Zytomegalievirus: Bis zu 80 Prozent der Menschen sind infiziert



Krankheiten

Quelle: TCS MyMed


Prof. Dr. med. Nicolas Müller, Leitender Arzt an der Klinik für Infektionskrankheiten & Spitalhygiene am Universitätsspital in Zürich, im Interview zum Thema Zytomegalievirus.

Herr Professor Müller, wie wird das Zytomegalievirus (CMV) übertragen?

In erster Linie durch Schmierinfektionen, also durch direkten Kontakt mit virushaltigem Speichel (z.B. durch Küssen, Niessen, Husten, den Schnuller des Kindes in den Mund nehmen), Urin, Tränen, Genitalsekret und Sperma. Über die Luft kann man sich nicht damit anstecken. Während der Schwangerschaft kann das Virus zudem von der Mutter auf das Kind übertragen werden. Die Übertragung kann auch bei Organtransplantationen auftreten.

Wie wird das Virus nachgewiesen?
Entweder indirekt über die Messung der Antikörperantwort, oder direkt via Nachweis des Virus.

Und wie merkt man, dass man sich mit dem Virus angesteckt hat?
Die meisten Menschen erwerben während ihres Lebens eine CMV-Infektion, ohne jemals Symptome zu entwickeln. Da 70 % bis 80 % aller Erwachsenen infiziert sind und die Mehrzahl keine Kenntnis von der latenten CMV-Infektion hat, ist ein sicherer Schutz vor einer CMV-Infektion kaum möglich. Häufig wird man jedoch bereits im Kindesalter damit angesteckt und da merkt man es kaum: Kein Fieber und auch kein Ausschlag oder sonstige Beschwerden. Wenn man sich später damit ansteckt, kann sich das wie eine Grippe anfühlen – unter anderem mit Fieber und Muskel- und Gelenkschmerzen.

Also kaum Symptome?
Bei der Zytomegalie können die Symptome individuell sehr verschieden sein. So zeigen immungesunde Infizierte in den meisten Fällen überhaupt keine Krankheitszeichen.

Wie lange dauert eine solche Infektion?
Im Schnitt eine bis maximal zwei Wochen. Aber natürlich gibt es auch Einzelfälle, bei denen es länger dauern kann. 

Was ist das denn genau für ein Virus?
Das Zytomegalievirus gehört neben den Erregern von Lippenherpes, Windpocken, Gürtelrose und Pfeifferschem Drüsenfieber zur Gruppe der Herpesviren. Herpesviren verbleiben nach der Infektion lebenslang im Körper, normalerweise ohne Krankheitssymptome auszulösen.

Wie gefährlich ist eine Infektion?
In der Regel ist es sehr ungefährlich, denn es ist eine selbstlimitierende Infektion. Bei Immungesunden kenne ich persönlich kaum schwere Verläufe oder Spätfolgen. Man erholt sich meist problemlos davon und die meisten Menschen merken gar nichts, denn das Immunsystem kann das Zytomegalievirus im Körper erfolgreich kontrollieren.

Und wann kann es trotzdem gefährlich werden?
Zu einer ernsten CMV-Erkrankung kann es kommen, wenn das Immunsystem durch eine schwere Vorerkrankung oder durch Medikamente geschwächt ist bzw. unterdrückt wird. Dies zum Beispiel, wenn man länger auf der Intensivstation liegt (zum Beispiel aufgrund von schweren Verbrennungen) oder nach einer Organtransplantation. Um eine Abstossung des Organtransplantats zu vermeiden, werden Medikamente eingesetzt, die das Immunsystem hemmen. Dadurch wird die Infektabwehr des transplantierten Patienten ebenfalls stark reduziert – die Häufigkeit und Schwere von Infektionen steigt. Die CMV-Reaktivierung ist eine der häufigsten infektiösen Komplikationen bei Organtransplantationen und kann unbehandelt zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung führen.

Welche Medikamente wirken gegen CMV?
Da die Medikamente starke Nebenwirkungen aufweisen und nicht immer wirken, sind wir bei Immunkompetenten sehr zurückhaltend damit – es gibt keine Studie, die zeigt, dass das etwas bringt. Eine Medikation ist da nicht notwendig, da die Krankheit selbstlimitierend ist. Bei einem gestörten Immunsystem oder bei einer Organtransplantation ist das anders, da muss man zum Teil mit Medikamenten behandeln. Für die Behandlung von CMV stehen mehrere spezielle Virostatika zur Verfügung. Diese Medikamente verhindern die Vermehrung der Viren.

Es heisst, nach der primären Infektion mit dem Zytomegalievirus persistiert der Erreger lebenslang und kann periodisch reaktivieren. Wie macht sich eine solche Reaktivierung bemerkbar?
Man merkt nichts davon, nur bei kritisch Kranken kann eine Reaktivierung Fuss fassen. Typischerweise wie bereits erwähnt nach einer Organtransplantation. In den ersten Monaten nach einer Organtransplantation ist die Gefahr einer CMV-Erkrankung besonders gross, weil in dieser Frühphase das Immunsystem besonders stark gehemmt wird, um eine akute Abstossungsreaktion auszuschliessen.

Könnte eine Primärinfektion oder eine Reaktivierung auch chronisch verlaufen?
Beim immungesunden Menschen kenne ich das nicht.

Ist das ähnlich wie bei Herpes simplex (Lippenherpes), können auch Stress, Sorgen oder zum Beispiel sogar eine Impfung die Auslöser für eine Reaktivierung der Grund sein?
Das kann man so nicht sagen. Herpes kann durch erhöhte UV-Strahlung oder eben durch Stress reaktiviert werden. Bei CMV beobachten wir das nicht. 

Das Immunsystem muss dauernd gegen das Virus kämpfen, nutzt es sich dadurch nicht ab und entstehen so Spätfolgen? 
Das Virus muss lebenslang mit grossem Aufwand kontrolliert werden, rund ¼ der Abwehrzellen sind damit beschäftigt. Im Alter, wenn das Immunsystem generell schwächer wird, wird spekuliert, dass diese intensive Beanspruchung zu gewissen Defiziten führen. Das ist allerdings schwierig zu beweisen.

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