Niessen, Husten oder Essensreste: Autos stecken voller Bakterien, besonders das Lenkrad. Daran befinden sich neun Mal mehr Bakterien als auf dem Sitz einer öffentlichen Toilette.
Das fanden Forscher der Queen Mary Universität in London schon vor Jahren heraus. Vor allem Lebensmittelreste an den Händen eines Autofahrers machen das Lenkrad und die Armaturen zu Keimherden. Das gilt insbesondere für Car-Sharing-Fahrzeuge oder Mietfahrzeuge in den Ferien, die von vielen verschiedenen Fahrern genutzt werden. In Leihwagen oder im eigenen Auto sollte man regelmässig desinfizieren.
Und wenn schon mit dem Auto unterwegs, dann sollte einem bewusst sein, dass auch Tanken die Gesundheit gefährden kann. Neben Benzoldämpfen droht an der Tanksäule eine Bakterieninfektion. Beinahe kein anderer Alltagsgegenstand ist derart verseucht, wie die Zapfpistole: Über 70 Prozent der Handgriffe waren der oben genannten Studie zufolge stark von gesundheitsschädlichen Keimen und Krankheitserregern befallen.
Prof. Dr. med. Aristomenis Exadaktylos, Chefarzt und Klinikdirektor Universitäres Notfallzentrum (Inselspital Bern), zum Thema Bakterien am Lenkrad.
Herr Exadaktylos, sollten wir im Alltag medizinische Desinfektionsmittel mit uns führen, um möglichst keimfreie Hände zu haben?
Es sollte Standard sein, sich vor dem Essen oder nach dem Kontakt mit «Körperöffnungen» die Hände zu waschen. Desinfektionsmittel sind praktisch, wenn Wasser und Seife fehlen.
Raten Sie, bei der Nutzung von Leihwagen den Lenker zu desinfizieren?
Hysterie ist fehl am Platz. Erreger gehören zur Natur und unser Immunsystem kann mit den meisten sehr gut umgehen. Sonst wären wir ständig krank. Es gibt allerdings einige Bakterien und auch Viren, welche uns den Urlaub ziemlich schnell verderben können. Das Lenkrad und den Schaltknauf mit einem Desinfektionstuch abzuwischen schadet deshalb nie.
Und beim Tanken nur mit Taschentuch oder Handschuhen?
Zahlreiche Studien veranschaulichen, wie sehr unser Abwehrsystem im Alltag gefordert ist, da ständig und überall Keime lauern. Auch hier schadet das Abwischen der Hände mit einem Desinfektionstuch nach dem Tanken sicher nicht, ganz im Gegenteil. Dennoch ist es genauso wichtig, unser Abwehrsystem von Zeit zu Zeit zu stärken.
Sollte ich Haltestangen in Bus und Zug meiden und mir zu Hause oder am Arbeitsplatz gleich die Hände waschen?
Keine Panik – auch hier gilt es, gesunden Menschenverstand zu wahren. Vor allem in der Grippesaison achte ich persönlich jedoch vermehrt darauf, regelmässig meine Hände zu waschen oder zu desinfizieren. Apotheken führen zum Beispiel kleine handliche Desinfektionsgels.
Können Viren und Bakterien denn wirklich über längere Zeit auf einem Gegenstand überleben und für den Menschen gefährlich sein?
Ja, leider. Manche Erreger können viele Jahre oder sogar starke Temperaturschwankungen überleben. Wir dürfen nicht vergessen, dass es diese winzigen Gebilde schon lange vor den Menschen gab und sie werden vermutlich auch noch da sein, wenn es keine Menschen mehr gibt.
Vor welchen Krankheiten muss man sich am meisten fürchten?
Menschen mit einem gesunden Immunsystem müssen sich nicht fürchten. Personen mit einem geschwächten Abwehrsystem, chronisch Kranke, frisch operierte, Kleinkinder oder alte Menschen sind eher gefährdet. Oft handelt es sich dabei um das Grippevirus oder Erreger, welche Durchfall oder Erbrechen hervorrufen können. Meistens überstehen wir solche Infektionen unbeschadet.
In Filmen und Serien werden wiederholt Untergangsfantasien gezeichnet. Beispiele hierfür sind der Film «I am Legend» oder die Serie «The Last Ship», die von einer verheerenden Viren-Pandemie handelt. Wie realistisch sind solche Szenarien?
Sie haben meinen Favoriten vergessen: World War Z mit Brad Pitt. Spass beiseite: An Zombies glaube ich nicht. Allerdings kommt es immer wieder zu schweren Ausbrüchen (Ebola, Schweingrippe, Saisonale Grippe etc.), welche sehr viele Menschen das Leben kosten. Bis jetzt haben wir es immer geschafft, der Situation Herr zu werden. Was in Zukunft an Infektionskrankheiten auf uns zukommt, müssen wir abwarten. Wir haben deshalb zusammen mit meinem Kollegen Prof. Leib vom Institut für Infektionskrankheiten der Uni Bern ein Zentrum für «Biologische Bedrohungssituationen» gegründet, um in Zukunft noch besser vorbereitet zu sein.