Sechs Monate Fahrverbot!

Epilepsie


Krankheiten

Quelle: TCS MyMed


Das Strassenverkehrsamt macht Ernst bei Epilepsie. Ein epileptischer Anfall bedeutet mindestens sechs Monate und bis zu einem Jahr Fahrverbot. Auch, wenn vorher noch nie etwas passiert ist.

Das Unglück kommt eines Morgens aus heiterem Himmel. Obwohl er bisher nie die geringsten Anzeichen von Epilepsie gezeigt hat, wird Dylan ohne Vorwarnung starr, verkrampft sich, verliert plötzlich das Bewusstsein und fällt, von Krämpfen geschüttelt, rückwärts auf den Küchenboden. Der Anfall dauert nicht länger als dreissig Sekunden. Dylans Mutter, die gerade bei ihm ist, reagiert sofort. Sie bringt ihn in die stabile Seitenlage, vergewissert sich, dass keine Erstickungsgefahr besteht, und wählt den Notruf.

Wenige Minuten später ist der Krankenwagen da und die Sanitäter übernehmen. Dylan, der inzwischen wieder zu sich gekommen ist, versteht nicht, was los ist, und was diese Sanitäterin, die ihm so viele Fragen stellt, eigentlich von ihm will. Er erinnert sich nur noch daran, dass er sich gerade ein Glas Wasser eingeschenkt hat. Die Sanitäter verabschieden sich, nachdem sie einige Routineuntersuchungen durchgeführt haben, und legen dem jungen Mann und seiner Mutter ans Herz, schnellstmöglich zu einem Facharzt zu gehen. Dylan kommt ins Krankenhaus, wo eine erste neurologische Untersuchung erfolgt. Nachdem der Blutdruck gemessen und ein EKG durchgeführt wurden, lautet eine erste Diagnose: Verdacht auf Epilepsie. Dylan ist fast achtzehn und hatte noch nie einen epileptischen Anfall oder etwas Ähnliches.

Weiter geht es in der Neurologie mit einem Elektroenzephalogramm, das kaum mehr Klarheit bringt. Daher beschliessen die Ärzte, ihn wenige Tage später erneut zu untersuchen. Zunächst wird mithilfe bildgebender Verfahren geprüft, ob Schädigungen zu sehen sind. Aber das MRT zeigt keine Hirnschädigung. Dann folgt ein zweites EEG, wobei dieses Mal untersucht wird, wie das Gehirn nach wenig Schlaf aussieht. Bei dieser Untersuchung könnten neue Erkenntnisse gewonnen werden.

Einige Tage später bekommt Dylan im CHUV seine Ergebnisse. Bei der Anamnese fragt der Neurologe den jungen Mann, ob er manchmal nach dem Aufwachen Muskelkrämpfe hat, in deren Folge es zu kleinen Zuckungen kommt. Ja, ein- bis zweimal pro Woche. Keine mentalen Aussetzer? Nein, aber manchmal hat Dylan das Gefühl, seine Knie würden nachgeben, wenn er morgens die Treppe runterläuft. Hat er sich im Schlaf schonmal auf die Zunge gebissen? Ist er nach dem Aufwachen manchmal etwas verwirrt? Nicht wirklich. Liegt Epilepsie in der Familie? Nein. Hat er sich mal heftig den Kopf angeschlagen? Nein.

Der Arzt erklärt: «Es sieht aus, als hätte er tatsächlich Epilepsie. Beim ersten Anfall weiss man oft nicht, wie die Krankheit weiter verläuft. Manche Menschen haben in ihrem Leben nur einen einzigen epileptischen Anfall. Andere erleiden in regelmässigen Abständen epileptische Anfälle.»

Was genau ist eigentlich Epilepsie?
«Vereinfacht gesagt, ist es ein Kurzschluss im Gehirn. Auf dem ersten Elektroenzephalogramm konnten wir keinen solchen Kurzschluss erkennen. Auf dem zweiten, das durchgeführt wurde, nachdem der Patient wenig geschlafen hatte, allerdings schon. Darum wird ein zweites EEG durchgeführt, während der Patient schläft. Im Schlaf werden im Gehirn bestimmte Abläufe aktiviert, die andere Beobachtungen zulassen als im wachen Zustand. Beim Schlaf-EEG konnten wir phasenweise einige kleine Kurzschlüsse erkennen. Daher vermuten wir, dass wir es hier mit einer sogenannten «juvenilen myoklonischen Epilepsie» (JME) zu tun haben. Muskelzuckungen in Armen und Beinen, wie auch Dylan sie manchmal morgens nach dem Aufwachen verspürt hat, sind typisch für diese Form der Epilepsie. Ein Prozent der Bevölkerung sind Epileptiker, von denen etwa zehn Prozent unter JME leiden.»

