Jeder kennt Ratschläge wie «man soll täglich fünf Portionen Obst und Gemüse essen» oder «alles geht durch den Magen». Herr Dr. J.-P. Stamm, Allgemeinmediziner und Arzt im medizinischen Team des TCS, spricht mit uns über den tatsächlichen Einfluss unseres Essens auf die Gesundheit.
Wer sich mit dem Zusammenhang von Ernährung und Gesundheit beschäftigt, hat immer eine heikle Aufgabe. Die Versuchsergebnisse schwanken und wissenschaftliche Studien sind häufig durch zahlreiche Faktoren voreingenommen. Dadurch entsteht ein Klima der Unsicherheit, das dem Irrationalen den Weg bahnt und gefährlicheren Glaubenssätzen den Boden bereitet. Deshalb beschränken wir uns an dieser Stelle darauf, Makro- und Mikronährstoffe zu beschreiben, deren positiver oder negativer Einfluss auf die Gesundheit in evidenzbasierten Studien untersucht wurde.
In der Antike herrschen die Zivilisationen der Ägypter, Griechen und Römer, in denen sich zahlreiche Lebensmittel herausbilden und die Landwirtschaft sehr produktiv ist. Bereits Hippokrates hebt die Bedeutung der Ernährung mit dem folgenden Prinzip hervor: «Die Nahrung soll deine erste Arznei sein.»
Die ersten Abhandlungen über die Eigenschaften zahlreicher Nahrungsmittel und ihren Zusammenhang mit der Gesundheit standen in griechischer und jüdisch-arabischer Tradition. Sie wurden ab dem 13. Jahrhundert veröffentlicht. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte weisen die Wissenschaftler nach, dass ein Mangel an bestimmten Mikronährstoffen, wie etwa Jod, mit Krankheiten in Zusammenhang steht, wie etwa der endemische Kropf und der Kretinismus. Aufgrund des Vitamin-C-Mangels befällt Skorbut grosse Teile der Schiffsbesatzungen, die zur Eroberung der neuen Welt aufbrechen, während dieselbe Krankheit auf englischen Schiffen, die Zitronen mitführen, nicht auftritt.
Ernährung und Nahrungsparadoxa im 21. Jahrhundert
Heutzutage stehen sich ein schier unbegrenztes und vielfältiges Nahrungsangebot für die wohlhabenden Schichten in den reichen Ländern einerseits und eine wachsende Verarmung der benachteiligten Schichten andererseits gegenüber. Mehrere Studien haben einen deutlich häufigeren Mangel an Proteinen, Obst und Gemüse, Fisch und Mikronährstoffen bei den Kindern von Arbeitslosen, Studierenden und Alleinerziehenden mit geringem Einkommen nachgewiesen.
Ein weiteres Paradoxon betrifft die übermässige Durchführung nicht überwachter Diäten zur Gewichtsabnahme, insbesondere bei jungen Frauen, die von einem Trend verführt glauben, den Standards einer erfolgreichen Frauenpresse entsprechen zu müssen. Magersucht betrifft einen wachsenden Anteil der Jugendlichen und bestimmte Ernährungsverhaltensweisen, darunter die vegetarische Ernährung, können zu einem Mangel an Eisen, Folsäure und Vitamin B12 führen, der insbesondere in der Schwangerschaft gefährlich werden kann.
Doch das zerstörerischste Paradoxon für die öffentliche Gesundheit ist die Entwicklung einer breiten Epidemie der Fettleibigkeit, Diabetes und des arteriellen Bluthochdrucks, die sogenannten «Folgeerkrankungen von Übergewicht». Zwar kann ein Teil dieser Erkrankungen durch genetische Faktoren erklärt werden, dennoch entstehen sie hauptsächlich aufgrund von falschen Ernährungsgewohnheiten: industriell zubereitete Lebensmittel, die viel Fett und Salz enthalten, übermässiger Verzehr von zuckerhaltigen Getränken, Eis und Gebäck, Fastfood, schnelle Snacks, usw. Vorhersagen erwarten bis 2025 bis zu 300 Millionen Diabetiker, die Hälfte davon in Asien.
