Sekundenschlaf: Müdigkeit als Lebensgefahr



Notfallratgeber

Quelle: TCS MyMed


Den meisten ist er vertraut, dennoch schleicht er sich immer wieder unbemerkt an. Der Sekundenschlaf tritt in unerwarteten Situationen auf und kann unter bestimmten Umständen gefährlich werden. Gemeinsam mit Herr Dr. phil. Daniel Brunner, zertifizierter Spezialist für Schlafmedizin und Leiter des Zentrums für Schlafmedizin Hirslanden, gehen wir dem Sekundenschlaf auf den Grund und finden heraus, worauf man achten sollte.

Obwohl die Wissenschaft keinen eindeutig definierten Begriff für den Sekundenschlaf kennt, ist das Phänomen allgemein bekannt. Wer unbeabsichtigt einschläft und kurze Zeit später durch einen Reiz – zum Beispiel durch den eigenen Kopf, der nach vorne kippt – wieder geweckt wird, ist wahrscheinlich einem Sekundenschlaf verfallen. Dieser Kurzschlaf kann je nach Körperposition und Tätigkeit mehrere Sekunden oder Minuten dauern.

Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Betroffenen unabhängig von der Dauer des Sekundenschlafs erst durch ein schreckhaftes Aufwachen bemerken, dass sie eingeschlafen sind, während bei einer entspannten Körperposition mit unterstütztem Kopf ein Kurzschlaf oft nicht bemerkt wird. «Ein kurzes Eindösen während der Bettlektüre oder liegend vor dem Fernseher passiert bei vielen Personen zum Teil mehrmals, bis ein Reiz stattfindet, der zum Aufwachen führt. Auch der normale Einschlafprozess bei geschlossenen Augen geschieht über ein kurzes Abtauchen und wieder Aufwachen von jeweils einigen Sekunden, bis nach wenigen Minuten ein stabiler Schlafzustand erreicht ist», so Dr. phil. Daniel Brunner.

Am häufigsten kommt das unbeabsichtigte Einschlafen während einer Tätigkeit in langweiligen oder monotonen Situationen vor, wenn bereits eine erhöhte Schläfrigkeit vorliegt. Für die überhöhte Schläfrigkeit gibt es zahlreiche Gründe, etwa Schlafmangel oder einen gestörten Schlaf infolge Atem- oder Bewegungsstörungen während des Schlafs.

Warnsignale bei Müdigkeit: Darauf sollten Sie achten

  • Sie haben Probleme, die Spur zu halten; fahren ab und zu über den Seitenstreifen.
  • Die Strasse fühlt sich immer enger an.
  • Ihr Blick haftet starr auf der Fahrbahn.
  • An die letzten gefahrenen Kilometer können Sie sich nur schlecht erinnern.
  • Sie übersehen ein Strassenschild, verpassen eine Abzweigung oder Ihre Ausfahrt.
  • Ohne es zu wollen, fahren Sie plötzlich langsamer oder schneller.
  • Die Augen brennen, die Lider sind schwer, Sie wollen die Augen reiben.
  • Sie müssen häufig gähnen und können das Gähnen nicht unterdrücken.
  • Ihre Augen schliessen sich unwillkürlich, Sie blinzeln oder sehen unscharf.
  • Die Konzentration fällt Ihnen schwer, Ihre Gedanken schweifen ab.
  • Sie fühlen sich innerlich unruhig und haben das Bedürfnis, sich zu bewegen.
  • Ihre Stimmung wird schlecht: Sie werden nervös, gereizt oder aggressiv.

Gefahrenpotenzial frühzeitig erkennen
In der Tat ist es möglich, dass die Augen während des Sekundenschlafs nicht geschlossen sind: «Unter hoher Schläfrigkeit sind Halbschlafzustände mit geistiger Abwesenheit oder mit Konzentrationsverlust möglich, welche einem Kurzschlaf entsprechen, ohne dass die Augen zufallen, die Muskelspannung nachlässt oder der Kopf baumelt», erklärt Dr. phil. Daniel Brunner. Entsprechend bedeutsam ist es, das Bewusstsein aller Lenkerinnen und Lenker diesbezüglich zu schärfen, um bei zunehmender Müdigkeit während der Fahrt korrekt zu handeln.