Was tut man in so einem Fall?
«Bei diesem Krankheitsbild verabreichen wir dauerhaft Antiepileptika, wodurch das Risiko für neue Anfälle abnimmt. Diese Neurotransmitter helfen, die Gehirnaktivität zu regulieren. Bildlich gesprochen legt das Medikament eine Manschette um die Kabel und verhindert so weitere Kurzschlüsse.»

Aber das MRT war doch unauffällig?
«Ja, das stimmt. Aber bei dieser Art der Epilepsie ist ein unauffälliger MRT-Befund nichts Ungewöhnliches. Diese kleinen Kurzschlüsse sind nur im nach wenig Schlaf durchgeführten EEG zu sehen.»

Leidet Dylan jetzt für den Rest seines Lebens unter dieser Krankheit?
«Nicht unbedingt. Aber wir müssen ihn einige Jahre lang beobachten, um mögliche Symptome sofort zu erkennen. Er wird mit bestimmten Antiepileptika behandelt, die bei dieser Art der Epilepsie oft gut anschlagen. Allerdings wird er diese Behandlung mindestens zehn Jahre lang benötigen. Das Gute ist, dass sich die juvenile myoklonische Epilepsie recht leicht unter Kontrolle halten lässt und die Anfälle mit der Zeit meistens nachlassen, sodass bei zwei Dritteln der Patienten keine Behandlung mehr erforderlich ist, wenn sie 35 oder 40 Jahre alt sind.»

Gibt es Anzeichen? Kann er zukünftige Anfälle vorausahnen?
«Nein, wahrscheinlich nicht. Aber das Gute bei dieser Art der Epilepsie ist, dass die Anfälle oft morgens auftreten, meistens eine halbe bis eine Stunde nach dem Aufwachen. Die kleinen morgendlichen Muskelzuckungen (Myoklonien) sind der sicherste Indikator dafür, dass es erneut zu einem Anfall kommen könnte. Weitere mögliche Anzeichen gibt es nicht. Allerdings ist es durch die Behandlung, die wir für ihn geplant haben, sehr unwahrscheinlich, dass es zu weiteren Anfällen kommt.»

Wie sieht die Behandlung aus?
«Er muss in den nächsten Jahren nur einmal am Tag Tabletten nehmen. Und, wie bereits gesagt, schlägt die Behandlung meistens gut an, sodass weitere Anfälle sehr unwahrscheinlich sind. Wir beginnen zunächst mit einer schwachen Dosis von 25 Milligramm und erhöhen die Dosis dann um jeweils 25 Milligramm, bis wir bei 150 Milligramm pro Tag sind, was einem Viertel der maximalen Dosis entspricht.»

Gibt es Nebenwirkungen?
«Möglicherweise Gereiztheit und ein wenig schlechte Laune. Letzteres bessert sich aber, wenn ein anderes Medikament zum Einsatz kommt.»

Gibt es Einschränkungen?
«Angesichts von Dylans Alter gibt es eine, die sehr schwer wiegt: Er darf nach einem Anfall ein Jahr lang nicht Autofahren. Allerdings wird das Verbot möglicherweise gelockert, wenn ein halbes Jahr, seit Dylan mit der auf ihn abgestimmten Behandlung begonnen hat, keine weiteren Anfälle mehr aufgetreten sind. Der Rest sind eigentlich reine Vorsichtsmassnahmen: Duschen statt Baden, beim Schwimmen aufpassen, kein Extremsport wie Klettern oder Fallschirmspringen. Beim Schwimmen sollte immer jemand dabei sein.»

Dylan nimmt das Medikament nun seit sechs Monaten. Seitdem hatte er keinen Anfall mehr und auch keine Muskelzuckungen oder Nebenwirkungen. Nach einer weiteren gründlichen Kontrolluntersuchung beim Neurologen konnte er sogar seinen Unterricht in der Fahrschule fortsetzen.


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