Die Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen, betreffen sowohl die Mutter als auch den Fötus. Die Krankheit wird durch eine gestörte Entwicklung der Plazenta sowie genetische und immunologische Faktoren und wahrscheinlich auch Umweltfaktoren verursacht.
Tritt das Problem häufig auf?
Bei etwa fünf Prozent der Schwangerschaften.
Wie erkennt man die Krankheit?
Die Patientinnen klagen unter anderem über Kopfschmerzen, Ödeme, Schmerzen im Oberbauch, Hyperreflexie oder Krampfanfälle. Manchmal werden die Krankheitssymptome auch längere Zeit gar nicht bemerkt. Hauptanzeichen sind Proteinurie und ein höherer Blutdruck.
Gibt es bei der Präeklampsie schwerere und mildere Formen?
Ja, es gibt alles, von einer einfachen Gestose, also einem erhöhten Blutdruck, der sich mit Blutdrucksenkern gut behandeln lässt, bis hin zur Eklampsie (Krampfanfälle, die epileptischen Anfällen ähneln und sogar tödlich enden können).
Welche Risiken bestehen für das Kind?
Bei einer schweren Präeklampsie muss das Kind auf die Welt geholt werden. Daher variiert das Risiko für das Kind je nach Dauer der Schwangerschaft. Extreme Frühgeburten kommen häufig vor. Ausserdem besteht aufgrund des Bluthochdrucks das Risiko einer Plazentalösung, wodurch der Embryo bzw. Fötus möglicherweise nicht mehr (ausreichend) mit Nährstoffen versorgt wird.
Und die Mutter?
Hauptrisiken für die Mutter sind Hirnblutungen, Herzversagen, Lungenödeme, ausgeprägte disseminierte intravasale Gerinnung (DIG), akutes Nierenversagen und ein teilweiser Leberriss bei einer Haut- oder Schleimhautblutung. Wegen der Komplikationen, die bei einer Präeklampsie auftreten können – insbesondere der Eklampsie mit einer Sterblichkeitsrate von fünf Prozent oder dem HELLP-Syndrom, einer Variante der Präeklampsie, an der fünf bis zehn Prozent der Erkrankten sterben – darf die Krankheit nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Wie wird die Krankheit behandelt?
In leichten Fällen werden Medikamente zur Blutdruckregulation verschrieben. Um einer Eklampsie vorzubeugen, wird intravenös hoch dosiertes Magnesium verabreicht. So soll einige Tage oder Wochen Zeit gewonnen und eine Frühgeburt vermieden werden.
Wie sieht die Behandlung bei einem schweren Krankheitsverlauf aus?
In schweren Fällen oder kurz vor dem Geburtstermin wird die Geburt eingeleitet. Dazu werden entweder wehenfördernde Medikamente verabreicht oder es wird ein Notkaiserschnitt durchgeführt. Die Funktionen der verschiedenen Körpersysteme müssen intensiv überwacht werden. Ein paar Tage nach der Geburt des Kindes verschwinden auch die Beschwerden wieder.
Nicht zu vergessen: Auch nach der Geburt können noch Probleme auftreten…
Ganz genau. In manchen Fällen kann die Krankheit auch erst Stunden nach der Geburt ausbrechen. Die verschiedenen Systeme müssen einfach überwacht werden, damit in der Erholungsphase sofort entsprechend eingegriffen werden kann, falls das nötig sein sollte.
Lässt sich die Krankheit verhindern?
Präventiv kann ab der zehnten Schwangerschaftswoche Aspirin in niedriger Dosierung eingenommen werden. Neuere Forschungen zeigen ausserdem, dass durch die Einnahme von Calciumpräparaten einer Präeklampsie vorgebeugt werden kann. Das gilt vor allem für Risikopatientinnen und Personen, die generell nur wenig Calcium zu sich nehmen.
Tatsächlich wird die Einnahme von Calcium oder auch Magnesium oft empfohlen. Kann man damit eine Präeklampsie effektiv bekämpfen, sodass sich ihre Symptome nicht verschlimmern oder sogar besser werden?
Calcium eignet sich zur Prävention, aber nicht zur Behandlung der Krankheit. Durch die Einnahme von hoch dosiertem Magnesium (Achtung, wirkt bei Überdosierung toxisch!) soll verhindert werden, dass sich bei einer Präeklampsie eine Eklampsie mit Krampfanfällen entwickelt. Magnesium ist weder zur Vorbeugung noch zur Behandlung einer Präeklampsie geeignet.