Lebensmittelallergien und Autoimmunerkrankungen: Was bedeuten sie?
4 bis 7 Prozent der Kinder und 1 bis 3 Prozent der Erwachsenen leiden an Lebensmittelallergien. Die Tendenz ist steigend. Allergien stehen mit dem westlichen Lebensstil und dem fehlenden Kontakt mit Krankheitserregern wie Viren, Parasiten und Bakterien in der frühen Kindheit in Zusammenhang. Es gibt noch keinen wissenschaftlichen Beweis, mit dem ein Zusammenhang zwischen bestimmten Lebensmitteln und Autoimmunerkrankungen festgestellt werden kann. In Zukunft könnten bestimmte Erkenntnisse, insbesondere im Bereich der Darmflora, mehr Klarheit bringen.
Einige wissenschaftlich fundierte Ernährungstipps:
Kalzium und Osteoporose
Durch hormonelle Umstellungen verringert sich bei Frauen und Männern ab 50 die Knochenmasse. Eine kalziumreiche Ernährung (etwa 1000 mg pro Tag) verlangsamt den Prozess der Demineralisierung. Milch, Milchprodukte, Käse und Mineralwasser mit viel Kalzium (insbesondere aus der Zentralschweiz) stellen wichtige Kalziumquellen dar. Das für den Kalziumstoffwechsel benötigte Vitamin D wird beim Aufenthalt in der Sonne produziert.
Tierische Fette und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Nur ein Teil des freien «Cholesterins» stammt aus schlechten Ernährungsgewohnheiten. Der Rest wird vom menschlichen Körper selbst produziert, häufig aufgrund genetischer Ursachen. Bei einem zu hohen Cholesterinspiegel im Blut, der oberhalb eines bestimmten Grenzwertes eindeutig mit einem häufigeren Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Zusammenhang steht, ist der erste Schritt eine Diät mit wenig tierischen Fetten. Und im Fall von Übergewicht selbstverständlich der Gewichtsverlust. Regelmässige körperliche Betätigung zwei bis drei Mal pro Woche kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme ebenfalls senken. Ausserdem hat sich im Allgemeinen die «mediterrane» Ernährung auf Basis von Fisch, Obst, Gemüse, Olivenöl und Getreide bei Erkrankungen des Kreislaufs als wirksam erwiesen.
Ballaststoffreiche Ernährung und Darmkrebsvorsorge
Mit einer ausreichenden Menge an Ballaststoffen kann man Darmkrebs vorbeugen. Man findet sie in Vollkorngetreide, Vollkornbrot, rohem oder nur kurz gekochtem Gemüse, Salat und Obst. Neueste Studien zeigen zudem, dass eine ballaststoffreiche Ernährung auch die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringert.
Allgemeine Empfehlungen
Allgemein gesprochen besteht eine gesunde Ernährung aus einer ausgewogenen Mahlzeit pro Tag, die Proteine, langsame Zucker (Reis, Nudeln, Kartoffeln) und etwas Gemüse oder Salat enthalten sollte. Weitere Mahlzeiten sollten dann leichter ausfallen. Die Aufnahme grosser Mengen an schnellem Zucker (Schokolade, Kekse, Eis) sollte man vermeiden. Denn diese führen zu einer erhöhten Insulinausschüttung, die wiederum den Blutzucker senkt und ein Hungergefühl erzeugt, was einen besonders schädlichen Teufelskreis einleitet.
Empfohlen werden 400 g Obst und Gemüse pro Tag sowie der Verzehr von Hülsenfrüchten wie Vollkorngetreide, Linsen, Bohnen, Nüssen und Mandeln. Darüber hinaus sollte man den Verzehr von Salz auf 5 g pro Tag beschränken und bevorzugt ungesättigte Fettsäuren zu sich nehmen.