Dr. phil. Daniel Brunner führt weiter aus: «Man sollte nie mit spürbarer Einschlafneigung ein Fahrzeug lenken. Beim Aufkommen von Schläfrigkeit sollte dringend eine Fahrpause eingelegt werden. Eine Rastzeit von 10 bis 15 Minuten ist sehr effizient, wenn die Ruhepause bei geschlossenen Augen im Autositz (Turboschlaf) mit einem darauffolgenden weckenden Getränk kombiniert wird. Die meisten Unfälle geschehen kurz vor der Ankunft am Zielort, weil die Person glaubt, auch ohne Pause das Ziel noch erreichen zu können. Lässt der Wachtrieb auch nur für wenige Sekunden nach, kann sofort ein Kurzschlaf eintreten. Weil Autofahrer strafrechtlich selbst verantwortlich sind, ihre Fahrfähigkeit korrekt einzuschätzen, sollte man kein Risiko eingehen. Vorbeugend ist vor allem das Wissen, dass in Situationen ohne Beifahrer, bei monotoner Fahrstrecke, in den frühen Morgenstunden, nach dem Mittag und bei Wärme ein Sekundenschlaf nach wenigen Minuten eintreten kann, auch wenn man sich kurz zuvor hellwach und voll leistungsfähig gefühlt hat.

Pathologische Ursachen selten der Fall
Einige Leute bringen den Begriff Sekundenschlaf mit der Schlafkrankheit Narkolepsie in Verbindung. Unter dieser Schlaf-Wach-Störung leidet aber nur etwa eine von 3000 Personen. Dr. phil. Daniel Brunner betont in diesem Zusammenhang: «Eine Narkolepsie sollte nur bei täglichen Problemen mit Einschlafneigung in Betracht gezogen werden. Personen mit Narkolepsie haben zudem beim Einschlafen oft traumartige, unübliche Erlebnisse im Halbschlaf und weitere Symptome. Eine den Alltag behindernde Müdigkeit soll beim Hausarzt angesprochen werden. Während Müdigkeit aus verschiedensten medizinischen Gründen (Hormone, Infektionen, Mangelerscheinungen, Psyche, Schlafstörungen, Schmerzen etc.) entstehen kann, steht eine erhöhte Einschlafneigung fast immer mit Schlaf-Wach-Störungen in Verbindung.»

Um die Ursache der Müdigkeit festzustellen, gibt es verschiedene Untersuchungsmöglichkeiten. Es wird zwischen Müdigkeit im Sinne einer Energie- und Antriebslosigkeit sowie Schläfrigkeit mit Kampf gegen das Einschlafen unterschieden. Allfällige internistisch-medizinische Ursachen von Müdigkeit werden durch Blutuntersuchungen und andere Abklärungen beim Hausarzt überprüft. Eine organisch bedingte Störung der Schlafqualität wird mithilfe einer überwachten Schlafregistrierung (Polysomnographie) untersucht. Wenn die Qualität des Schlafs normal ist, wird eine krankhafte Schläfrigkeit mithilfe von vier bis fünf Einschlaftests, die in zweistündlichen Abständen tagsüber stattfinden, abgeklärt. Eine Aufzeichnung von Schlaf- und Hirnströmen muss fachärztlich verordnet werden, denn zur Bestätigung von Schlafmangel als häufigstem Grund für Schläfrigkeit sind keine Messungen nötig.

Dass es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit tatsächlich nur um einen Schlafmangel handelt, zeigt sich zum Beispiel daran, dass die betroffene Person täglich länger schlafen könnte als der Wecker es zulässt, und dies an freien Tagen auch tut. Der ultimative Beweis liefert eine zweiwöchige Testphase mit einem täglich um 60 bis 120 Minuten verlängerten Schlaf. Wenn dann die Schläfrigkeit und Müdigkeit nachlassen, schläft die betreffende Person zu wenig

So kommen Sie auch bei langen Fahrten aufgeweckt ans Ziel:

  • Ausgeruht starten
  • Regelmässige Pausen mit Bewegung
  • Köpersignale beachten
  • Richtig essen und trinken
  • Powerpause mit «Power Napping»

Vielfältige Behandlungsansätze
Liegt Schlafmangel vor, ist eine Verlängerung der täglichen Schlafdauer heilsam, während bei gestörter Schlafqualität die zugrunde liegende Ursache des fragmentierten Schlafs therapiert werden muss. Liegt eine zentralnervöse (neurologische) Schlaf-Wach-Störung oder eine andere Erkrankung als Ursache der Schläfrigkeit vor, hilft eine fachärztliche Abklärung und Behandlung weiter. Medikamente zur Stabilisierung der Wachheit, zur Antriebssteigerung, zur Schmerzlinderung etc. können dabei mit Verhaltensstrategien kombiniert werden. Die Befriedigung einer störenden Tagesschläfrigkeit durch geplanten und getimten Kurzschlaf und die Vermeidung von langweiligen Situationen mit langen Inaktivitätsphasen tagsüber sind Verhaltensstrategien, die im Umgang mit Schläfrigkeit sehr wichtig sind.


Verwenden Sie diese Informationen nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Surfen im Internet ersetzt den Arztbesuch nicht.

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