Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos ist Chefarzt und Direktor des Universitären Notfallzentrums am Inselspital und Co-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin.
Herr Professor, Coronavirus-Mutationen machen den Menschen Angst. Muss man sich wirklich Sorgen machen?
Das Virus macht das, was jedes Lebewesen auf diesem Planeten seit dem Urknall macht. Sich anpassen. Die Dinosaurier waren eher langsam in der Anpassung und sind deshalb ausgestorben. Im Gegensatz zu den komplexen Urviechern ist das Coronavirus relativ einfach gestrickt, nämlich nur aus einem genetischen Strang (RNA), und kann sich sehr schnell anpassen bzw. mutieren. In Zukunft wird es verschiedene Mutationen geben. Wie ein Wissenschaftler einmal sagte: Aus Sicht des Virus muss man sagen, dass «es alles richtig gemacht hat, leider».
Es heisst, FFP2-Masken seien wirkungsvoller als herkömmliche Masken, was empfehlen Sie?
Wie heisst es schön: Im Leben kommt es nicht immer auf die Grösse, sondern auch auf die Technik an. Natürlich sind FFP2-Masken dichter gewebt als «normale» Masken, allerdings wenn diese nicht richtig im Gesicht sitzen, was leider häufig der Fall ist, dann sind sie kein besserer Schutz als ein gut sitzender Mund-Nasenschutz aus der Apotheke oder dem Supermarkt.
Viele Eltern haben Angst, dass ihre Kinder das Virus von der Schule nach Hause bringen. Wie kann man sich zu Hause schützen?
Leider ist dies nur bedingt möglich. Umso wichtiger ist es, sich bereits bei geringen «Erkältungssymptomen» von Familienmitgliedern testen zu lassen, um Übertragungen im familiennahen und beruflichen bzw. schulischen Umfeld zu verhindern.
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein, können wir uns auf den Frühling und Sommer freuen und auch wieder reisen?
Ich denke und hoffe, dass wir bald wieder «freier» sein können. Die jetzigen Zahlen lassen hoffen. Die Anzahl der Neuerkrankungen und die sogenannte Positivrate gehen zurück, obwohl wir nur bedingt verstehen, weshalb dies so ist, und obwohl in anderen Ländern das Coronavirus mit der Bevölkerung Achterbahn fährt. Deshalb dürfen wir noch keine Entwarnung geben und müssen weiter diszipliniert sein. Aber ja, ich hoffe, der Sommer wird so «schön» wie lange nicht mehr.
Noch ist die Grippe dieses Jahr fast ausgeblieben. Wie beurteilen Sie die Lage?
Ich denke, die Grippe ist kein Thema mehr. Die Anti-Corona-Massnahmen haben die Grippe von uns ferngehalten. Dies ist so noch nie beobachtet worden und wird sicher auch ein Thema nach Corona sein.
Soll man sich jetzt noch gegen die Grippe impfen?
Die Grippeimpfung startet im Spätherbst, und die Grippe ist eigentlich um diese Jahreszeit noch aktiv. Wie gesagt, zurzeit sehen wir fast keine Grippefälle. Dies ist sehr speziell. Ich lasse mich jedoch jedes Jahr gegen die Grippe impfen und werde es auch im Herbst 2021 tun.